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Dilbert-Erfinder Scott Adams "Ziele sind etwas für Verlierer"

Scott Adams zeichnete jahrelang Büro-Comics, nun hat er ein Karrierebuch geschrieben. Sein wichtigster Tipp: Wer sich im Beruf Ziele setzt, erlebt jeden Tag nur Misserfolge. Aber es geht auch anders.
Foto: Scott Adams/ dilbert.com
Foto: privat

Scott Adams (Jahrgang 1957) ist weltberühmt für seine sparsam gezeichneten "Dilbert"-Comics. Zuvor hat er 17 Jahre lang in Großraumbüros gearbeitet, die Quelle seiner Geschichten. Sein neues Buch "Die Kunst des erfolgreichen Scheiterns" erzählt eigentlich sein Leben, aber in der Art eines Karriereratgebers. Im folgenden, gekürzten Kapitel erklärt er, welche Einsichten die Weichen für seinen weiteren Berufsweg stellten.

Im Alter von 21 Jahren und mit einem Uniabschluss in der Tasche bestieg ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Flugzeug. Das Ziel: Kalifornien. Über Erfolg wusste ich eines ganz gewiss: In Windham in New York, mit seinen 2000 Einwohnern, würde er nicht leicht zu finden sein. Ich würde nach Los Angeles fliegen und auf der vollgekrümelten Couch meines Bruders schlafen, bis ich einen Job im Bankwesen gefunden und mich im "Golden State" Kalifornien häuslich eingerichtet hätte.

Stolz zog ich den billigen Dreiteiler an, den mir meine Eltern zu meinem Abschluss geschenkt hatten - mein erster richtiger Anzug. Ich dachte, dass man sich fürs Fliegen wie für die Arbeit oder zu einem besonderen Anlass kleidete. Da ich in einer Kleinstadt aufgewachsen war, kannte ich nicht viele Leute, die schon einmal mit einem Verkehrsflugzeug geflogen waren. Ich musste mir also größtenteils selbst zusammenreimen, wie das funktionierte, und wollte auf keinen Fall das Risiko eingehen, aus dem Flugzeug geschmissen zu werden, weil ich nicht ordentlich gekleidet war. Das sind genau die Fehler, die ich immer mache.

Außerdem hatte ich keinen blassen Schimmer, wie ich meinen Anzug wieder glattbügeln sollte, wäre er im Gepäck zerknittert worden. Ich bildete mir ein, ich würde, kaum in Kalifornien gelandet, zu Vorstellungsgesprächen gehen und war daher auf meinen einzigen Anzug angewiesen, um nicht wie der letzte Penner auszusehen. Es machte also einfach nur Sinn, ihn während des Flugs zu tragen.

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Foto: Scott Adams/ dilbert.com

Ich saß neben einem Geschäftsmann, der vermutlich in den frühen Sechzigern war. Mit meiner ernsten Miene, meinem üblen Haarschnitt und meinem billigen Anzug sah ich sicherlich wie ein seltsamer Vogel aus - völlig fehl am Platze. Er fragte mich nach dem Grund meiner Reise und ich gab ihm Auskunft. Dann fragte ich ihn, womit er sein Geld verdiente, und er erzählte mir, er sei CEO einer Firma, die Schrauben herstellt. Schließlich gab er mir einen Ratschlag für meine Karriere. Jedes Mal, wenn er einen neuen Job angefangen hatte, hatte er sofort nach einem besseren Ausschau gehalten.

Finde stets einen besseren Job

Für ihn war die Jobsuche nichts, was man aus einer Notwendigkeit heraus tut, sondern ein permanenter Prozess. Wenn man einmal darüber nachdenkt, macht das durchaus Sinn. Höchstwahrscheinlich ist der beste Job nicht genau dann verfügbar, wenn man glaubt, dafür bereit zu sein. Am besten sei es, erklärte er, man sehe sich immerzu nach einer noch besseren Gelegenheit um. Und die bessere Gelegenheit hat ihren eigenen Zeitplan. Ich denke, er wollte sagen, dass ein Job nicht dein Job ist, sondern dass es dein Job ist, einen besseren zu finden.

Das war das erste Mal, dass mir der Gedanke kam, man müsse ein System haben statt ein Ziel. Das System bestand darin, immerzu nach etwas Besserem Ausschau zu halten. Und für diesen Geschäftsmann funktionierte es: Er hatte Job-Hopping von Firma zu Firma betrieben und dabei immer mehr Erfahrungen gesammelt, bis er schließlich CEO wurde. Hätte er seine Karriere mit einem bestimmten Ziel vor Augen angegangen oder vielleicht mit bestimmten Jobperspektiven (zum Beispiel dem Posten seines Chefs), hätte dies seine Möglichkeiten stark eingeschränkt. Doch für ihn war die ganze Welt sein nächster potenzieller Job. Der neue Job musste einfach nur besser sein als der davor und ihm die Möglichkeit bieten, etwas für den danach zu lernen.

