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Reise (Print WAMS)

‚‚Die beste Lösung für dieses Hotel ist der Abriss“

Reiseredakteurin
Weltenbummler und Autor Tomas Überall hat ein Faible für bizarre Hotelbewertungen. Ein Gespräch über seine Fundstücke

Der Wahrheitsgehalt von Hotelbewertungen wird oft angezweifelt, vor allem, wenn es Lobhudeleien sind. Solche Notizen interessieren den Weltenbummler Tomas Überall denn auch gar nicht. Er ist nur auf kritische Bewertungen aus. Die besten Fundstücke hat er nun in einem Buch mit dem Titel „Dieses Loch ist weit entfernt von Spaß“ veröffentlicht. Dass ein Autor, der in den Bewertungsportalen weltweit nach bizarren Einträgen von Hotelgästen fahndet, mit Nachnamen ausgerechnet Überall heißt, ist kein Zufall, sondern gewollt. Tomas Überall ist ein Pseudonym. Und so wie der Piper Verlag, der das kuriose Hotelkompendium jüngst auf den Markt brachte, wahren freilich auch wir das Geheimnis um die Person von Tomas Überall. Was uns aber nicht daran hinderte, dem Autor einige Fragen zu seinem Buch zu stellen.

Welt am Sonntag:

Viele Bewertungen klingen drastischer als das, was man auf einschlägigen Reiseportalen lesen kann. Woher stammen die Zitate in Ihrem Buch?

Tomas Überall:

Meist werde ich auf kleinen, redaktionell nicht zensierten Seiten fündig. Portale, über die auch Hotelzimmer gebucht werden können, sind wesentlich uninteressanter, dort werden selbst harmlose Kritiken wegredigiert. Der Anbieter des Portals will dem Seitennutzer ja etwas verkaufen, und dann wäre es nicht von Vorteil, wenn da stünde: „Bei jedem Schritt wir waren geklebt an die Oberfläche des synthetischen Bodens, er krallte sich buchstäblich um unsere Füße. Wir legten mit Handtüchern einen Weg vom Schlafzimmer ins Bad, um die Strecke schneller zu schaffen.“ Oder auch: „Die beste Lösung für dieses Hotel ist der Abriss.“ Originalzitat.

Sie haben Bewertungen, die mit Computerprogrammen aus anderen Sprachen ins Deutsche übersetzt wurden, nicht von grammatikalischen Fehlern befreit. War Ihnen der Redigieraufwand zu groß?

Die Fundstücke sind fast alle etwas redigiert, damit sofort verständlich wird, worum es geht. Und grammatikalische Fehler wirken in Kombination mit den sprachschöpferischen Leistungen des Übersetzungscomputers, der aus einem Ventilator schon mal einen Luftsprudler macht, wie verbale Ausrufezeichen und erhöhen die Aufmerksamkeit. Beispiel: „Wenn Sie in das Hotel eintreten, riecht es faulig nach der Achselhöhle.“

Und warum nennen Sie nicht die Namen der gebrandmarkten Hotels?

Es geht mir nicht darum zu sagen, dieses oder jenes Hotel hat schlechte Bewertungen. Das besorgen ja bereits andere. Ich wollte dokumentieren, was Menschen auf Reisen alles schon erlebt haben und warum sie etwas gut oder schlecht finden. Denn die Bewertungen sagen immer auch etwas über den Hotelgast selbst aus: „Mein Pendel zeigte sofort, dass diverse Wasseradern unter dem Hotel laufen und es gibt eine sehr hohe terrestrische Strahlung: Nicht zu empfehlen!“

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Trifft die Annahme, dass sich die Briten auf den Bewertungsportalen als besonders schreibfreudig und witzig hervortun?

Ach, die Briten, deren Humor geht oft über Hitler-Witze nicht hinaus. Andere Europäer sind da viel subtiler. Wie der Schweizer, der nur verhalten meinte: „Ich hatte nicht viel erwartet – ich wurde nicht enttäuscht.“ Schön ist auch die lakonische Replik eines Holländers: „Die Probleme begannen, als Wanzen anfingen, an mir zu schlemmen in der Nacht.“

Sind unter den abgekanzelten Häusern auch Luxushotels?

Luxushotels bekommen kaum schlechte Kritiken. Wer sie sich leisten kann, hat in aller Regel Besseres zu tun, als das Internet mit Mitteilungen wie „Das Kirschkernkissen war zu hart“ vollzutexten. Vielleicht wünscht man sich in diesen Kreisen auch, dass ein anderer Reisender für dasselbe inadäquate Hotelzimmer genauso viel blechen muss wie man selbst.

Ihr Buch vereint fast 1000 Hotelbewertungen. Können Sie drei besonders krude Beispiele zitieren?

Meine Schatzkiste an Sprüchen ist so voll, dass eine Auswahl schwerfällt.

Gut, dann konkreter: Abgenutzte Möbel, unsaubere Bäder, schlechte Betten sind die Punkte, über die sich Hotelgäste am häufigsten aufregen. Haben Sie dazu ein paar Fundstücke?

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Aber sicher doch. Ich zitiere mal folgende drei Bewertungen: „Die Vorhänge an die Fenster waren ein Duschvorhang. Ein Fußabstreifer war an der Wand auf halber Höhe als Dekoration getackert.“ – „Kein Bett im Zimmer, nur eine Hängematte. Erläuterung: Dies ist besser für Ratten und andere Tiere!“ – „Die Kissenbezüge auf den Betten waren knusprig mit Speichel!“ Und vielleicht noch eine typisch britische Bewertung: „Die Klimaanlage war lauter als Weltkrieg II.“

Kommen wir zum Badezimmer.

