SN.AT / Politik

Die fehlende politische Verantwortung der ÖVP

Warum ÖVP-Obleute zwangsläufig scheitern. Und warum dieses Scheitern für die Republik nicht ganz unwesentlich ist.

Andreas Koller

Die ÖVP hat also mit dem ihr eigenen Zwang zur Wiederholung einen weiteren Parteiobmann erledigt, bereits den vierten seit 2006. Und gewiss nicht den letzten in diesem Jahrzehnt. Die üblichen Königsmörder, beheimatet unter anderem in den Landeshauptstädten, haben ganze Arbeit geleistet. Man darf zur Tagesordnung übergehen.

Oder doch nicht? Was jedenfalls nähere Erörterung verdient, ist die grobe Fahrlässigkeit, mit der die selbst ernannte Staatspartei ÖVP das in Krisenzeiten wie diesen nicht ganz unwesentliche Finanzministerium behandelt. In der Ära Schüssel vertraute sie dieses Schlüsselressort Karl-Heinz Grasser an, einem politischen Parvenü und Flachwurzler, der heute nur noch durch die Society- und Gerichtsspalten der Gazetten geistert. Anschließend durften die Agrarexperten Wilhelm Molterer und Josef Pröll für jeweils rund zwei Jahre ihr Geschick als Finanzgewaltige unter Beweis stellen. Es folgte die Ära Fekter. Es folgte die Ära Spindelegger. Keiner der Genannten hatte die geringste Expertise. Keiner von ihnen war lange genug im Amt, um diese Expertise zu erwerben. Mag die Belastungsquote in die Höhe schnellen, mag der Staatshaushalt aus den Fugen geraten, mögen die globalen Finanzmärkte verrücktspielen - die ÖVP missbrauchte das wichtige Amt des Finanzministers als Pfründe zur Austarierung ihrer internen Machtbalance.

Diese Machtbalance ist die Ursache dafür, dass auch der nächste Parteiobmann fast zwangsläufig scheitern muss. Denn egal, wer diese Funktion übernimmt: Er oder sie hat vom ersten Tag an all jene Fraktionen dieser zerrissenen Partei gegen sich, die bei der Obmannkür übergangen worden sind. Es entspricht der Logik der ÖVP, den jeweils schwächsten ihrer Granden zum Chef zu küren und sofort anschließend mit seiner Demontage zu beginnen.

Man könnte die interne Befindlichkeit der ÖVP als alleinige Angelegenheit einer politischen Gemeinde abtun, wäre nicht Wohl und Wehe der Republik damit verknüpft. Denn die ÖVP versteht sich als logische Regierungspartei, ihre Abwahl aus der Regierung (wie von 1970 bis 1987) empfindet sie als Irrtum der Wähler. Auch gegen diese Einstellung wäre im Grunde nichts einzuwenden, wäre sie mit einer entsprechenden staatspolitischen Verantwortung der Parteiführung verbunden. Doch das ist nicht der Fall. Die ÖVP arbeitet nicht für die Republik, sie erachtet die Republik als ihr angestammtes Eigentum. Entsprechend sieht ihr Umgang mit wichtigen Staatsämtern aus - am markantesten sichtbar im Finanzministerium.