Montag, 26. September 2016

Teryky

Eine Geschichte um Liebe und Mythen

Nach einer Sage der Tschuktschen, einem Polarjägervolk im Nordosten Sibiriens, wird ein Jäger, der auf einer Eisscholle abtreibt zum fellbewachsenen Ungeheuer Teryky. Und genau das passiert dem Robbenjäger Goigoi, der kurz zuvor seine große Liebe Tin-Tin geheiratet hat. Ein Terky, dem es wie Goigoi gelingt, zurückzukehren hat nach der Legende nichts Menschliches mehr an sich und muss getötet werden. Im Spannungsfeld zwischen Überlebenskampf, Aberglauben und bedingungsloser Liebe entsteht eine packende, lebensbejahende und gleichzeitig melancholische Geschichte.

Der Autor Juri Rytcheu wuchs selbst als Sohn eines Jägers dieses Volkes auf bringt die Ereignisse, die kulturellen Hintergründe und das Lebensgefühl der Menschen seiner Geschichte in einer einzigartigen geradezu miterlebbaren Weise zu Papier. Unglaublich viel Gefühl steckt hier zwischen den Zeilen, bleibt unausgesprochen und liegt dennoch offen zutage. Denn wortkarg sind die Menschen in dieser widersprüchlichen Welt zwischen unendlicher Weite und natürlichen Grenzen zwar, jedoch nicht aus Unvermögen. Es genügt ein Satz, ein Hinweis, eine Geste und Fragen sind geklärt, Entscheidungen verbindlich getroffen, Grenzen abgesteckt.
Im Gegenzug dazu die fast poetischen Darstellungen der Natur, der Jahreszeiten, Landschaften, des Wetters, der natürlichen Lebensbedingungen, die den Rhythmus der Menschen in der kleinen Siedlung am Rande des Eismeeres bestimmen. Der Leser ist dabei sowohl mittendrin als auch außenstehender Betrachter. Er beobachtet und lernt, ohne dass die zahlreichen Informationen, die im Textfluss treiben,  jemals aufdringlich wirken, meist werden sie als solche gar nicht wahrgenommen. Rytcheu transportiert Stimmungen und Gefühle und obwohl das Leben und die Werte der Polarjäger so gar nichts mit den Unsrigen zu tun zu haben scheinen, wirklich fremd sind dem Leser die Protagonisten dem Leser im Grunde nicht. Außer vielleicht am Schluss, aber der soll hier natürlich nicht verraten werden.
Es ist ein feines kleines Buch mit der Erzählung des ersten Schriftstellers der Tschuktschen. Es macht auf jeden Fall Lust mehr von diesem Autor zu lesen, der eine ganz besondere Begabung hat, seine Leser einzufangen.

Juri Rytcheu: Teryky. Unionsverlag 2016. Hardcover, Leinen, 157 Seiten

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