Unschöne Badezimmererlebnisse finden sich zuhauf auf den Portalen. Ich werde immer dann aufmerksam, wenn sich Hotelgäste nicht unterkriegen lassen und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen: „Waschbecken und WC waren direkt unter der Dusche eingebaut. So war es möglich, gleichzeitig zu duschen, Nr. 2 zu machen und sich die Zähne zu reinigen. Was für eine Zeitersparnis.“ – „Okay, ich gebe zu, dass ich stahl das Handtuch. Warum? Es ist so rau, ich werde es verwenden, um meine Türrahmen zu schleifen.“

Und welche Vorteile kann man aus schlechten Betten ziehen?

Keine, jedenfalls fand ich dazu keine Einträge. Einige Bewertungen lassen vielmehr die Qualen der Reisenden erahnen: „Mein Bett hatte 65 Federn in der Matratze. Wie kann ich wissen? Mein Rücken hat jede einzelne von ihnen gezählt.“ – „Die scharfen Federn in der Matratze schnitten buchstäblich meinen Körper in dünne Scheiben von Humanschinken.“ Und dieser Eintrag schildert sogar einen Beinahe-Unfall: „Als ich schließlich plumpste in mein Bett, dieses schoss ruckartig quer durch den Raum, die Rollen waren gut geölt. Meine Frau war in der Lage, diese King-Size-Ladung außer Kontrolle zu stoppen, bevor sie ging durch die Wand.“

Das klingt übel. Was ist dann erst vom Hotel-Service zu erwarten?

Wenig! Häufig bemängeln Gäste neben schlechtem komplett fehlenden Service: „Das Personal war unkooperativ, und als wir uns beschwerten, ihre Reaktion war: ‚Yeah, gut, und was soll‘s?’“ Schlimm ist es auch, wenn Hotelgäste nicht ernst genommen werden: „Ich beschwere an Rezeption, TV kaputt, als der Chef zu mir kommt und sagt: ‚Du hast eine Frau und nichts anderes zu tun, Schwächling?‘“ Nicht zu vergessen jene Häuser, deren Service auf Gewinnmaximierung abzielt: „Der Animateur schwärmt von der Dschungeltour inklusive Elefantenreiten. Was er vergaß: Nicht gut erzogener Elefant schlägt manchmal mit dem Rüssel. Jetzt habe ich keine Kamera mehr und nicht mal ein Foto davon.“

Bei so vielen schlimmen Bewertungen – kann Sie da noch etwas erschüttern?

Na ja, bei einigen der geschilderten Reiseerlebnisse blieb selbst mir die Spucke weg, etwa als ich las: „Ein Händler in der Stadt sagte mir, das Hotel beschäftige Schwerverbrecher in einem Arbeitsrehabilitationsprogramm, jetzt kapiere ich!“ – „Die Frau flüsterte mir zu, als sie das Hotel verließ: ‚Übernachten Sie hier nicht, gehen Sie.‘ Ich dachte, sie sei verrückt. Leider habe ich später festgestellt, dass sie war völlig gesund.“ – „Ich sperrte mich aus, und das Hotel lag leider wirklich ‚idyllisch und ruhig‘, also ich rief viele Stunden, bis jemand kam, mir zu helfen. Er war nicht sehr freundlich und fragte, ob ich mit Schreierei nicht ein Praktikum als Hahn machen wollte.“

Das lassen sich die Gäste einfach so gefallen?

Nicht immer. So fand ich eine Notiz zu einem Hotel, die ganz klar eine Drohung beinhaltet: „Ich bin überzeugt, es wird nicht mehr lange existieren, weil ich die CIA, FBI und NSA angekündigt habe, dass dort leben Araber, die basteln in ihren Zimmern Flugzeuge.“

Und was hatten Hotelgäste über Zimmernachbarn zu meckern?

In der Tat können Zimmernachbarn eine Plage sein, zumal, wenn es sich nicht um Menschen handelt: „Ich dachte, das Paar im Zimmer nebenan sieht aus wie ein Paar Schweine. Und tatsächlich waren es Schweine ... Schweine in ein Hotelzimmer!“ Bemerkenswert finde ich es, wenn Reisende versuchen, ihre Kritiken trotz größter Lärmbelästigung im Hotel freundlich zu formulieren: „Dass es gibt viele geistig weniger gut ausgestattete Menschen in der Welt, das ist bekannt. Aber warum sie ALLE in das Zimmer neben mir leben und feiern ihre Einschulung in einer Sonderschule oder was auch immer?“

Bleibt noch das Thema Hotelessen ...

... aber gern, wobei ich mich auf das Frühstück beschränke, eine der größten kulinarische Baustellen vieler Hotels. So schrieb ein Gast: „Die Schimmel-Toastbrote konnten erst nach drei Durchgängen im Toaster essbar werden.“ An der Grenze des Erträglichen war offenbar auch der Autor dieser resignierenden Zeilen: „Das Frühstück war nicht so toll, aber man lernt, Dinge zu mischen und zu überleben.“

Da wird einem ja nur vom Zuhören ganz anders.

Dann sollten Sie mal hören, was Gäste berichten, wenn Erotik ins Spiel kommt! Mit Rücksicht auf Ihre Leser zwei eher moderate Beispiele: „Putzfrau hat keine Moral: Sie meinen Mann belästigt, ihr seine Männlichkeit für einen kurzen Aufenthalt zu geben.“ – „In der Hotelbar sollten Sie schützen Ihren Gatten, weil das Personal ist begierig auf die Wurst von Ihrem Ehemann.“

Der neue Band „Dieses Loch ist weit entfernt von Spaß“ erschien im Piper Verlag. Es hat 235 Seiten und kostet 9,99 Euro.

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