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Textiler Einzelhandel setzt auf Erlebnisfaktor

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Einkaufszentren, Outlets, Onlineshops – der textile Einzelhandel ist großen Veränderungen unterworfen. Kleine Läden in der Wetterau lassen sich viel einfallen, um dem Konkurrenzdruck standzuhalten.

Die Gründe für das veränderte Einkaufsverhalten sind vielfältig. Der demografische Wandel, steigende Mieten und Lebenshaltungskosten, stagnierende Einkommen und weniger Freizeit spielen neben dem zunehmenden Wettbewerb eine Rolle. Besonders betroffen sind kleinere Bekleidungsgeschäfte. »Mode hat heute ein Problem«, sagt Jochen Ruths, Präsident des Handelsverbandes Hessen und Inhaber von »Mode Ruths« in Friedberg und Bad Nauheim. Für Bekleidung werde ein geringerer Einkommensanteil ausgegeben als früher. Urlaub, Essen und Gesundheit stünden auf der Prioritätenliste weiter oben. Weniger Freizeit bedeute zudem weniger Zeit für Konsum.

»Online-Umsätze werden meist sonntags auf der Couch gemacht«, erklärt Ruths. Der Einzelhandel darf laut hessischem Ladenöffnungsgesetz an vier Sonntagen im Jahr verkaufen und nur in Verbindung mit Veranstaltungen, etwa dem Friedberger Herbstmarkt. »Die Sonntage werden vor allem von Familien genutzt, die sonst keine Zeit haben, entspannt einkaufen zu gehen.« Leider werde von Kirchen und Gewerkschaften oft kurzfristig Klage erhoben und der verkaufsoffene Sonntag abgesagt. Ruths wünscht sich eindeutigere Gesetzesregelungen.

Online-Präsenz sei für jeden Einzelhändler unerlässlich. Ruths hat eine Homepage und eine Facebook-Seite, dazu eine Smartphone-App. Hier werden Events und Rabattaktionen beworben. Darüber hinaus betreibt er einen Onlineshop mit »Friedbergensien« – Kolter, Keksschale und Leinenhandtücher mit Friedberg-Logo, das betont den Trend zum Lokalen. Um die digitale Präsenz zu verbessern, wäre eine App denkbar, die touristische Highlights, Veranstaltungen und Shopping-Angebote zur besseren Vermarktung des Standorts vereint.

Auch Dennis und Burkhard Unger, Inhaber von »M.A.M.« in Bad Nauheim und »Onrush« in Bad Nauheim und Friedberg, sehen einen Bezug zur städtischen Infrastruktur. »Der Handel muss viel tun, um attraktiv zu bleiben. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Innenstädte für die Kunden anziehend sind«, sagt Burkhard Unger. Mit Bad Nauheim sind sie zufrieden: Dennis Unger beschreibt die Stadt als »ein offenes, gewachsenes Einkaufszentrum mit einer wunderschönen historischen Architektur und Anbindung an den Kurpark«.

Events könnten eine emotionale Bindung zum Kunden aufbauen. »Die fachliche Beratung und den Erlebnisfaktor kann das Internet nicht bieten«, betont Ruths. Großen Erfolg hatte er mit der »Sommerspa?-Aktion: Eine Flasche Apfelwein und 14 Prozent Rabatt wurden geboten, das angepeilte Ergebnis um mehr als 50 Prozent übertroffen.

In Zeiten, in denen Sortimente immer vergleichbarer werden, wählt der Kunde die Geschäfte, die auf persönliche Wünsche eingehen, ist Bettina Olmo überzeugt. Die Inhaberin von »Betty O.« und »Nice 2 Have« in Bad Nauheim veranstaltet private Shopping- Events: »Das machen wir für kleine Gruppen nach Ladenschluss.« Den Kunden wird auch eine Auswahl an Bekleidung nach Hause gebracht, wo in Ruhe ausgewählt werden kann. Gerade Berufstätige nutzten diese Angebote. »Die große Stärke des Einzelhandels ist die persönliche Beratung und ein exzellenter Service. In der Modebranche wird es dafür immer einen Bedarf geben«, sagt Olmo.

Matthias Kozera, Inhaber von »Mazzu Mazzu« in Friedberg und Bad Vilbel, geht noch einen Schritt weiter. Er setzt mit seinem Konzept auf Modemarken aus Paris und Mailand und konzentriert sich aufs Stammkundengeschäft. Geöffnet wird zusätzlich nach Kundenwunsch, oft werden Termine nach Feierabend vereinbart. Sein Sortiment sei sonst nur in wenigen deutschen Metropolen zu finden und richte sich an eine designorientierte Kundschaft, die nicht nur aus der Region komme. »Unsere Kunden suchen das Individuelle, finden uns oft übers Internet und einschlägige Modeblogs«, sagt Kozera. »Marken, die zu sehr auf Onlineverkauf setzen und in eigenen Online-Shops früh reduzieren, fliegen raus.« Er weiß genau, was gewünscht ist und kauft speziell für seine Stammkunden ein.

»Fast Fashion« ist ein gegenläufiger Trend, Unternehmen wie Primark überfluten den Markt mit Billigware. Der Bekleidungsmarkt sei übersättigt, erklärt Ruths, dies zwinge den Einzelhandel, ständig zu reduzieren. Dazu trügen neben dem Onlinehandel Outlets bei, für die extra Ware in minderer Qualität produziert werde. »Der Spruch, dass es schwer ist, ist so alt wie der Handel«, sagt Jochen Ruths. Man müsse sich Veränderungen anpassen, statt sie negativ zu sehen. »Der Wandel ist da, wir bleiben.«

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