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Wie sich die AfD in den Ländern selbst schadet

Deutsche verlieren Glauben an Merkel - AfD weiter im Aufwind

Die AfD hat bei der neusten Umfrage von Infratest Dimap einen neuen Rekordwert erreicht. Viele Wähler scheinen das Vertrauen in Merkel verloren zu haben. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid.

Quelle: Die Welt

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In mehreren Landesparlamenten gab es Zwist in AfD-Fraktionen. Die Berliner Partei ist deshalb auf der Hut. So wurde ein auffälliger Rechtsaußen vorsorglich schon vor Arbeitsbeginn kaltgestellt.

Aus Erfahrung wird man offenbar doch klug. Die Berliner AfD unter Führung von Spitzenkandidat Georg Pazderski hat ihre Fraktion noch vor ihrem Einzug ins Abgeordnetenhaus einem Reinigungsprozess unterzogen: Der umstrittene Direktkandidat Kay Nerstheimer aus dem Ortsteil Lichtenberg wird nicht für die Partei ins Landesparlament einziehen. Dazu hatte er sich schriftlich bereit erklärt. Er wird fraktionsloser Abgeordneter. So ganz los wird ihn die Partei also nicht – auch wenn sich die Führung um einen Mandatsverzicht bemüht hatte.

„Er wollte auf sein Direktmandat nicht verzichten“, sagte Pazderski der „Welt“. „Wir haben ihm gesagt: Überleg mal, ob du dir das antun willst. Die Presse wird sich auf dich stürzen.“ Pazderski bezeichnete den Verzicht auf die Fraktionszugehörigkeit Nerstheimers als letztlich „beste Lösung für beide Seiten“.

Mehr war also nicht herauszuholen. Immerhin würde Nerstheimer mit einem Mandatsverzicht 3601 Euro Abgeordnetendiät im Monat verlieren, dazu eine nicht steuerpflichtige monatliche Kostenpauschale in Höhe von 2518 Euro.

Und: Im Zweifel kann er immer noch gemeinsam mit der AfD-Fraktion abstimmen. Die Lösung bleibt also zumindest vorerst eine Win-win-Situation für beide Seiten.

Halber „Rauswurf“ Kay Nerstheimers zeigt Professionalität

Der 52-jährige Nerstheimer hatte den Wahlkreis Lichtenberg 1 mit 26 Prozent direkt gewonnen. Doch schon vor seiner Wahl waren unappetitliche Details seiner politischen Ansichten bekannt geworden.

So hatte Nerstheimer wiederholt auf seinem inzwischen abgeschalteten Facebook-Account gegen Homosexuelle gehetzt und Flüchtlinge als „widerliches Gewürm“ bezeichnet. Bis 2012 war er Mitglied der German Defense League – einer rechtsextremen und islamfeindlichen Organisation, die ihre Mitglieder auch aus der Hooliganszene rekrutiert.


Beim gemeinsamen Gespräch sei Nerstheimer einsichtig gewesen und habe seine Facebook-Postings bereut, sagte Pazderski. „Er war sehr kooperativ. Es war mein Gefühl, dass er sehr betroffen war.“

Zu einem möglichen Parteiausschlussverfahren wollte sich Pazderski nicht äußern. Das sei Sache des Landesverbandes. „Bevor nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen, äußern wir uns in der Angelegenheit nicht.“ Man habe einen Justiziar beauftragt, der sich einen Überblick über die Sachlage verschaffe. Weitere Schritte seien Angelegenheit des Berliner Landesverbandes.

Zieht nicht für die AfD ins Landesparlament ein: Direktkandidat Kay Nerstheimer aus Berlin-Lichtenberg
Zieht nicht für die AfD ins Landesparlament ein: Direktkandidat Kay Nerstheimer aus Berlin-Lichtenberg
Quelle: dpa/AfD
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Der halbe „Rauswurf“ Nerstheimers scheint also ein durchdachter Schachzug der Hauptstadt-AfD. Er spricht für eine – zumindest bisher – professionell agierende Parteispitze. Denn seit ihrer Gründung fällt die AfD bundesweit durch Querelen auf – bis hin zu Morddrohungen. Kaum gelang der Partei der Einzug in ein Landesparlament, ging der Ärger häufig erst richtig los.

AfD fällt bundesweit durch Querelen auf

Besonders spektakulär eskalierte der innerparteiliche Zwist in Baden-Württemberg. Dort spaltete sich die AfD Anfang Juli in zwei Fraktionen. Erst drei Monate zuvor war ihr mit 15,1 Prozent der Einzug in den Landtag gelungen.

Fraktionschef Jörg Meuthen hatte vergeblich versucht, den Parteiausschluss Wolfgang Gedeons zu erzwingen. Der war durch antisemitische Schriften negativ aufgefallen. Eine Mehrheit der Fraktion hielt ihn für nicht mehr tragbar; neben der AfD im Stuttgarter Parlament entstand die AWB-Fraktion unter Führung von Meuthen. Gedeon verließ die Fraktion freiwillig. Nach langem Hin und Her, inklusive Einschaltung der Parteichefin Frauke Petry, hat man sich inzwischen wieder zusammengerauft.

