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  3. Paul Krugman und Barry Eichengreen: Europa ist inkompetent

Wirtschaft Schuldenerlass

US-Ökonomen empören sich über Europas „Inkompetenz“

„Um Grundsätze muss gekämpft werden“

Kurzfristig könne man Regeln aufweichen, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Allerdings würde man damit langfristig Schaden nehmen. Deswegen lohne es sich, um Grundsätze zu kämpfen.

Quelle: N24

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Jeffrey Sachs, Paul Krugman und Barry Eichengreen geben der Troika die Schuld an der Griechenland-Krise. Sie loben das Verhalten von Tsipras – und fordern vor allem von Deutschland mehr Verständnis.

Gleich drei von Amerikas prominentesten Wirtschaftswissenschaftlern haben die Griechenland-Politik der EU und speziell von Deutschland scharf kritisiert. Jeffrey Sachs, Paul Krugman und Barry Eichengreen zeigten sich entsetzt über die „inkompetente Politik“ in Brüssel und Berlin. Alle drei veröffentlichten am Wochenende Artikel, in denen sie der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die Hauptschuld an der Krise in Griechenland gaben.

„Jeder, der sich mit der griechischen Schuldenarithmetik beschäftigt, und es sieht manchmal danach aus, als würde das in Berlin keiner machen, weiß, dass das Land seine Schulden niemals zurückzahlen kann“, schreibt Jeffrey Sachs in einem Gastbeitrag in der britischen Zeitung „Guardian“. Mit 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts lägen die griechischen Schulden „weit jenseits der Toleranzgrenze demokratischer Gesellschaften“.

Sollten gerade die Deutschen mehr Verständnis haben?

Gerade die Deutschen, so argumentiert Sachs, sollten Verständnis für die Situation der Griechen aufbringen. Denn das Land sei heute in einer ähnlich vertrackten finanziellen Situation wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. „Sie sollten sich an die Entlastungen erinnern, die Deutschland durch den Marshall Plan bekommen hat, und an das Londoner Abkommen zu deutschen Schulden von 1953“, so Sachs. Damals wurde Deutschland die Hälfte seiner Verbindlichkeiten erlassen.

Jeffrey Sachs ist Direktor des Earth Institute an der Columbia Univetsität
Jeffrey Sachs ist Direktor des Earth Institute an der Columbia Universität
Quelle: REUTERS

Ob ausgerechnet Deutschland diesen Schuldenerlass damals verdient habe? Das sei nicht die richtige Frage, sagt Sachs. „Deutschlands neue Demokratie brauchte die Entlastung, und Deutschland brauchte einen Neustart.“ Der Schuldenschnitt habe eine „wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Erholung und dem Aufbau demokratischer Strukturen in Deutschland“ gespielt.

Vor einer ähnlichen Situation stände heute auch Griechenland, und es sei an der Troika, das Land vor politischem Chaos und radikalen Kräften zu schützen. Ohnehin seien die Summen, die Griechenland seinen Gläubigern schulde, „groß für Griechenland, aber sehr klein für Europa“. Letztlich gäbe es für den Kontinent zwei Möglichkeiten: einen „konstruktiven Schuldenerlass“ für die Griechen oder einen politischen Zusammenbruch des Landes, der vermutlich weitreichende Folgen über die griechischen Grenzen hinaus habe.

Krugman: „Monströse Torheit“ der EU

Ähnlich scharfe Töne findet auch der linke US-Ökonom Paul Krugman. In zwei Blogposts griff er am Samstag und Sonntag die EU an. Sie trage die Schuld an der „destruktiven Austerität“ in Griechenland. Premierminister Alexis Tsipras tue „das Richtige“, indem er sein Volk zur Abstimmung über das EU-Sparprogramm aufrufe.

