Politik

Kampf gegen IS und Kurden Türkei startet Bodenoffensive in Syrien

Mit dem türkischen Einmarsch in Syrien erreicht der dortige Bürgerkrieg eine neue Dimension. Die Offensive richtet sich gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Tatsächlich dürfte die Regierung in Ankara vor allem die Kurden aufhalten wollen.

Türkische Bodentruppen haben erstmals eine Offensive im syrischen Bürgerkrieg begonnen und in Nordsyrien die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angegriffen. Panzer der türkischen Armee überquerten die Grenze und rückten auf die IS-Bastion Dscharablus vor. Ankaras Militär unterstützt einen Angriff von Einheiten der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA). Diese rückten ebenfalls von der Türkei über die Grenze in Richtung auf Dscharablus vor.

Staatschef Recep Tayyip Erdogan erklärte, der Einsatz sei "gegen Bedrohungen gerichtet", die für die Türkei von Terrororganisationen wie dem IS oder der syrischen Kurdenmiliz YPG ausgingen. "Hinter diese Angriffe muss jetzt ein Schlusspunkt gesetzt werden", sagte Erdogan in Ankara. "Das müssen wir lösen." Türkische Artillerie und Kampfflugzeuge hatten Dscharablus zunächst aus der Luft bombardiert.

"Schutzschild Euphrat" mit US-Unterstützung

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu drohte zugleich auch den Kurden im Norden Syriens. Der syrischen Kurdenpartei PYD und ihren Milizen warf er vor, den Kampf gegen den IS nur als Vorwand zu benutzen, um ein eigenes Herrschaftsgebiet in Syrien aufzubauen. "Wir werden diese geheime Agenda durchkreuzen", sagte Cavusoglu.

Bei der Offensive "Schutzschild Euphrat" dürfte es der Türkei neben der Bekämpfung des IS vor allem darum gehen, einen weiteren Vormarsch syrischer Kurden zu verhindern. Die kurdischen Volksschutzeinheiten YPG - die Kampftruppe der PYD - haben vom IS in Syrien bereits mehrere Gebiete erobert und beherrschen den größten Teil der rund 900 Kilometer langen Grenze zur Türkei. Hilfe erhalten sie von Luftangriffen der US-geführten internationalen Koalition.

Die US-Luftwaffe unterstützt auch die türkische Offensive in Syrien. Das sagte ein ranghoher US-Regierungsvertreter an Bord des Flugzeugs von Vizepräsident Joe Biden, der zu einem Besuch in Ankara eintraf. Gespräche über abgestimmte Militäreinsätze im syrischen Grenzgebiet zur Türkei gebe es seit über einem Jahr. Den Angaben zufolge wollen die USA vermeiden, dass es in Nordsyrien zu direkten Auseinandersetzungen zwischen - ebenfalls von ihnen unterstützten - kurdischen Einheiten und den türkischen Streitkräften kommt. Den syrischen Kurden sei mitgeteilt worden, dass sie nicht weiter auf Dscharablus vorrücken sollten.

Die PYD ist eng mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden. Die Türkei sieht beide Kräfte als Terrororganisationen an. Sie will unter allen Umständen vermeiden, dass an ihrer Südgrenze ein zusammenhängendes Herrschaftsgebiet der Kurden entsteht. Dscharablus ist eine der letzten größeren Bastionen des IS an der Grenze zur Türkei. Der Ort liegt rund 35 Kilometer nördlich der Stadt Manbidsch, die erst kürzlich von einem Bündnis unter Führung der YPG zurückerobert worden war. Sollte der IS Dscharablus verlieren, wäre das ein schwerer Rückschlag für die Extremisten, weil Nachschubwege darüber laufen.

Damaskus spricht von "Aggression"

Die türkische Offensive stieß bei den syrischen Kurden auf Kritik. "Die Türkei ist im syrischen Sumpf", schrieb der Co-Vorsitzende der syrischen Kurdenpartei PYD, Salih Muslim, auf Twitter. "Wird besiegt werden wie Daesh." Daesh ist die arabische Abkürzung für den IS. In Erwiderung auf Muslim erklärte der türkische Außenminister Cavusoglu: "Unsere Absicht ist es, den Sumpf trockenzulegen." Auch die syrische Regierung verurteilte die türkische Militärintervention. Der Einsatz sei eine "unverhohlene Verletzung der syrischen Souveränität", erklärte das Außenministerium in Damaskus. "Syrien verlangt ein Ende dieser Aggression." Wer den "Terrorismus" in Syrien bekämpfen wolle, müsse dies in Absprache mit der syrischen Regierung und Armee tun.

Nach Angaben von Rebellen brachten die syrischen Milizen westlich von Dscharablus zwei Dörfer unter ihre Kontrolle. Es gebe heftige Kämpfe mit Anhängern des IS. Auf Rebellenseite sind mehrere Gruppen an der Offensive beteiligt, die zu der als moderat geltenden FSA zählen. Darunter sind auch islamistische Milizen.

Nach Angaben des FSA-Beraters Usama Abu Seid hat der eigentlich Sturm auf Dscharablus jedoch noch nicht begonnen. Türkische Spezialkräfte waren laut einem Medienbericht bereits im vergangenen Mai auf syrischem Boden aktiv gewesen. Damals meldete die US-Zeitung "Wall Street Journal" unter Berufung auf US-Offizielle, der Einsatz einer kleinen Gruppe von Soldaten habe dazu gedient, IS-Raketenangriffe auf die Türkei zu stoppen.

Quelle: ntv.de, wne/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen