Die klassische Afrikaschnulze, wie man sie auch in der deutschen Primetime sehen kann, handelt von einer Hauptfigur westlicher Machart, die aus Versehen nach Afrika reist, dort wohltätig in einem Krankenhaus wirkt und sich nebenbei in eine europäische Ärztin verliebt. Going Bongo hat insofern einiges von einer idealtypischen Afrikaschnulze. Entscheidend ist aber, was es alles nicht gibt in diesem Film: Es gibt keine Moskitonetze, keine einsam tropfenden Kerzen, keine Sonnenuntergangsromantik, keine Hungerbäuche. Es gibt ein paar Szenen mit Giraffen. Aber insgesamt: keine stereotypen Darstellungen Afrikas. Going Bongo ist eine tansanisch-kenianisch-US-amerikanische Produktion mit US-amerikanischem Regisseur (Dean Matthew Ronalds; Hauptdarsteller, Produzent und Autor in einem ist der in Tansania geborene Ernest Napoleon). Was es allerdings stattdessen gibt: stereotype Darstellungen Amerikas.

Der Film ist eine Afrikaschnulze unter vertauschten Vorzeichen. Er ist allerdings keine Parodie wie die lustigen Dokumentarfilme, in denen afrikanische Ethnologen nach Tirol oder Bayern kommen, um die uralten Rituale der traditionellen Bergbewohner zu erforschen, sondern ein Spielfilm ohne komödiantische Absichten. Gemacht ganz offensichtlich zunächst einmal für ostafrikanische Zuschauer. Trotzdem – und das ist außergewöhnlich – ist er über iTunes einem internationalen Publikum zugänglich.

Die Hauptfigur ist Lewis, ein junger Arzt aus Los Angeles, der von seiner Freundin zur Verlobung gedrängt und von deren Vater mit Prügel bedroht wird, weil er ihn nicht um ihre Hand bat. Es ist vermutlich nicht beliebig ausgewählt, dass die Verlobte aus Armenien stammt und damit, wie es im englischen Sprachgebrauch quasi synonym für weiß heißt, "Caucasian" ist. Sie ist also nicht nur ein Mzungu, was unübersetzbar ist, aber letztlich so etwas wie weiße Person bedeutet, sondern der Mzungu: Sie trägt einen guten Teil der Zuschreibungen, mit denen ein Mzungu im tansanischen Alltagsgespräch besetzt ist.

Lewis' Freundin will nicht nur die Verlobung. Sie will auch, dass er Karriere macht. Er wird von ihr zu Empfängen geschleppt, auf denen reiche Angeber Unsummen bei Auktionen ausgeben, um noch mehr angeben zu können. Die Ärzte auf diesen Empfängen sprechen über Schönheitsoperationen statt über existenzielle Fragen. Und Lewis, ein Mann mit afrikanischem Migrationshintergrund, wird wegen eines falschen Jacketts und vermutlich auch wegen seiner Hautfarbe für den Kellner gehalten. So geht es zu in Los Angeles, laut Going Bongo. Zum stereotypen Bild der westlichen Welt gehören hier Geld, Geld, Geld, Vitamin B, Karrieregeilheit und Luxusprobleme.

Selbermachen hilft nicht

Die Afrika-Romanzen, die man aus der deutschen Primetime kennt, erzählen mehr über einen deutschen Blick auf Afrika als dass sie etwas über Afrika zeigen. So ähnlich ist es auch hier: Man sieht nicht Los Angeles oder "den Westen", man sieht, wie ein distanzierter Betrachter darauf blickt. Was Going Bongo als Kulturprodukt interessant macht, auch wenn der Film kein großer Wurf ist, ist allerdings vor allem das Tansania-Bild, das er vermittelt. Going Bongo – wobei Bongo für die Metropole Daressalam steht – erzählt vor allem von Lewis' Reise nach Tansania, wo er für einen Monat in einem Krankenhaus arbeitet. Eigentlich um sich bei einem Vorgesetzten einzuschleimen. Wie jede Reisegeschichte handelt auch diese nicht nur von einer räumlichen, sondern vor allem von einer persönlichen Veränderung: Reisende Figuren wechseln nicht nur den Ort, sie verwandeln sich in jemand anderen.

Lewis entdeckt in Ostafrika, dass er ein ganz anderes Leben führen will. Er hilft also in Daressalam aus, wundert sich über Taxifahrer, die "zehn Minuten" sagen, wenn sie eine Stunde meinen; er ist entsetzt über die schlechte medizinische Ausbildung und Ausrüstung, dann rettet er ein erstes Kind. Er fordert von seinen Kollegen mehr Einsatzbereitschaft, vom Krankenhauschef mehr Ideen in der Personalbehandlung. Aber er beißt mit seinen Vorschlägen auf Granit. Etwa: Man möge die Krankenhausmitarbeiter besser bezahlen, dann würden sie auch besser arbeiten. Um zu beweisen, dass er recht hat, bezahlt Lewis sie aus eigener Tasche. Mit dem Ergebnis, dass sie eine Party feiern und tags darauf einfach gar nicht zur Arbeit erscheinen.

Was hier vermittelt wird, ist aber nicht der Eindruck von Passivität, wie in der typisch stereotypen Afrika-Darstellung. Vielmehr erzählt Going Bongo, dass man die Dinge keineswegs ändern kann, indem man einfach selbst aktiv wird, wie Lewis behauptet: Es müssten dafür dann doch noch ein paar Grundlagen gelegt und strukturelle Probleme gelöst werden. Die Figuren hier sind keine Opfer, sondern suchen aktiv Lösungen, von denen sie allerdings wissen, dass sie nur mit einer gewissen Expertise gefunden werden können, die sie selbst nicht haben. 

Dass der italienischen Ärztin, die nach Tansania gekommen ist, um unter widrigen Umständen Menschen zu helfen, die Herzen zufliegen, mag zunächst an eine dieser hirntoten deutschen Afrikaklamotten erinnern – und ist doch etwas völlig anderes. Den Unterschied macht die Perspektive: Der Film erzählt nicht mit romantischem Blick auf Afrika von einer guten weißen Helferin, die aus lauter Menschenliebe Hungerbäuche stopft. Going Bongo erzählt mit einem romantischen Blick auf mögliche Helfer aus weniger strukturschwachen Ländern von einem schwach ausgestatteten tansanischen Gesundheitssystem – das schon seit Jahren, etwa in tansanischen Rapsongs, Thema der Populärkultur ist.