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Schleswig-Holstein Ministeriums-Praktikanten arbeiten monatelang ohne Bezahlung

Schleswig-holsteinische Ministerien beschäftigen pro Jahr Hunderte Praktikanten - ohne Bezahlung, teilweise monatelang, ergab eine parlamentarische Anfrage. Mit dieser Praxis steht das Land nicht allein da.
Staatskanzlei in Kiel: Praktikanten nicht bezahlt

Staatskanzlei in Kiel: Praktikanten nicht bezahlt

Foto: Horst Pfeiffer/ picture-alliance/ dpa/dpaweb

Schleswig-Holstein will Nachwuchskräfte für die Verwaltung gewinnen, schreibt die Staatskanzlei in Kiel auf ihrer Homepage. Von "modernen Arbeitsplätzen" ist die Rede, von den "Vorteilen des öffentlichen Dienstes" und von "einem härteren Wettbewerb um die junge Generation".

Hunderte Praktikanten, die im vergangenen Jahr in den Ministerien des Landes gearbeitet haben, dürften von Vorteilen jedoch nichts gespürt haben: Wie die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des schleswig-holsteinischen Piraten-Abgeordneten Patrick Breyer ergab, beschäftigen mehrere Ministerien ihre Praktikanten ohne Bezahlung, teilweise monatelang.

So arbeiteten zum Beispiel in der Staatskanzlei 15 Praktikanten, darunter sechs Hochschulabsolventen; bis zu vier Monate dauerten die Praktika, eine Vergütung oder Entschädigung gab es nicht.

Das Innenministerium beschäftigte im Jahr 2013 Praktikanten, ebenfalls bis zu vier Monate lang, ebenfalls ohne Bezahlung.

Und auch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie bot Praktika an, auch für Hochschulabsolventen. Dauer: bis zu zwölf Wochen. Bezahlung: keine.

Für den Abgeordneten Breyer ein "erschreckender Missbrauch von Praktika durch höchste Regierungsbehörden in Schleswig-Holstein". Junge Menschen würden in unbezahlten Praktika eingesetzt, "selbst wenn es sich um voll ausgebildete Arbeitskräfte handelt".

Zu der Frage, warum die Landesregierung Praktikanten, darunter auch Hochschulabsolventen, ohne Bezahlung beschäftigt, wollte sich die Staatskanzlei am Freitag auf SPIEGEL-ONLINE-Anfrage nicht äußern.

Auf Breyers Frage an die Landesregierung, ob es für Praktikanten des Landes eine Mindestvergütung oder eine Höchstdauer geben sollte, fällt die Antwort ausweichend aus: Die Höchstdauer bemesse sich "nach dem jeweiligen Ausbildungszweck" und sei in der Ausbildungs- oder Studienordnung festgelegt. "Ein Bedarf an weitergehenden Festlegungen wird nicht gesehen. Dies gilt auch für Festlegungen zu Vergütungen, die über die Regelung der TdL (Tarifgemeinschaft der Länder) hinausgehen."

Die Ministerien in Schleswig-Holstein haben sich keine Eigenverpflichtung gegeben, sie orientieren sich in der Regel nur an geltenden Tarifvereinbarungen der Länder. Eine generelle Bezahlung von Praktikanten ist darin offenbar nicht vorgesehen.

Zehn der 16 Landtage zahlen nicht

Nicht nur die Landesregierung Schleswig-Holsteins, auch das Parlament des Bundeslandes bezahlt Praktikanten nicht - genau wie neun weitere von 16 Landesparlamenten, wie eine Umfrage von SPIEGEL ONLINE Ende 2013 ergeben hatte. Kein Geld bekamen Parlamentspraktikanten demnach in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Wie ebenfalls schon länger bekannt ist, drücken sich auch mehrere Bundesministerien vor der Praktikantenbezahlung: 2012 waren rund 4700 junge Menschen in 14 Ministerien und deren nachgeordneten Behörden als Praktikanten tätig. Acht der Bundesministerien bezahlten ihre Praktikanten, meist 300 Euro monatlich. Sechs bezahlten ihre Vollzeitpraktikanten nicht. Keine Vergütung oder Aufwandsentschädigung zahlten: das Auswärtige Amt, das Innenministerium, das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium, das Verteidigungsministerium und das Umweltministerium.

Bundesministerien tricksen sich an der Richtlinie vorbei

Kritik daran gibt es schon länger. Im November 2011 sollte eine überarbeitete "Praktikantenrichtlinie Bund ", initiiert durch das Bundesinnenministerium, Abhilfe schaffen. Laut Innenministerium waren an der Ausarbeitung auch alle anderen Ministerien beteiligt. Seit zwei Jahren ist die aktuelle Fassung in Kraft, in der es heißt: "Für Praktika von Schülerinnen und Schülern, Berufsschülerinnen und Berufsschülern sowie Studierenden sind mindestens 300,- Euro monatlich zu zahlen."

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Dieser Satz gilt allerdings nur für sogenannte freiwillige Praktika. Für sogenannte Pflichtpraktikanten gebe es "keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch". Es könne jedoch eine "steuerpflichtige Aufwandsentschädigung gezahlt werden". Der Trick einiger Ministerien: Die Nichtzahler-Ressorts boten ausschließlich Pflichtpraktika oder nur sehr kurze Schnupperpraktika an. "Finanzielle Erwägungen mögen dazu führen, dass Ministerien keine freiwilligen Praktikanten nehmen", sagt dazu ein Sprecher des Innenministeriums.