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Literatur WELT-Exklusiv

Das erste Bild aus dem neuen „Asterix“-Band

Feuilletonredakteur
So lustig wird es mit „Asterix in Italien“

Werfen Sie einen ersten Blick in den neuen Asterix-Band. Obelix spielt diesmal eine ganz besondere Rolle. Zusammen mit Asterix war er zwar schon in Rom, aber ganz Italien haben die beiden noch nicht gesehen.

Quelle: N24/ Alexander Jenniches

Autoplay
Wir präsentieren exklusiv eine erste Szene aus dem neuen Abenteuer „Asterix in Italien“, der im Oktober erscheint. Was kann man daraus über Gegenwart und Zukunft der Serie ablesen? Eine Bildanalyse.
So wird der neue „Asterix“ aussehen: Dieses Bild ist eine Premiere und stammt aus dem noch geheimen Band „Asterix in Italien“
So wird der neue „Asterix“ aussehen: Dieses Bild ist eine Premiere und stammt aus dem noch geheimen Band „Asterix in Italien“
Quelle: © 2017 Les Éditions Albert René

Da lachen ja die Hühner. Das vielleicht wichtigste Detail im ersten Panel des neuen „Asterix“-Bandes, das DIE WELT exklusiv außerhalb Frankreichs zeigt, ist der Wagen, mit dem Asterix und Obelix zu ihrer Reise nach Italien aufbrechen: Er hat die Form eines Hahns.

Der Hahn, das weiß heute jedes Kind, ist das Symbol Frankreichs. Die Fußballnationalmannschaft trägt ihn auf dem Trikot seit dem Spiel gegen Belgien, das 1909 mit 2:5 verloren ging. Weil gallus auf lateinisch sowohl „Hahn“ als auch „Gallier“ heißt, wurde der Vogel zum Wappentier Frankreichs.

Als Franzosen Franken waren

Doch das ist er noch gar nicht so lange. Erst einmal mussten die Franzosen anfangen, sich für die Nachfahren der Gallier zu halten. Lange Zeit fühlten sie sich wohler damit, ihre Herkunft von den Franken herzuleiten.

Das Land heißt ja nicht umsonst Frankreich. Es ist hervorgegangen aus dem westlichen Teil des Frankenreichs, das Karl der Große und seine Vorgänger begründet hatten. Auch in Deutschland sah man die Franzosen als Franken. Theodor Körner reimte 1813 in seinem antibonapartistischen Widerstandslied „Lützows wilde verwegene Jagd“: „Es legt sich in nächtlichen Hinterhalt,/ Das Hurrah jauchzet. Die Büchse knallt./ Es stürzen die fränkischen Schergen.“

Mit der Französischen Revolution von 1789 beginnt sich allmählich, ein neuer Abstammungsmythos zu etablieren. Von den germanischen Franken, die das Land seit dem vierten Jahrhundert nach Christus erobert hatten, sollten jetzt plötzlich nur noch die Adeligen abstammen, die sich zu Herren der gallischen Urbevölkerung aufgeschwungen hatten. Propagandisten dieses Mythos waren die Historiker Ernest Lavisse, Camille Jullian und Augustin Thierry.

Auf den Bilderbögen, die seit 1796 in der französischen Stadt Épinal gedruckt wurden, wurde der Idealtypus des großen blonden oder rothaarigen Galliers idealisiert und popularisiert. Der „Asterix“-Zeichner Albert Uderzo hat einmal berichtet, dass er sich von diesen alten Bildern, die ohnehin als Vorläufer der Comics gelten, inspirieren lassen wollte, nachdem der Autor René Goscinny 1959 die Idee zur Figur Asterix geboren hatte. Dieser hätte dann allerdings darauf bestanden, dass der gallische Krieger ein Zwerg sein müsse.

