Die Verklärung der Arbeit durch Religion und Staat


Fleiß war gestern – heute engagiert man sich. picture alliance
Auch Arbeit und Freizeit unterliegen einem kulturellen Wandel. Die Grenzen verschieben sich, Arbeit wird total. Plädoyer für eine Rückbesinnung zu echter freier Zeit


Von Alexander Grau|Cicero

Zur Arbeit hat der Deutsche ja ein ziemlich zwiespältiges Verhältnis. Einerseits gilt sie hierzulande immer noch als etwas nahezu Heiliges, als etwas, dass aus einem Menschen erst einen Menschen macht, dass seinem Leben Sinn und Inhalt verleiht. Nicht wenige sind geradezu stolz darauf, bis 22 Uhr im Büro zu sitzen und eine 70 Stundenwoche zu haben. Mindestens.

Andererseits: Nichts ist den Deutschen so wichtig wie ihre Freizeit, also die freie, die arbeitsfreie Zeit. Gelungene Freizeitgestaltung, ausgedehnte Fernreisen, zeitaufwendige Hobbys genießen ein enormes Sozialprestige. Und glaubt man den Selbstdarstellungen beim Partysmalltalk oder an den Nachbartischen im Café, so scheint Arbeit für viele Landsleute lediglich ein Intermezzo zu sein, das den Thailandurlaub von der Brasilienreise und dem Trip in die USA trennt.

Fleiß, Sauberkeit und Ordnung

Dennoch gilt Fleiß, neben Sauberkeit und Ordnung, immer noch als deutsche Kardinaltugend – nicht nur im Ausland. Allerdings unterliegt auch das Arbeitsethos einem kulturellen Wandel. Und deshalb ist der postmoderne deutsche Mitarbeiter nicht mehr fleißig im altväterlichen Sinne, sondern „bringt sich ein“ und ist „engagiert“.

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