CDU-Mann attackiert Linken-Abgeordneten, weil er einen Ex-Terroristen beschäftigt: RAF-Eklat im Bundestag

„Der Feind der Demokratie hat nichts im Herzstück der Demokratie zu suchen!“

Quelle: Bundestag

Jetzt kommt raus: Seit Jahren arbeitet der Ex-RAF-Terrorist Christian Klar für einen Bundestagsabgeordneten der Linken, Diether Dehm. Für andere Bundestagsabgeordnete ist das ein absolutes No-Go! Das machte ein CDU-Politiker heute im Bundestag unmissverständlich klar.

Er war Terrorist und saß 26 Jahre für seinen Taten (unter anderem wegen Mordes) im Knast – jetzt arbeitet Ex-RAF-Mitglied Christian Klar (63) für einen Bundestagsabgeordneten! Erst jetzt wurde bekannt, dass Klar bereits seit Jahren im Bundestags-Büro von Linke-Politiker Diether Dehm beschäftigt ist.

Dort gestalte er als freier Unternehmer für ein kleines Honorar die Website des Abgeordneten. Dehm erklärte: „Er macht nur die Technik und hat keinerlei Zugriff auf Inhalte.“ Zuerst hatte die „Junge Freiheit” über das Beschäftigungsverhältnis berichtet.

Der Abgeordnete habe versucht, im Bundestag einen Hausausweis für Klar zu beantragen. Das sei ohne Begründung abgelehnt worden. Nach Angaben Dehms befasste sich der Ältestenrat des Bundestages in dieser Woche mit dem Fall.

Im Bundestag: Weiler gegen Dehm

In einer Debatte im Bundestag bekam Dehm dafür gleich eine Retourkutsche. Der Abgeordnete Albert Weiler (50, CDU) hielt einen ausgedruckten BILD-Artikel samt einem Foto von Christian Klar am Rednerpult hoch und rief dem Plenum zu: „Das ist ein verurteilter Mörder!“

In Bezug auf den Bundestagsausweis für Klar, der abgelehnt wurde, sagte Weiler zu den Abgeordneten: „Der Feind der Demokratie hat nichts im Herzstück der Demokratie zu suchen!“ Auch Herr Dehm sollte sich überlegen, „ob er hier an der richtige Stelle ist“, fügte der CDU-Mann noch hinzu.

Dehm verteidigt sich: Auf die Inhalte seiner Internetseite – darauf legt der Linke-Politiker Wert – habe Klar keinerlei Einfluss, und sein Verdienst sei minimal. Dehm spricht von einem „sehr geringen monatlichen Geldbetrag”.

Klar arbeitet auch nicht im Bundestags-Büro im Jakob-Kaiser-Haus, sondern von seiner Berliner Wohnung aus. Mehr will Dehm nicht verraten.

Gegen ein Gesetz verstößt Dehm damit aber nicht: „Die Arbeitsverhältnisse zwischen den Mitgliedern des Bundestages und ihren Mitarbeitern haben einen privatrechtlichen Charakter und werden direkt zwischen Abgeordneten und Mitarbeitern abgeschlossen“, teilte die Presseabteilung des Bundestags auf BILD-Anfrage mit.

Zudem seien die Mitarbeiter der Abgeordneten keine Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Das heißt aber nicht, dass den Mitarbeitern nicht der Zutritt zum Bundestag verweigert werden kann. Denn diese Erlaubnis richtet sich nach der Hausordnung des Bundestags und damit nach strengen Vorgaben.

Bundestags-Sprecher Ernst Hebeker begründet die Ablehnung des Hausausweises mit „Sicherheitsbedenken”. „Bei uns handelt es sich um eine besondere Schutzzone mit besonders schutzbedürftigen Personen.”

Trotzdem konnte Dehm den Ex-Terroristen im Dezember ins Hohe Haus holen – als seinen persönlichen Gast, worauf jeder Abgeordnete Anspruch hat. Nach Auskunft seines Büros war Klar inzwischen mehrfach da.

Der Terrorist Christian Klar 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang war die Rote Armee Fraktion in Deutschland der Inbegriff von Terror und Mord.

Christian Klar gehörte vor gut dreißig Jahren zur sogenannten zweiten Generation der RAF. Kontakt zur RAF bekam er in jungen Jahren, nachdem er mit seiner Familie von Freiburg in die Region Karlsruhe umgezogen war. Dort zog er mit Adelheid Schulz und Günter Sonnenberg in eine WG. Später kam das damalige RAF-Mitglied Knut Folkerts dazu.

In einer Übergangsphase – bevor er politisch aktiv wurde – sagte Klar einmal in einem Interview, war er als Student an der Universität Heidelberg für die Fächer Philosophie und Geschichte eingeschrieben.

Diether Dehm hat Christian Klar nach eigener Auskunft schon vor vielen Jahren kennengelernt, „auf einer Friedensdemonstration”. Das müsste dann schon in der ersten Hälfte der 70er gewesen sein.