Bislang habe Tsipras Partei Syriza mit einem politischen Dilemma zu kämpfen gehabt. Die Wähler stellten sich gegen weitere Sparmaßnahmen, wollten aber gleichzeitig den Euro behalten. Das Referendum zwinge die Griechen nun zu entscheiden, was ihnen wichtiger ist. Gleichzeitig gäbe es Tsipras künftig eine höhere „demokratische Legitimation“, wenn er gemäß dem erklärten Willen des Volkes handele, so Krugman.

Paul Krugman bekam 2008 den Wirtschafts-Nobelpreis verliehen
Paul Krugman bekam 2008 den Wirtschafts-Nobelpreis verliehen
Quelle: Jerome Favre/Bloomberg

Der US-Ökonom rät den Griechen dazu, mit „Nein“ bei dem Referendum abzustimmen und sich gegen weitere Sparmaßnahmen zu wenden. „Die Troika verlangt, dass die Politik der vergangenen fünf Jahre beibehalten wird“, schreibt Krugman. Da diese strikte Sparpolitik bislang nicht zum Erfolg geführt habe, werde sie es wohl auch in Zukunft nicht tun.

„Wir müssen grundsätzliche Fragen über Europa stellen“

Hat die Euro-Gruppe die richtige Entscheidung über Griechenland gefällt? Welche Verantwortung trägt die griechische Regierung selbst? Ulf Poschardt, stellvertretender Chefredakteur von WeltN24, spricht Klartext.

Quelle: N24

Griechenland und seine Banken seien außerdem schon in einer so desolaten Lage, dass ein Ausstieg aus dem Euro auch nicht viel mehr Chaos verursachen könne. Ein Grexit werde „den Weg pflastern für eine wirtschaftliche Erholung“. Die Troika habe Tsipras mit dem neuen Sparpaket ein „Ultimatum gemacht, dass er nicht akzeptieren kann“. Von daher habe der Premier gar keine andere Wahl, als das Volk abstimmen zu lassen. Dass es so weit kommen musste, daran sei ganz allein die „monströse Torheit“ der EU Schuld, so Krugman.

Eichengreen relativiert Theorie vom Zusammenhalt der Euro-Zone

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Etwas ausgewogener argumentiert Barry Eichengreen von der University of California in einem am Sonntag erschienenen Fachartikel. Er spricht der Troika nicht die Alleinschuld an der Griechenland-Krise zu, wohl aber die Hauptverantwortung.

Barry Eichengreen ist Professor der University of California
Barry Eichengreen ist Professor der University of California
Quelle: ChinaFotoPress/Getty Images

Die „Inkompetenz“ von Tsipras verblasse „im Vergleich zu der der EU-Kommission, der EZB und des IWF“, schreibt Eichengreen. Alle drei Institutionen hätten sich 2010 gegen eine Schuldenrestrukturierung der Griechen ausgesprochen. Alle drei stellten sich auch in diesem Jahr gegen einen Schuldenschnitt, obwohl er „das naheliegendste Zugeständnis“ an Tsipras gewesen wäre.

„Die Kosten wären gering gewesen“, so Eichengreen. Stattdessen behaupte die Troika stur, Griechenland könne seine Schulden zurückzahlen, wenn das Land nur wolle. Mit dieser Haltung stoße die Troika Griechenland in eine noch tiefere Depression.

Eichengreen hatte in einem viel beachteten Aufsatz von 2007 analysiert, warum ein Zusammenbruch der Euro-Zone unwahrscheinlich wäre. Damals argumentierte er, die Kosten eines EU-Austritts wären für das jeweilige Land so hoch, dass es sich niemals in die Situation manövrieren würde. Eichengreen revidierte in seinem aktuellen Text die eigene These. „Ich habe den Grad politischer Inkompetenz unterschätzt – nicht nur den der Griechen, sondern noch mehr den der Gläubiger.“

Jean-Claude Juncker liebt Griechenland

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker spricht über das anstehende Referendum in Griechenland und appelliert an die Bürger, mit „Ja“ zu stimmen. Sehen Sie hier einen Ausschnitt seiner Rede.

Quelle: N24

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