„Tatort“ mit Til Schweiger : Fremder, kommst du nach Hamburg, sieh zu, dass du am Leben bleibst
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Geht nie in Deckung: Til Schweiger als LKA-Ermittler Nick Tschiller. Bild: NDR/Gordon Timpen
Zu Neujahr und am Sonntag zeigt die ARD den „Tatort“ mit Til Schweiger, den sie wegen der Terroranschläge in Paris verschoben hatte. Nun sehen wir, wie der Film, der die Nähe zur Realität sucht, von dieser eingeholt wurde.
Das neue Jahr beginnt im Ersten, wie das alte endet – mit einem „Tatort“. Und zwar mit dem härtesten seiner Art. Der LKA-Ermittler Nick Tschiller misst sich in einem finalen Duell mit Firat Astan, dessen Clan mit denkbar brutalsten Mitteln die Hamburger Unterwelt beherrscht. Astan sitzt zwar im Gefängnis, doch das engt seinen Radius kaum ein. Er kann seinen Lieblingsfeind immer noch an dessen empfindlichster Stelle treffen. Und genau das hat er vor. Mit ihm erwächst dem Polizisten, dessen gesamter Truppe im Landeskriminalamt, ja der ganzen Stadt, aber noch eine ebenbürtige Gefahr: Die russische Mafia ist anscheinend mit Astan im Bunde und will den Hamburger Hafen übernehmen. Das Vorauskommando aus dem Osten führt die eiskalte Killerin Leyla an, die Nick Tschiller erst einmal das Leben rettet. Sie hat mit ihm noch etwas vor.
Schon die Exposition dieses Krimis ist nichts für schwache Nerven. Er beginnt mit einer Folterszene, es folgt eine Schießerei. Dann werden Tschillers Tochter Lenny und seine Exfrau Isabella entführt. Auf seinen Informanten, den „Friedensrichter“ Idris, wird ein Attentat verübt. Um seine Familie zu retten, soll Nick Tschiller den Erzfeind Astan befreien. Nur auf einen Verbündeten kann der Polizist noch zählen, seinen Kollegen und Freund Yalcin Gümer. Doch auch den hält Tschiller lieber außen vor. Einer gegen alle – das war und das ist die Devise aller Filme von und mit Til Schweiger. In dem zweiteiligen „Tatort“ mit ihm, den das Erste an Neujahr und am folgenden Sonntag zeigt, ist das nicht anders.
Dieser Zweiteiler sollte ursprünglich im November anlaufen, am Wochenende nach den Terroranschlägen von Paris, bei denen Islamisten 130 Menschen ermordeten. „Aus Respekt vor den Opfern“ verschiebe man den Film, sagte der NDR-Programmdirektor Frank Beckmann damals. Der Hauptdarsteller Til Schweiger war damit zwar nicht einverstanden, aber zu einer Kontroverse taugte das nicht. Die ARD war vielmehr gut beraten, einen Film, der derart auf Gegenwärtigkeit, Realitätsnähe und Härte getrimmt ist, zu verschieben. Aus Respekt vor den Opfern des Massenmordes in Paris, aber auch aus Respekt vor den Zuschauern. Den „Tatort“ im November nicht zu zeigen war ein Akt der Pietät.
Warum dieser geboten schien, deutet sich im ersten Teil des Films nur an. Dieser wird von dem Duell zwischen dem Polizisten Tschiller und dem Clanchef Astan beherrscht und von einer Figur, um deren Besetzung ein ziemliches Gewese veranstaltet wurde: Die Auftragskillerin Leyla nämlich wird von der Schlagersängerin Helene Fischer gespielt. Die ist unter ihrer schwarzen Perücke kaum zu erkennen, und auch ihr Auftritt verrät nicht, dass sie eine Fachfremde ist. Helene Fischer spielt, als habe sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht.
Trailer : „Tatort: Der große Schmerz“
Sie findet sich nahtlos ein in ein Ensemble, dessen Aufgabe es ist, nach dem Drehbuch von Christoph Darnstädt und unter der Regie von Christian Alvart knallhartes Action-Kino auf den Bildschirm zu bringen, das den internationalen Vergleich in keiner einzigen Szene zu scheuen braucht. Fahri Yardim wird als Tschillers bislang besonnener Kollege Yalcin ebenso in den Strudel der Gewalt gezogen wie sein Freund. Erdal Yildiz spielt den unbarmherzigen Clanchef wie gemeißelt, Stefanie Stappenbeck gibt als Tschillers Exfrau eine große Vorstellung, allein Til Schweigers Tochter Luna, die im Film auch die Tochter spielt, hat schauspielerisch sicherlich noch Luft nach oben. Das Einzige aber, was an diesem „Tatort“ wirklich stört, sind die prononcierten Unwahrscheinlichkeiten der Handlung, ohne die das Ziel, die Geschichte von Nick Tschiller und Firat Astan bis zum bitteren und maximal gewalttätigen Ende zu erzählen, nicht zu erreichen wäre.
Erst in Teil zwei dieses „Tatorts“, den die ARD niemandem vorab gezeigt hat, dürfte sich erweisen, was den Film inhaltlich in die Nähe des realen Terrors von Paris gerückt hat. Die „Fegefeuer“ betitelte Episode handelt von einem Anschlag, der all die Schießereien, die bei dem Schweiger-Krimi an der Tagesordnung sind, in den Schatten stellen soll. Die „Tatort“-Folge vom Neujahrstag heißt „Der große Schmerz“. Der wird Nick Tschiller zugefügt. Er hat von nun an (fast) nichts mehr zu verlieren.