Klar trat 1976 in die RAF ein, ging in den Untergrund und wurde zu einem prominenten Mitglied der Organisation. Ziel der zweiten Generation der Gruppe war es, mit Morden und Entführungen die Gefangenen freizupressen.

Ihre Spitze bildeten damals Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulz – „Baader-Meinhofs Kinder“ nennt sie der Buchautor Alexander Straßner. 

Ihrem „bewaffneten Kampf“ gegen das „imperialistische System“ fielen Dutzende Menschen zum Opfer – darunter hohe Repräsentanten von Wirtschaft und Politik wie der Generalbundesanwalt Siegfried Buback und der Chef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto. 

Klar war ab 1977 an fast allen Aktionen der RAF beteiligt, oft als einer der Drahtzieher. Im November 1982 wurde Klar zusammen mit der RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt festgenommen.

1985 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart Christian Klar zu einer lebenslangen Haftstrafe, unter anderem wegen neunfachen Mordes. 1992 wurde er ein weiteres Mal verurteilt. Sechs Jahre später legte das OLG wegen besonderer Schwere der Schuld fest, dass Klar mindestens 26 Jahre hinter Gittern bleiben muss. 

► Insgesamt wurde er jeweils als „Mittäter“ beim Mord an Generalbundesanwalt Buback und seinen zwei Begleitern, am Bankier Jürgen Ponto und am Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer sowie dessen vier Begleitern verurteilt.

Der frühere RAF-Terrorist Christian Klar ist seit 19. Dezember 2008 wieder auf freiem Fuß. Nach 26 Jahren im Gefängnis verließ er an dem Tag die Justizvollzugsanstalt Bruchsal.

Klar hatte, während er im Gefängnis saß, gearbeitet. Wegen seines angesparten Urlaubs, sogenannten Freistellungstagen, konnte er damals schon ein paar Tage früher entlassen werden, als ursprünglich vorgesehen.

Klars Leben nach dem Knast

„Er hat sich gefreut, er war zufrieden“, beschrieb sein Anwalt Heinz-Jürgen Schneider am Tag seiner Entlassung die Stimmung Klars. Zum Aufenthaltsort seines Mandaten machte der Anwalt damals keine Angaben. 

Nach seinem eigenen Prozess und seiner abgebüßten Haftstrafe musste Christian Klar noch einmal vor Gericht, aber diesmal als Zeuge im Buback-Prozess. Angeklagte war die RAF-Terroristin Verena Becker. Klar hielt sich zu der Zeit für einen längeren Zeitraum in Übersee auf, wie es damals hieß. Damals gab er als Beruf Kraftfahrer an. Er schwieg vor Gericht. 

►Buback, sein Fahrer und ein Justizbeamter waren 1977 in Karlsruhe von einem Motorrad aus erschossen worden. Wer die beiden Attentäter waren, konnte das Oberlandesgericht Stuttgart nicht klären. Die frühere RAF-Terroristin Verena Becker war wegen Beihilfe zum Mord 2012 zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

Noch im Gefängnis hatte Christian Klar angekündigt, er wolle „eine Lohnarbeit verrichten und ein legales Leben führen“. Christian Klar siedelte sich offenbar in Berlin an, dort wird er auch von einem Bewährungshelfer betreut. 

Damals, nach seiner Haftentlassung Ende 2008, hätte er auf das Angebot des Berliner Ensembles eingehen können, für das Haus als Bühnentechniker zu arbeiten. 2005 hatte der Intendant Claus Peymann Klar ein Praktikum angeboten, nachdem der Ex-RAF-Terrorist dort angefragt hatte. Unklar ist, ob Klar das Praktikum je antrat. 

Zwei Gutachter bescheinigten übrigens, dass Klar nicht mehr als gefährlich gilt und nicht rückfällig wird.

Auch andere RAF-Mitglieder auf freiem Fuß

Viele ehemalige RAF-Mitglieder sind mittlerweile tot. Einige von ihnen begingen Selbstmord – zum Beispiel Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe 1977 in ihren Zellen im Gefängnis Stuttgart-Stammheim. 

Zuletzt sorgten Überfälle auf Geldtransporter für Aufsehen: Sie sollen auf das Konto von ehemaligen RAF-Mitgliedern der dritten Generation gehen, die sich so wohl ihren Lebensunterhalt „verdienen“.

Im Juni vergangenen Sommers hatten drei maskierte und schwer bewaffnete Täter einen Geldtransporter in der Nähe von Bremen überfallen.

Nach Auswertung der DNA-Spuren war klar: Unter den Tätern sind die Ex-RAF-Terroristen Ernst-Volker Wilhelm Staub (61), Daniela Klette (57) und Burkhard Garweg (47). Im Januar wurden deswegen zwar Wohnungen durchsucht, aber die jahrzehntelang gesuchten Ex-RAF-Terroristen sind weiter auf freiem Fuß. 

Das Trio steht außerdem im Verdacht, schon im Juli 1999 in Duisburg einen Geld-Panzerwagen ausgeraubt zu haben. Beute: Rund 500 000 Euro.

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