Zum Inhalt springen

Globale Übersicht Die Weltkarte der Staatsverschuldung

Ein grüner Klecks inmitten von sehr viel Rot: Die Karte der globalen Staatsschulden zeigt, wie die Eurozone während der vergangenen fünf Jahre in die Krise schlitterte - und wie stabil Deutschland dasteht. Aber wer sind die größten Schuldenmacher?
Weltkarte des Staatsschulden-Trends: Tiefrote Eurozone

Weltkarte des Staatsschulden-Trends: Tiefrote Eurozone

Foto: SPIEGEL ONLINE

Die Mächtigen der Eurozone zurren einen Notfallplan für Griechenland fest, nur einen Monat später tritt der Notfall ein; die Regierung in Athen ruft um Hilfe, Portugal und Irland geraten ins Wanken, dann Italien und Spanien. Die globale Finanzkrise wird in der Eurozone zur Staatsschuldenkrise - ziemlich genau fünf Jahre liegen diese dramatischen Tage jetzt zurück.

Und noch immer taumelt Griechenland am Rande der Zahlungsunfähigkeit, trotz des Sparkurses und der Strukturreformen, trotz des vor allem von Deutschland verordneten Rezepts.

Ein unheilvoller Begriff ist nun häufiger zu hören. Ökonomen und Politiker munkeln von einem "verlorenen Jahrzehnt" für Europa - mit feinen Unterschieden: Während Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und US-Finanzminister Jack Lew die Eurozone von einer erst bevorstehenden Dekade aus Stagnation, Deflation und neuen Schuldenrekorden warnen, hat sie in den Augen von Deka-Bank-Chefvolkswirt Ulrich Kater bereits spätestens mit der Eurokrise begonnen .

Auf den ersten Blick scheint die Weltkarte der Staatsverschuldung im Jahr 2015 diese Befunde nur teilweise zu bestätigen: Zwar sind insbesondere der Süden und der Westen der Eurozone tiefrot eingefärbt - nicht nur in den klassischen Krisenstaaten, auch in Frankreich liegen die Staatsschulden auf Höhe der jährlichen Wirtschaftsleistung oder weit darüber. Allerdings trifft das ebenso für fast alle anderen großen Industriestaaten der Welt zu, etwa die USA, Kanada oder Großbritannien. Von Japan ganz zu schweigen, das inzwischen schwindelerregende 245 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts an Krediten aufgetürmt hat.


Auch die Entwicklung der Staatsschulden seit Beginn der globalen Finanzkrise* im Jahr 2008 zeigt noch keine Sonderrolle der Eurozone. Im Vergleich zum letzten Vorkrisenjahr 2007 (klicken Sie zur Anzeige auf den Auswahlknopf in der Karte) mag sich die Schuldenquote etwa in Spanien von 36 auf 101 Prozent nahezu verdreifacht und in vielen Staaten der Währungsunion um mehr als 30 Prozentpunkte aufgebläht haben. Doch auch in den USA (plus 41 Prozentpunkte) oder Großbritannien (plus 49 Prozentpunkte) ist sie drastisch gestiegen. In beiden Staaten hat die Finanzbranche überragende Bedeutung, auch deshalb reagierten die Regierungen in den Jahren 2009 und 2010 mit riesigen Geldspritzen für Banken und Konjunktur.

Ein deutlich anderes Bild ergibt sich aber bei der Entwicklung der Schuldenquoten seit Beginn der Eurokrise im Jahr 2010 (klicken Sie zur Anzeige auf den Auswahlknopf in der Karte), die eben weitgehend auf die Währungsunion begrenzt blieb. Von den damaligen Mitgliedern konnte nur Deutschland seine Schuldenquote senken - auf der Weltkarte der Staatsverschuldung ist das aber nicht mehr als ein grüner Klecks, eingerahmt von einer tiefroten Eurozone.

Während die USA ihre Schuldenquote nur noch um vergleichsweise moderate zehn Prozentpunkte steigerten, schnellte sie in Portugal, Spanien, Slowenien, Irland, Zypern und Griechenland um teils weit mehr als 20 Prozentpunkte nach oben. Und auch die beiden Schwergewichte Italien und Frankreich liegen nur knapp unter dieser Marke: Für die Eurozone waren es verlorene Jahre.

"Zu lange gewartet, Wachstum zu erzeugen"

Henrik Enderlein, Ökonom und Chef des Jacques Delors Instituts, vergleicht die Eurokrise mit einem zweiten Kinnhaken, der den Währungsraum nur kurz nach einem ersten traf, der weltweiten Finanzmarktkrise. Von diesem haben sich die USA, aber auch Großbritannien und andere westliche Industriestaaten inzwischen erholt. Sie wachsen wieder dynamisch und verringern so automatisch die Schuldenquote. So können sie die verheerenden Folgen der Finanzkrise nach und nach beseitigen, auch wegen der nun wieder größeren finanziellen Spielräume.

Der größte Teil der Eurozone scheint hingegen noch auf Jahre hinaus in einem Dilemma gefangen, das die Experten von McKinsey in ihrer Weltschuldenstudie anschaulich beschreiben: Um ihre Verschuldung in den Griff zu bekommen, müssten die Krisenstaaten einerseits ihre Haushalte drastisch konsolidieren, also eisern sparen - und andererseits die Wachstumsraten ihrer Wirtschaft deutlich steigern, etwa durch Konjunkturprogramme. Beides scheint auf den ersten Blick miteinander unvereinbar.

Enderlein rät daher zu einem behutsamen und differenzierten Kurswechsel: "Wir haben zu lange gewartet, bis wir die Herausforderung erkannt haben, Wachstum zu erzeugen." Die Krise allein durch striktes Sparen und Strukturreformen lösen zu wollen, war demnach zwar ein richtiger Ansatz - allerdings nur für kurze Zeit. Heute, nach fünf Jahren, sei er politisch kaum noch durchzuhalten, zu viele Menschen würden bereits zu lange darunter leiden.

Hoffnung durch EZB und billiges Öl

Vor allem aber schade unerbittliches Sparen inzwischen auch ökonomisch, weil es das dringend benötigte Wachstum hemme und die Deflationsgefahr erhöhe. Die Staaten sollten also durchaus weiter Reformen vorantreiben und ihre Haushalte konsolidieren - aber nicht mehr so eisern wie bisher.

Drei Faktoren, über die die Politik in der Eurozone gar nicht direkt entscheiden kann, könnten Enderlein zufolge dabei helfen, dass die Eurozone "in zwei bis drei Jahren wieder auf festen Füßen steht":

  • Erstens rege die Europäische Zentralbank (EZB) durch ihre lockere Geldpolitik das Wachstum an, ohne dass dafür die Staatshaushalte belastet werden.
  • Zweitens sorge die EZB so für einen schwachen Euro und stimuliere den Export.
  • Drittens wirke der niedrige Ölpreis wie ein Konjunkturprogramm.

Es liegt also nicht allein in der Hand der Regierungen in der Eurozone, aus dem Schuldensumpf zu wachsen - aber eben auch. Und viele Ökonomen sind inzwischen überzeugt: Was gestern die richtige Strategie war - eisern sparen -, ist es heute nicht mehr. Im Zweifel, so drückt es Enderlein aus, dürfe für sinnvolle Investitionen auch die Neuverschuldung in einigen Eurostaaten über der Maastricht-Grenze von drei Prozent liegen.