Napoleon III. ist Caesar

In der Dritten Republik kam Gallien dann auf die offiziellen Lehrpläne. 1882 wurde die allgemeine Schulpflicht eingeführt. Jeder Franzose kennt aus seiner eigenen Schulzeit Szenen wie die, in der der Barde Troubadix als Lehrer die Kinder des Asterix-Dorfes fragt: „Nun, junger Mann, wer waren unsere Vorfahren?“

Der Unabhängigkeitswillen der alten Kelten, den Julius Caesar in seinem Buch über den Gallischen Krieg hervorgehoben hatte, wurde als Wurzel des demokratischen Bewusstseins in Frankreich verklärt, der Eroberer Cäsar mit Kaiser Napoleon III. identifiziert, dessen aus monarchistischen und plebiszitären Elementen gemischte Herrschaftsform man „Cäsarismus“ nennt. Die Bücher von Lavisse und von François-Alphonse Aulard, der ebenfalls die Gallier als Ahnen der Republikaner beschrieb, waren bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts Grundlage des französischen Geschichtsunterrichts.

Auf dieses Weltbild, aber auch ganz allgemein auf den Schulunterricht, der ja in Frankreich landesweit genormt ist, spielen von Anfang an zahlreiche Witze in den „Asterix“-Comics an. Die lateinischen Zitate, mit denen nicht nur der alte Pirat protzt, stammen aus den rosa Seiten des „Petit Robert“, des französischen Duden. Und die teilweise etwas absurden Sätze in „Asterix bei den Briten“ („Mein Schneider ist reich“, „Mein Pilum ist härter als euer Sternum“) spielen auf Beispielsätze in einem Englisch-Lehrbuch der Sechzigerjahre an.

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Dem Texter Jean-Yves Ferri und dem neuen Zeichner Didier Conrad, die die Serie seit 2013 gestalten, ist – nach ihrem von der Kritik fast einhellig gefeierten Debüt „Asterix bei den Pikten“ – vorgeworfen worden, der Band „Der Papyrus des Cäsar“ aus dem Jahre 2015 enthalte allzu viele Anspielungen auf die Gegenwart – bis hin zum Twitter-Vögelchen. Doch man muss zu ihrer Verteidigung sagen, dass „Asterix“ schon immer viele Anspielungen auf aktuelle Zustände und Personen enthielt, nur haben wir sie früher nicht erkannt und verstanden. Und manches verstehen wir heute nicht mehr.

Ein Beispiel: Wer weiß in Deutschland schon, dass der Wirt Labeldecadix, dessen Name die Operette „La Belle de Cadix“ von Francis Lopez aus dem Jahre 1945 zitiert, haargenau so aussieht wie der französische Komiker Raimu. Dieser spielte in Marcel-Pagnol-Filmen mit, und Goscinny, der ein großer Fan von Pagnol war, setzte dem Helden seiner Kindheit (Raimu starb bereits 1946) mit der Figur ein Denkmal.

Die Szene in Labelcadix’ Bar in Marseille in „Tour de France“ ist eine satirische Rekonstruktion des Pagnol-Film „Marius“ aus dem Jahre 1931. Pagnol, dessen Geschichten das alte Südfrankreich (noch ohne russische Oligarchenvillen, Massenimmigration aus dem Maghreb und die Nationale Front) feierten, fühlte sich sehr geehrt. Als er Goscinny begegnete, sagte er: „Jetzt, wo meine Figuren in einem Werk wie Ihrem zitiert werden, bin ich ganz sicher unsterblich.“

Solche Spielchen konnten sich Goscinny, der alle Gags in seinen Szenarien sehr detailliert vorgab, und Uderzo erlauben, weil sie den Comics ein wiedererkennbare Struktur und ein Personal gegeben hatten, das Lesern nach einigen Jahren vertraut war wie eine Familie.