Nicht zur Loyalität verpflichtet

War dieser Geschäftsmann seinem aktuellen Arbeitgeber zur Loyalität verpflichtet? Nicht aus seiner Sicht. Er hatte den Kapitalismus nicht erfunden und auch nicht dessen Regeln. Er spielte ganz einfach nach diesen Regeln. Seine Arbeitgeber hätten ihn ohne zu zögern auf die Straße gesetzt, wenn es ihnen in den Kram gepasst hätte. Er folgte ganz einfach ihrem Beispiel.

Das zweite, was ich auf diesem Flug lernte - oder vielmehr bestätigt fand -, war die Wichtigkeit des eigenen Erscheinungsbilds. Gegen Ende des Flugs gab mir der CEO seine Karte und garantierte mir quasi einen Job in seiner Firma, wenn ich ihn haben wollte. Hätte ich das Flugzeug mit verranzten Jeans, abgewetztem T-Shirt und abgetragenen Turnschuhen bestiegen, so wäre es sicher anders gekommen.

Im Laufe meiner Karriere habe ich stets nach Menschen Ausschau gehalten, die sich an Systemen orientieren statt an Zielen. Ohne Umschweife: Ziele sind etwas für Verlierer. Meistens ist das wortwörtlich wahr. Ist Ihr Ziel zum Beispiel, fünf Kilo Gewicht abzunehmen, dann werden Sie sich jeden Moment bis zum Erreichen des Ziels - wenn Sie es überhaupt erreichen - fast am Ziel glauben. Anders ausgedrückt: Zielorientierte Personen befinden sich in einem Zustand fast kontinuierlichen Scheiterns, von dem sie hoffen, er möge vorübergehend sein. Dieses Gefühl ist belastend. Mit der Zeit wird es schwer und unbequem und kann einem sogar das ganze Spiel vermiesen.

Ein Kreislauf permanenten Scheiterns

Wenn man sein Ziel erreicht, feiert man das und fühlt sich großartig - aber nur bis man merkt, dass man das verloren hat, was einem eine Aufgabe und eine Richtung gegeben hat. Man kann sich dann entweder leer und nutzlos fühlen und vielleicht auch die Ausbeute des Erfolgs genießen, bis es einen langweilt, oder aber man kann sich neue Ziele setzen und erneut in den Kreislauf permanenten Scheiterns kurz vor dem Erfolg eintreten.

"System"-Personen haben jedes Mal Erfolg, wenn sie ihr System einsetzen, weil sie getan haben, was sie zu tun beabsichtigten. "Ziel"-Personen kämpfen immer gegen das Gefühl der Entmutigung an. "System"-Personen fühlen sich jedes Mal gut, wenn sie ihr System anwenden. Das ist ein kapitaler Unterschied, wenn es darum geht, die eigene Energie in die richtigen Bahnen zu lenken.

In unserer Welt der Diäten ist "20 Kilo abnehmen" ein Ziel, aber ein System ist es, gesund zu essen. Im Geschäftsleben ist ein Gewinn von einer Million Dollar ein Ziel, Gründer mehrerer Unternehmen zu werden hingegen ein System.

Sagen wir für unsere Zwecke einfach, ein Ziel ist etwas Spezifisches, das man irgendwann in der Zukunft erreicht oder auch nicht. Ein System ist etwas, das man regelmäßig anwendet und das die Chancen auf Zufriedenheit langfristig steigert. Wenn man etwas jeden Tag macht, dann handelt es sich um ein System. Wenn man hofft, es irgendwann in der Zukunft zu erreichen, dann ist es ein Ziel.

Die Mindestanforderung an ein System ist, dass eine vernünftige Person sich von ihm verspricht, es werde öfter funktionieren, als es dies nicht tut. Lotterielose zu kaufen ist kein System, egal wie regelmäßig Sie es tun. Was Systeme anbelangt, schauen Sie sich einmal Mark Zuckerberg, den Gründer von Facebook, an. Sein Erfolgssystem fußt offenbar auf hartem Studium, hervorragenden Noten, dem Besuch einer Eliteuniversität - in seinem Fall Harvard - und dem Erwerb technologischer Kompetenzen, die heutzutage quasi eine Garantie für Reichtum sind. Wie sich gezeigt hat, kam sein Reichtum durch das explosive Wachstum von Facebook zustande. Aber hätte das nicht geklappt, so wäre er wahrscheinlich mit irgendeinem anderen Startup Millionär geworden oder ganz einfach ein hoch bezahltes Technikgenie in einer bereits existierenden Firma. Zuckerbergs System (oder was ich für sein System halte) war geradezu eine Erfolgsgarantie, doch anfangs konnte sich niemand vorstellen, was für eine.