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Notfallverhütung EU-Behörde will Pille danach freigeben

Es könnte die Pille danach in Deutschland bald rezeptfrei geben - gegen den Willen der Bundesregierung. Die europäische Arzneimittelbehörde hat sich für eine Freigabe des Medikaments Ellaone ausgesprochen. Diese würde europaweit gelten.
Pille danach Ellaone: Momentan noch EU-weit unter Rezeptpflicht

Pille danach Ellaone: Momentan noch EU-weit unter Rezeptpflicht

Foto: Rolf Vennenbernd/ dpa

Hamburg - Ob in Frankreich, den Niederlanden oder in Belgien: In den meisten unserer Nachbarländer können Frauen nach einer Verhütungspanne in eine Apotheke gehen und sich die Pille danach holen. Nicht so in Deutschland. Hierzulande erhält das Medikament nur, wer zuvor ein Rezept von einem Arzt bekommen hat. Das könnte sich bald ändern, zumindest für eins von zwei Präparaten.

Die europäische Arzneimittelbehörde Ema hat sich vergangene Woche dafür ausgesprochen, die Pille danach mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat (Handelsname Ellaone) in Zukunft von der Verschreibungspflicht zu befreien. Folgt die Europäische Kommission ihrer Empfehlung, würde das für die gesamte europäische Union gelten.

Nach Verhütungspanne so schnell wie möglich einnehmen

Ellaone ist die neuere von zwei Pillen danach, die in Europa auf dem Markt sind. Da sie erst 2009 zugelassen wurde, unterliegt sie bislang in ganz Europa der Verschreibungspflicht. Die Vorsichtsmaßnahme dient dazu, noch unbekannte Nebenwirkungen so gut wie möglich zu dokumentieren. Dieser Prozess ist aus Sicht der Ema jetzt abgeschlossen.

Auf Basis der Daten aus den vergangenen Jahren könne davon ausgegangen werden, dass Ellaone auch ohne Verschreibung sicher und effektiv angewendet werden könne, begründen die Experten ihre Empfehlung. Hinzu komme, dass das Medikament nach dem Geschlechtsverkehr so schnell wie möglich eingenommen werden sollte, um möglichst sicher vor einer Schwangerschaft zu schützen.

Da Ellaone auf einen Schlag in der EU zugelassen wurde, würde die Freigabe ebenfalls EU-weit gelten - unabhängig vom Willen der Bundesregierung. Anders ist es bei der Verschreibungspflicht der zweiten Pille danach, der seit Jahren etablierten Pidana mit dem Wirkstoff Levonorgestrel. Bei ihr obliegt es den Ländern, über eine Rezeptfreigabe zu entscheiden.

Ellaone fast doppelt so teuer

Während Frauen das Medikament etwa in Frankreich seit 1999 direkt in der Apotheke kaufen können, müssen Frauen in Deutschland noch immer erst zum Arzt. Zwar sprechen sich SPD und Opposition für eine Freigabe aus, die CDU um Gesundheitsminister Hermann Gröhe stemmte sich jedoch bis zuletzt dagegen. Dies könnte dazu führen, dass die neuere und teurere Pille danach Ellaone in Deutschland frei verfügbar wird, die länger etablierte Pidana aber rezeptpflichtig bleibt.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Entscheidung in Brüssel im Zweifelsfall auch bei der Pidana die monatelangen deutschen Streitigkeiten beenden würde. "Unser Ziel ist es, auch weiterhin eine gute Beratung für beide Präparate aus einer Hand sicherzustellen. Wenn diese Beratung aufgrund einer Brüssler Entscheidung zukünftig nicht mehr zwingend durch einen Arzt vorgenommen werden muss, ist eine intensive Beratung auch in den Apotheken der richtige Weg", erklärte Gröhe zu den aktuellen Entwicklungen. Das klingt nach einem Kurswechsel.

Beide Varianten der Pille danach haben Vor- und Nachteile: Während die Pidana spätestens 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr geschluckt werden muss, darf Ellaone bis zu 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Außerdem scheint sie bei Frauen, die mehr als 75 Kilo wiegen, besser zu wirken als das ältere Präparat. Dafür existieren für die neuere Pille Ellaone deutlich weniger Daten zur Sicherheit und sie ist knapp doppelt so teuer.

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Foto: Corbis

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PILLE DANACH: ARGUMENTE FÜR UND GEGEN DIE REZEPTFREIGABE

Pro:

  • Die Arzneimittel-Experten vom BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) haben in einer Prüfung keine medizinischen Argumente gefunden, die zwingend gegen eine Entlassung aus der Rezeptpflicht sprechen.
  • Die Familienberatung Pro Familia argumentiert, in ländlichen Gebieten sei der Zugang zu Ärzten am Wochenende, an Feiertagen oder in der Nacht nicht immer gewährleistet.
  • Die Weltgesundheitsorganisation WHO schreibt in einem Factsheet : "Für einen korrekten Gebrauch ist eine medizinische Überwachung nicht notwendig." Die Levonorgestrel-Präparate seien sicher, führten nicht zu einem Schwangerschaftsabbruch, und Nebenwirkungen seien selten und normalerweise gering.
  • Der von rot-grünen Bundesländern dominierte Bundesrat hatte im November die Rezeptfreiheit verlangt, um gerade jungen Frauen einen schnellen Zugang zu dem Präparat ohne Arztbesuch zu ermöglichen. Auf diese Weise würden letztlich auch Abtreibungen verhindert.
  • Laut Pro Familia gibt es noch immer "sehr viele" Krankenhäuser, die Frauen abweisen, wenn sie die Pille danach haben möchten.

Contra:

  • Die katholische Kirche argumentiert, das Präparat könne befruchtete Eizellen daran hindern, sich in der Gebärmutterschleimhaut einzunisten. Wissenschaftlich nachgewiesen ist das nicht.
  • Gröhe sagt, das Medikament habe in Einzelfällen schwere Nebenwirkungen und müsse daher von einem Arzt nach ausführlicher Beratung verschrieben werden. Außerdem sei ärztliche Beratung wichtig, da die verschiedenen Wirkstoffe abhängig vom Zeitpunkt der Einnahme und vom Körpergewicht der Frau unterschiedlich zuverlässig wirkten.
  • Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sprach sich im Deutschlandfunk für die weitere Rezeptpflicht aus, weil das deutsche System mit Beratung durch Ärzte so gut funktioniere. Es gebe in Deutschland trotz Verschreibungspflicht die wenigsten Teenager-Schwangerschaften aller Industrieländer der Welt.

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