In der Hamburger AfD-Fraktion kam es zuvor zu einem ähnlichen Zerwürfnis. Der Partei war im Februar 2015 mit 6,1 Prozent der Einzug in die Bürgerschaft gelungen; die Fraktion stellte zunächst sieben Abgeordnete. Seit Februar 2016 sind es jedoch nur noch sechs. AfD-Politiker Ludwig Flocken war einem Parteiausschlussverfahren zuvorgekommen und sitzt nun als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament.

Auslöser waren mehrere unabgesprochene kleine Anfragen an den Senat, die von den Parteikollegen als fremdenfeindlich bewertet wurden. Zudem fiel Flocken negativ auf, weil er an Pegida-Demonstrationen teilnahm. Im April wurde er von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) von einer Parlamentssitzung ausgeschlossen, weil er seine Redezeit überzog und diese zu verbalen Ausfällen gegen Muslime nutzte. Unter anderem sagte er: „Die Gefühle der Mohammedaner sind uns bestenfalls egal.“

Oskar Helmerich erhielt eine anonyme Morddrohung

Auch im Stadtstaat Bremen zerlegte sich die AfD nach der Wahl im Mai 2015 innerhalb von nur zwei Monaten. Drei der vier Abgeordneten kehrten der Partei den Rücken und traten in die Abspaltung Alfa des Ex-AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke ein. Grund: Sie waren mit der islamfeindlichen Ausrichtung nicht einverstanden.

Die damalige AfD-Landessprecherin Antonia Hanne forderte Differenzierung, was das Verhältnis zu muslimischen Mitbürgern angehe. „Da gibt es sehr viele ehrbare und gut integrierte Menschen“, zitierte die „taz“ Hanne nach der Trennung. Die ehemalige AfD-Gruppe heißt nun seit Ende Juli 2015 Alfa-Gruppe Bremen.

„Populismus ist kein Schimpfwort“

Frauke Petry deutet offenbar gerne Begriffe. Nach „völkisch“ ist jetzt „Populismus“ an der Reihe. Laut Petry ist das nämlich doch kein „Schimpfwort“.

Quelle: Die Welt

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Besonders spektakulär dezimierte sich die AfD-Fraktion in Thüringen. Bei der Landtagswahl im September 2014 holte die rechte Partei dort 10,6 Prozent der Stimmen; das bedeutete elf Sitze im Erfurter Parlament. Mitte April 2015 verlor die Fraktion ihr erstes Mitglied: Siegfried Gentele wurde wegen „grob fraktionsschädigendem Verhalten“ aus der Fraktion ausgeschlossen. Gentele hatte Fraktionschef Björn Höcke wegen dessen rechtsnationalen Kurses kritisiert und sich zum damaligen AfD-Chef Lucke bekannt.

Ein paar Wochen später folgten seine Kollegen Oskar Helmerich und Jens Krumpe, die sich Höcke persönlich vorgeknöpft hatte. Helmerich verbot er die Teilnahme an Fraktionssitzungen; Krumpe sollte nur teilnehmen, wenn er sich im Sinne der Fraktion verhalte. Beiden Politikern schmeckte Höckes Rechtsaußenkurs ebenso wenig wie zuvor Gentele.

Helmerich erhielt in dieser Zeit sogar eine anonyme Morddrohung: Man werde ihm den Kiefer brechen, er solle sich besser gleich einen Strick nehmen, hieß es damals in einem anonymen Schreiben. Inzwischen haben sich zwei der drei Politiker neue Parteien gesucht: Gentele ist Mitglied der Familienpartei, Helmerich der SPD.

In zwei Jahren brachte die Partei keinen Antrag durch

Gegen die Thüringer Querelen wirkt der Zwist im Brandenburger AfD-Verband fast schon harmlos. Seit Herbst 2014 sitzen elf AfD-Politiker im Potsdamer Landtag. Allerdings besteht die Fraktion nur aus zehn Personen: Ausgerechnet Stefan Hein, der Stiefsohn des mächtigen Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland, wurde gleich zu Beginn der Legislaturperiode ausgeschlossen.

Er hatte Reportern Hinweise gegeben, Gauland habe Nachforschungen über die rechte Vergangenheit zahlreicher Fraktionsmitglieder in Auftrag gegeben. Das wurde umgehend dementiert, und Hein gestand schließlich ein, dass er Gauland hintergangen habe. Nun sitzt Hein allein am Tisch im Landtag – hinter der AfD-Fraktion.

Für den Erfolg der Partei ist das ohnehin unerheblich. Seit zwei Jahren ist die AfD in Potsdam mit keinem Antrag erfolgreich gewesen; von den anderen Fraktionen wird sie bei Abstimmungen beharrlich ignoriert.

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