28. Januar 2015 Lesezeit: ~6 Minuten

Eine Geschichte zum Thema Urheberrecht im Internet

Bei routinemäßigen Suchen nach meinen eigenen Fotos im Internet stoße ich immer wieder auf Bilder, die nicht von mir lizenziert wurden, sondern (umgangssprachlich) „geklaut“. In den meisten Fällen handelt es sich um das gleiche Motiv: ein Foto, das ich in Rostock-Lichtenhagen 1992 bei den rassistischen Ausschreitungen gegen ein Wohnheim für Ayslbewerber gemacht habe.

Dieses Foto wurde in den Medien als weltweit bekannt beschrieben und es wurde wegen seiner besonderen Symbolkraft immer wieder für Veröffentlichungen eingekauft. Mich kontaktieren seit 20 Jahren viele fremde Menschen und bitten darum, das Bild für ihre Initiative, für eine Demo gegen Rechts und ähnliche Veranstaltungen und Zwecke benutzen zu dürfen. Ich lasse mir diese Anliegen in der Regel schriftlich geben und gebe das Bild dann für die skizzierte Nutzung frei; häufig kostenlos, manchmal gegen geringe Schutzgebühren.

Nicht einverstanden bin ich als der Fotograf allerdings damit, wenn mein Bild ungefragt irgendwo auftaucht und verbreitet wird. Dann entgeht mir das Honorar und (was mir bei diesem Motiv besonders wichtig ist) die Kontrolle über den inhaltlichen Zusammenhang. Denn – und diese Haltung will ich mir leisten – ich verkaufe meine Bilder nicht an jeden.

Nun zur Gegenwart: Vor einigen Wochen entdeckte ich über die Suchmaschine wieder einmal einige nicht lizenzierte Internet-Veröffentlichungen von diesem Bild. Früher habe ich dann oft persönlich nachgefragt, ich habe E-Mails geschrieben und/oder angerufen und nach dem Hintergrund gefragt, warum mein Bild einfach ohne Rücksprache verwendet wurde. Das war auf die Dauer aber so nicht mehr machbar, weder zeitlich noch nervlich. Die „Entschuldigungen“ bzw. Erklärungen für den Bilderklau könnten ein ganzes Buch füllen, ich habe sehr viel Zeit investiert und meine Einnahmen als Fotograf blieben aus. Deshalb gebe ich diese Urheberrechts-Verletzungen inzwischen an einen Rechtsbeistand weiter. So, wie man das gelegentlich auch bei anderen rechtlichen Streitigkeiten tut.

Soweit, so gut. Bis dann am 21. Januar 2015 der große Shitstorm über mich herein brach: Ein prominenter Fernsehmoderator namens Jan Böhmermann löste eine massive Wutwelle gegen mich aus. Er hatte mein Foto über den Kanal Twitter verbreitet und dafür von meinem Rechtsanwalt eine Abmahnung bekommen, da die Nutzung weder abgesprochen noch lizenziert war. Abmahnungen sieht der Gesetzgeber als niederschwellige Lösungsmöglichkeit vor, um gerichtliche Klagen auszusparen. Zu dieser Abmahnung gehört eine Unterlassungserklärung, das Bild muss also von der Person wieder gelöscht werden. Außerdem wird das Nutzungshonorar verlangt sowie die Übernahme der Kosten für meinen Rechtsbeistand.

Was dieses Nutzungshonorar beim Ertappten auslöste, das kann ich nicht beurteilen. Aber die Person hat sich offenbar so darüber geärgert, beim Bilderklau ertappt worden zu sein, dass sie mich nun öffentlich dafür anprangert und zwar auf verschiedenen Social-Media-Kanälen. Dabei habe ich mich nur an geltende Gesetze gehalten und wollte nicht, dass meine Bilder einfach überall verwendet werden. Da er den entsprechenden Betrag bezahlt hat, bekomme ich etwa 200 Euro – das ist lediglich das Honorar, das mir laut MFM-Liste zusteht und was auch bei jedem deutschen Richter so akzeptiert wird.

Eine Veröffentlichung ist eine Veröffentlichung, daran hat das Internet und auch Social Media nichts verändert. Der Fernsehmoderator hat 150.000 Follower auf Twitter und benutzt seinen Kanal für Werbezwecke für seine Auftritte, man kann dort eindeutig auch nicht mehr von einer privaten Nutzung sprechen. Und natürlich verlange ich eine Bezahlung dafür, denn ich habe 1992 in fünf sehr langen Tagen und Nächten meinen Kopf hingehalten für eine Fotostrecke, die eigentlich aus insgesamt 25 Bildern besteht. In Rostock tobte ein Mob, Steine flogen, scharfe Schüsse fielen. Ich war von Anfang an für den Spiegel dort, weil der einen anonymen Hinweis bekommen und ich vorher schon vieles zum Thema Rechtsextremismus fotografiert hatte.

Nun steht mein Name dort in der Öffentlichkeit am Pranger; ich habe nichts falsch gemacht, bin aber der Arsch. Auf Twitter, auf Facebook, im halben Internet bin ich die „Kapitalistendrecksau“. Meine Adresse wurde veröffentlicht mit Aufrufen zur Gewalt („Hier, wer ihn mal besuchen will, hier ist seine Adresse …“), ich bekomme nächtliche Anrufe („Wollen Sie sich von PEGIDA distanzieren?“) und E-Mails von wildfremden Personen („natürlich ist das, was Sie machen, totaler Unsinn und meiner Meinung nach geldgieriger Mist“). Selbst meine 14-jährige Tochter wird von Mitschülern in der Schule inzwischen blöde angelabert. Radiosendungen und andere Medien tragen Falschmeldungen immer weiter, immer in Verbindung mit meinem Namen. Noch einmal: Ich lasse keine Re-Tweets, Shares und keine Verlinkungen abmahnen.

Der Sidekick des Fernsehmoderators, der Sänger Olli Schulz, sagte in einer gemeinsamen Radiosendung auf RBB sinngemäß: Der Fotograf hat sicher nur dieses eine gute Foto gemacht und schlachtet das jetzt aus.

Ich empfinde den ganzen Vorgang inzwischen als schäbig, kränkend und respektlos gegenüber mir als Fotograf und als Mensch, der sich jetzt in einer solchen Situation wiederfindet, ohne etwas verbrochen zu haben. Man muss kein Medienexperte sein, um das selbst nachvollziehen zu können.

Zuletzt bleiben für mich nur noch offene Fragen: Woher kommt dieser Hass gegen mich? Wieso sagt oder tut das ZDF nichts gegen seinen Mitarbeiter? Wer hat hier eigentlich einen Grund, sich aufzuregen? Die Internetnutzer, der Fernsehmoderator Herr Böhmermann, der ungefragt mein Bild verwendet und mich anschließend an den Pranger stellt oder ich, dessen Rechte im Laufe der Zeit nicht nur dieses eine Mal verletzt wurden?