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Jan Fleischhauer

S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Nicht lächeln beim Oralsex

Grundlos grinsende Frauen in der Werbung? Gehören verboten, findet man im Pilotbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Dabei kommt die wirkliche Herabwürdigung von Frauen als naiv und hysterisch aus dem Zeitschriftenregal.
Werbeposter in Berlin (Archivbild): Rückschrittliche Rollenbilder

Werbeposter in Berlin (Archivbild): Rückschrittliche Rollenbilder

Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFP

Sie wissen es als aufgeklärter Mensch wahrscheinlich schon längst: Die beleidigende Darstellung von Frauen als Hausfrau oder grundlos glücklicher Mensch gehört bald der Vergangenheit an. Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, dem traditionell eine Vorreiterrolle in Sachen Emanzipation zukommt, haben sie jetzt ein Zehn-Punkte-Programm vorgestellt, um diskriminierende und frauenfeindliche Bilder aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.

Ein Jahr lang hat eine Arbeitsgruppe unter Mithilfe von Experten von Terre des Femmes und dem Frauennachtcafé Wildwasser beraten, wie man Kreuzberg zumindest optisch zur sexistischen No-go-Area machen kann. Künftig soll jede Werbung unterbunden werden, in der Frauen als "(willens)schwach, hysterisch, dumm, unzurechnungsfähig, naiv" dargestellt werden. Frauen dürfen auch nicht "ohne Anlass lächelnd inszeniert" sein oder "zu körperbetont bekleidet" gezeigt werden. Werbung, "die vermittelt, dass Frauen hilfsbedürftig, fürsorglich, mit großer Freude im Haushalt beschäftigt, konsumsüchtig, abhängig, verführerisch, schön" sind, ist ebenso tabu wie jede Abbildung, die dem Betrachter nahelegt, dass es besser ist, wenn man weniger wiegt oder eine glattere Haut hat.

Ein Lächeln als "strukturelle Gewalt"

Vorerst gilt die Regelung nur für die vier vom Bezirk kontrollierten Werbeflächen, aber dabei soll es selbstverständlich nicht bleiben. Wie man in der "Berliner Zeitung" lesen konnte, ist man schon in Verhandlungen mit der Werbefirma Ströer über ein Rahmenabkommen für 23 weitere Standorte. Die Verbreitung rückschrittlicher Rollenbilder und "Geschlechterstereotype" gilt als "strukturelle Gewalt", weshalb die neue Werbeverordnung auch nicht unter Volkserziehung, sondern unter Gewaltprävention fällt. Keine Ahnung, wie die Grünen zu Kopftuch und Burka stehen. Über zu viel nackte Haut muss man sich bei Muslimen jedenfalls nicht beklagen. Leider haben sie dort noch ein völlig ungebrochenes Verhältnis zur Hausfrau, aber da kann man im nächsten Integrationskurs sicher was machen.

Ich bin ebenfalls dagegen, dass Frauen als naiv, schwach oder unterwürfig dargestellt werden. Ich habe mich nur gefragt, warum sich die Bezirksverordnetenversammlung in Kreuzberg so auf Plakate versteift. Ich stand gestern im Supermarkt an der Kasse neben dem Regal mit Frauenzeitschriften. Was ich dort in puncto Reproduktion von Geschlechterstereotypen gesehen habe, stellt alles in den Schatten, was die Werbung zu bieten hat.

Man gewinnt beim Lesen den Eindruck, dass sich Frauen pausenlos mit ihren Haaren und Fingernägeln beschäftigen und den Rest der Zeit dabei sind, über den Stand ihrer Beziehung nachzusinnen. Sex ist auch ein großes Thema, wobei es vor allem darum zu gehen scheint, wie man einem Mann einen perfekten Blowjob verpasst ("Petra": "10 Tipps, damit beim Blasen nichts mehr schief gehen kann") beziehungsweise verhindert, dass man dabei die Konzentration verliert ("Cosmopolitan": "12 Dinge, die jede Frau denkt, wenn sie ihm einen bläst"). Immer geht es darum, Männern so zu gefallen, dass sie nicht auf den Gedanken kommen, sich nach einer anderen umzusehen. Erschreckend unemanzipiert. Und das Schlimmste ist: Das Zeug wird von Frauen auch noch massenhaft gekauft.

Verkniffenheit der in die Jahre gekommenen Avantgarde

Man könnte über den seltsamen Werbefeldzug in Kreuzberg hinwegsehen, wenn er nicht auf ein größeres Problem verweisen würde, und zwar auf den Hang zur Indigniertheit in einem Milieu, das ursprünglich einmal angetreten war, mit der Sauertöpfigkeit in Deutschland aufzuräumen. Es ist immer leichter, ein Imperium zu erobern als es zu verwalten, wie sich zeigt.

Die Attraktivität der Linken machte lange ihr ungebrochener Fortschrittsoptimismus aus. Die Welt von morgen war grundsätzlich eine bessere Welt, in der alle Hindernisse und Zwänge beseitigt schienen. Nichts sollte einen mehr einengen können, nicht Biologie, Herkunft oder Geschlecht. Auf der Seite der Konservativen hat man an diese Schicksalsverneinung nie geglaubt, aber das führte in den Kulturkämpfen der Siebziger- und Achtzigerjahre auch in die Defensive.

Der einzige Bereich, in dem sich die Mischung aus linker Zukunftszuversicht und amerikanischer Do-it-yourself-Kultur erhalten hat, ist die Genderdebatte. Wenn der ehemalige Zehnkämpfer Bruce Jenner verkündet, künftig als Frau durchs Leben gehen zu wollen, scheint noch einmal das alte Versprechen auf, wonach jeder seines Glückes Schmied sein könne. Ansonsten herrscht die Verkniffenheit und Übellaunigkeit einer in die Jahre gekommenen Avantgarde, die peinlich genau darauf achtet, dass ihre Herrschaft nicht in Frage gestellt wird.

In Kreuzberg sind die Frisuren inzwischen so kurz, dass niemand mehr wie Jenner seine Haare herzeigen kann, selbst wenn er wollte. Politik machen sie hier so, wie ältere Damen ihren Tee trinken: mit säuerlichem Mundwinkel und abgespreiztem Finger. Bei "Borat" brauchte es noch eine Tüte voller Exkremente, um eine der Südstaatenmamsells aus der Fassung zu bringen, deren Bigotterie man so gerne anprangert. In Berlin reicht dafür schon ein falsches Lächeln.