Auf dem ersten Panel des neuen Bandes, der Asterix und Obelix auf die Apenninhalbinsel reisen lässt (zum vierten Mal nach „Asterix als Gladiator“, „Die Lorbeeren des Cäsar“ und „Asterix im Morgenland“) sind die Bewohner des gallischen Dorfes bei einer jener typischen Abschiedsszenen versammelt, für die sie die zwei Krieger immer bis zum Tor im Palisadenzaun begleiten. Alle benehmen sich typisch: Häuptling Majestix gibt den beiden gute Ratschläge und appelliert an ihre Ehre, Druide Miraculix hat ausreichend Zaubertrank gebraut, Barde Troubadix schwärmt vom italienischen Liedgut, Schmied Automatix hat den Reisewagen überholt, der alte Methusalix überschätzt sich mal wieder und muss von seiner attraktiven jungen Frau zurückgehalten werden, worüber Majestix’ Frau Gutemine lästert, und Verleihnix sagt: „Angelt euch den ersten Platz!“

Der Satz des Fischhändlers ist ein Hinweis darauf, dass Asterix und Obelix möglicherweise nach Rom aufbrechen, um an einem Wagenrennen teilzunehmen. Dazu passt Majestix’ Beschwörung: „Ich zähle darauf, dass ihr das Dorf würdig vertretet.“ Dafür spricht auch, dass der Hahnenwagen weniger wie eine Reisekutsche aussieht als vielmehr wie ein Renngefährt. Man könnte sich dann auf eine Handlung gefasst machen, die ein bisschen zwischen „Asterix bei den Olympischen Spielen“ und „Tour de France“ angesiedelt ist: Die beiden Gallier fordern die Römer sportlich heraus. Aber das ist natürlich nur Spekulation.

Obelix wird wichtiger

Was wir schon wissen, ist, dass Obelix im neuen Band aufgewertet wird. Im April hat Texter Ferri auf der Kinderbuchmesse in Bologna angekündigt: „Seit ein, zwei Alben versuche ich, Obelix immer wieder ein bisschen mehr zu pushen. Es ist einfach witzig, die Rollen ein bisschen umzudrehen. Das bringt Asterix im Gegenzug ein bisschen zu seiner entscheidenden Rolle zurück: der des Helden. Gerade dadurch, dass er hinnimmt, dass Obelix etwas mehr die tragende Rolle spielt, stellt er seine Klugheit unter Beweis.“ Die beiden bereisen diesmal nicht nur Rom, sondern ganz Italien und sind dann überrascht, noch andere Völker zu treffen. Von denen stemmen sich einige, ganz wie die Gallier, gegen Roms Machtanspruch.

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Erkennbar ist schon auf dem ersten Bild, dass der Zeichner Didier Conrad weitere Fortschritte gemacht hat. Er wurde ja ohnehin von Uderzo als Nachfolger ausgewählt, weil er sich den Stil des mittlerweile 90 Jahre alten Meisters in so perfekter Mimikry angeeignet hatte. Aber im ersten Band „Asterix bei den Pikten“ sahen manche Nebenfiguren, beispielsweise Gutemine, noch etwas ungewohnt aus. Mittlerweile gelingt Conrad ganz offensichtlich auch bei den Randcharakteren der Uderzo-Stil perfekt. Der Serie, die nach dem frühen Tode von Goscinny im Jahre 1977 (er starb mit erst 53 an einem Herzinfarkt auf einem Laufband beim Belastungstest) 35 Jahre lang qualitativ schlingerte und zuletzt vom Allein-Fortsetzer Uderzo beinahe ruiniert worden wäre, macht gerade wieder einen sehr lebendigen und frischen Eindruck.

Die Gallifizierung Frankreichs wird also sowohl intern als auch extern weiter voranschreiten. Die Ironie der Historie ist ja, dass die Comicserie das nationale Selbstbild, dass sie liebevoll parodierte, in alle Ewigkeit perpetuiert hat. Mochten die Franzosen sich schon 1960 als Nachfolger der Kelten sehen, global hat sich diese Identifikation erst dank Goscinny und Uderzo etabliert. Wenn heutzutage jeder französische Rebell, der es mit einer Großmacht aufnimmt, in der ganzen Welt sofort mit Asterix und den Helden aus dem unbeugsamen Dorf verglichen wird, ist das eine Folge der Comicserie.

Lesen Sie bis 18. August immer freitags exklusiv eine Vorab-Szene aus dem Band „Asterix in Italien“ (Egmont-Ehapa).

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