«Weil ich ein Mann bin, habe ich keine Lehrstelle»

Aktualisiert

Rund 80 Absagen«Weil ich ein Mann bin, habe ich keine Lehrstelle»

Pascal Rey (18) aus Basel sucht eine Ausbildung im Gesundheitswesen. Doch trotz Engagement, Berufserfahrung und guter Arbeitszeugnisse erhielt er bisher nur Absagen.

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Der 18-jährige Pascal Rey ärgert sich über 80 Absagen. Der Basler ist sich sicher: «Frauen werden in der Gesundheitsbranche bevorzugt.»

Der 18-jährige Pascal Rey ärgert sich über 80 Absagen. Der Basler ist sich sicher: «Frauen werden in der Gesundheitsbranche bevorzugt.»

Goldene Zeiten für Lehrstellensuchende schienen angebrochen – so viele Ausbildungsplätze wie noch nie sind unbesetzt. Das berichtete 20 Minuten vor einer Woche. Doch dies nützt offenbar nicht allen: Der junge Basler Pascal Rey (18) versucht seit über einem Jahr vergebens, im Gesundheitswesen eine Lehrstelle zu finden.

«Ich fühle mich wohl im Umgang mit Patienten, meine kommunikative Art kommt mir da zugute. Es ist einfach genau das, was ich liebe und für immer machen will.» Wenn der Schulabgänger Pascal Rey von seinem Traumberuf spricht, gerät er ins Schwärmen. Doch die letzten Wochen waren alles andere als leicht für den engagierten Basler, der bereits mehrere Praktika, darunter auf stationären und ambulanten Krankenstationen, in der Ambulanz sowie im Krankentransport, absolviert hat und stets sehr gute Arbeitszeugnisse erhielt. Zudem ist er in seiner Freizeit praktisch jedes Wochenende im Sanitätsdienst tätig.

«Rund 80 Bewerbungsschreiben habe ich individuell verfasst, grösstenteils für ausgeschriebene Stellen. Es waren auch einige Blindbewerbungen darunter und alle wurden jeweils pünktlich verschickt. Ich habe die Kantone Basel-Stadt, Basel-Land und Solothurn nach Stellen abgegrast», erzählt der 18-Jährige. Zweimal sei er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden – sonst habe es lediglich Absagen gehagelt.

Gesundheitsbranche ist zu beliebt

«Unter den zahlreichen Bewerbungen, die bei uns eingegangen sind, haben wir uns für eine Kollegin (eine Frau) entschieden», heisst es in einem der vielen Absage-Schreiben, die sich bei ihm angesammelt haben. In acht von zehn Fällen sei er mit dieser Begründung vertröstet worden. «Ich habe keine Stelle bekommen, weil ein Grossteil der Lehrbetriebe ganz gezielt nach Frauen sucht. Da hatte ich von vornherein keine Chance», sagt er resigniert. Zudem sei ihm aufgefallen, dass auf Lehrstellen-Portalen oft noch Stellen ausgeschrieben seien, die schon lange vergeben wurden. «Es wird nicht regelmässig upgedatet.»

Die Erfolglosigkeit bei der Stellensuche könne man nicht lediglich dem Geschlecht zuschreiben, entgegnet Romy Geisser, Geschäftsleiterin des Ausbildungsverbundes OdA Gesundheit beider Basel. Das Gesundheitswesen sei eine Branche, die sich in einer guten Lage befindet, da sie bei jungen Menschen sehr beliebt und gefragt sei. «Auf eine freie Lehrstelle bewerben sich nun mal viele Interessenten. Ich denke nicht, dass es am Ende eine Gender-Frage ist, wer den Ausbildungsplatz bekommt», sagt sie.

Früh bewerben und Mentoring-Programm

Kontinuierlich werden im Bereich Gesundheit mehr Lehrstellen geschaffen: 350 seien allein 2015 zu vergeben gewesen, «so viel wie noch nie». Sie habe die Beobachtung gemacht, dass die Männerquote von Jahr zu Jahr steigen würde. «Selbstverständlich gibt es Bereiche, wo es möglich ist, dass explizit eine Frau gesucht wird. Dabei handelt es sich jedoch um Ausnahmen», weiss Geisser, die dem jungen Mann ans Herz legt, sich bereits diesen Herbst für das nächste Jahr zu bewerben.

Michael Ferreira vom Verein Lehrstellenbörse hat Rey bereits gezielt mit Tipps unterstützt. «Ein gutes Mentoring-Programm kann ihm auf seinem Berufsweg bestimmt weiterhelfen und neue Türen öffnen», weiss er. Vorerst musste Rey seinen Wunsch jedoch begraben. «Zurzeit arbeite ich in einem Security-Start-up. Aber ausgeträumt habe ich nicht und werde meinen Weg weiterhin verfolgen», sagt er bestimmt.

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