Grafing:Die drei Lachmuskeltiere

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Die Gruppe FKK improvisiert gekonnt in der Turmstube der Stadthalle

Von Victor Sattler, Grafing

Gerade, als die sengend heiße Klinge des Lichtschwerts auf Ferdinand Maurers Gesicht zurast, verwandelt sie sich in ein harmloses Spielzeug, nur durch Maurers Fantasie. Michael Siegert, der Träger des Schwertes, steht nun entwaffnet auf der Bühne der Grafinger Turmstube. Auf einmal guckt er im imaginären Star-Wars-Kostüm aus der Wäsche. Mit dieser Tatsache muss er sich nicht bloß in einem Sekundenbruchteil abfinden, sondern die Idee auch weiterspinnen. Wehe dem, der als Improvisationskünstler am längeren Ende der Informationsleitung oder gar auf dem Schlauch steht: Als Siegert in einer anderen Szene vorgibt, eine sperrige, schwere Kiste auf die Bühne zu schleppen, wissen nur sein Kollege Sebastian Schlagenhaufer und das Publikum, dass es sich dabei eigentlich um einen handlichen Nasenhaarschneider handeln soll, und sie lachen sich diebisch ins Fäustchen.

Improvisationstheater bedeutet bei der Gruppe FKK, die Grafing am Freitag beehrte, immer auch ein Spiel mit der Macht des Wissens. Das Publikum weiß, was es sehen will: Skurriles, Überraschendes, Herausforderndes. Es ist selbst dafür verantwortlich, dass es am Abend dazu kommt, indem es Farben, Gefühle oder Werkzeuge reinruft. "Etwas Geistreiches?", erschrickt manch Grafinger, als er in der Pause zur Abwechslung auch mal etwas Anspruchsvolles auf einen Zettel schreiben und nach vorne geben soll. Manche der Vorschläge, welche das Publikum dem Ensemble aufträgt, sind dabei so wahllos und bestimmt, als würde dem Zuschauer in dieser Sekunde erst klar werden, dass er oder sie schon immer eine Szene übers Wuidbiseln, also Wildpinkeln, sehen wollte. Nur weil man weiß, was für ein Element man sich von der nächsten Szene wünscht, ist noch lange nichts garantiert: Manchmal kommt es ganz anders als gedacht, aufs Stichwort "Schal" hin präsentieren die FKK-ler in ihrem Spiel nach langer Verzettelung kein Halstuch, sondern ein schales Bier.

Die drei Darsteller lassen sich gern gegenseitig zappeln, wenn einer im Kopf schon beschlossen hat, was in der nächsten Minute passieren wird, und der andere noch mit allem rechnen muss. Besonders ausgereizt wird das von Ferdinand Maurer, der sich selbst als "Theater-Masochist" bezeichnet und sich mit dem Ungewissen malträtieren lässt. Das darf er auch, mit so flugs verquickten Synapsen, wie Maurer sie offensichtlich besitzt: In einer Pseudo-Gebärdensprache muss er etwa simultan die spontane Politikerrede von Sebastian Schlagenhaufer übersetzen. Ja, welche pantomimische Geste stellt denn eigentlich das Wort "Wertstoffhof" dar? Noch im Fluss des Satzes beginnt Maurer dazu zu dirigieren und fuchteln, als würde er sagen: "Nee, nicht in den Container, da drüben, zefix!" Das Publikum erkennt den Habitus sofort und bricht jubelnd in Lachtränen aus.

Wie viel ist wirklich von Grund auf improvisiert? Im Vergleich mit Christian Kappl, dem Pianisten und der "lebenden Jukebox" der Gruppe, der jede Szene spontan musikalisch begleitet und problemlos orientalische Wüstenstimmung mit dem Klavier schafft, aber diese Melodien eben aus dem Gedächtnis abruft, findet sich vielleicht ein schönes Bild für das Gehirn des Improvisierenden: Denn in Analogie zu Kappl haben sicherlich auch Schlagenhaufer, Siegert und Maurer ein großes Vokabular an Szenen und Gags erlernt, auf die sie im passenden Moment zurückgreifen können. Schmälern würde das ihre Leistung nicht. Die drei Herren in den schlichten schwarzen Hemden sprechen Impro fließend. Sie nehmen immer noch einen weiteren Ball in ihr Jonglierspiel hinzu - oder sie erlegen sich, wie Fesselkünstler, in Form von Spielregeln vor den Augen des Publikums immer neue Einschränkungen auf und sind damit trotzdem nicht weniger wendig. Zum Höhepunkt nimmt sogar Pianist Kappl seine Finger von den weißen Tasten und legt sie sich auf den Mund, sichtlich gespannt, was daraus eigentlich noch werden soll.

Am Sonntag, 19. November, kommt die Gruppe um 19.30 Uhr in die Stadthalle Erding. Weitere Termine findet man auf www.fkkimpro.wordpress.com.

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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