Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Amilcar C8 Berline: Einer von zweien

Foto: Fabian Hoberg

Scheunenfund Amilcar C8 Berline Gammelleidenschaft

Vom Amilcar C8 Berline existieren weltweit nur noch zwei Exemplare. Eines hat ein leidenschaftlicher Sammler aus dem Münsterland ersteigert. Der beklagenswerte Zustand des Oldtimers schreckt ihn nicht ab.

Im Handschuhfach liegen die sterblichen Überreste eines Tieres. Auf dem Boden und im Motorraum stapeln sich Walnüsse. Die Sitze sind aufgerissen. Sie dienten jahrelang als Nachtlager und Futterkrippe für Mäuse. Die Bespannung des Daches ist zerfetzt, die Trittbretter zerbröseln. Spinnennetze verhängen kunstvoll den vergammelten Kofferraum.

Dieses Auto ist zwar vollständig, sieht aber aus wie eine Rostlaube und ist natürlich nicht fahrbereit.

Der Besitzer ist trotzdem glücklich mit dem Oldtimer. Der Amilcar C8 Berline ist eines von 59 Autos der Sammlung Baillon, des spektakulären Scheunenfunds aus Frankreich, der kürzlich in Paris versteigert wurde. Unter den teilweise stark angegilbten Preziosen war auch der verschollen geglaubte Ferrari 250 GT SWB California Spider von Alain Delon. In desolatem Zustand sind fast alle Autos, darunter Modelle der Marke Bugatti, Maserati, Talbot, Hispano Suiza und Rolls-Royce.

Der Verfall schreckte die Bieter nicht ab - auch nicht Remigius Einhaus. Der Autohändler aus Borken im Münsterland verkauft seit mehr als 25 Jahren Oldtimer und exklusive Neuwagen, sucht regelmäßig auf Auktionen in London, Maastricht, Monaco und Paris nach spektakulären Fahrzeugen. Er exportiert seine Schätze hauptsächlich nach Japan, Südamerika und in die USA. 90 Prozent seiner Kunden sind Händler und Wiederverkäufer, sein Netzwerk umfasst die ganze Welt. Originalität und die Historie der Fahrzeuge sind ihm wichtig.

Einer von zwei weltweit

Auch in Paris war Einhaus dabei und steigerte bei vier Autos mit. "Die meisten gingen sofort durch die Decke, die wurden mir schnell zu teuer", sagt er. Auch bei der Losnummer 25 trat er an. "Der Amilcar hat mir auf Anhieb gefallen. Weil er so selten ist, Charakter hat und dazu noch ein tolle Geschichte erzählen kann", sagt er.

Und die geht so: Die französische Firma Amilcar produzierte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts vornehmlich kleine und leichte Sportwagen. Die Zweisitzer nahmen mehrmals am legendären 24-Stunden-Rennen in Le Mans teil, ein Saloon-Aufbau bei der Rallye Monte Carlo. In Deutschland wurde der Amilcar in Lizenz als Pluto verkauft.

Mit den C8 Berline wollte das Unternehmen seinen Kundenkreis erweitern. Das Auto bot ein geschlossenes Fahrerhaus, fünf Sitzplätze und einen kleinen Kofferraum. Als Motor diente ein 2,3-Liter Reihen-Achtzylinder mit 58 PS, er brachte das Auto auf eine Spitzengeschwindigkeit von 120 km/h.

Zur damaligen Zeit war es ein eher ungewöhnliches Konzept: Amilcar wollte damit Kunden ansprechen, denen die reinen Zweisitzer zu sportlich waren und die mehr Komfort verlangten. Zwischen 1929 und 1931 entstanden etwa 350 Fahrzeuge. Heute existieren nur noch zwei Autos des C8 Berline - weltweit. Ende der Zwanzigerjahre wurde die Firma Opfer der Weltwirtschaftskrise, 1934 schloss die Fabrik.

Pariser Scheunenfund mit Millionenwert

Fotostrecke

Versteigerung von 60 Luxusautos: Protz mit Patina

Foto: Collection Baillon / Artcurial

Der C8 Berline war schon in den Sechzigerjahren selten genug, um den Autofan Roger Baillon zu interessieren. Der Transportunternehmer sammelte seit Anfang der Fünfzigerjahre Fahrzeuge, parkte sie in Schuppen und Baracken rund um sein Schloss. Sein Traum: Frankreichs erstes Automuseum zu gründen. Doch Baillons Unternehmen ging pleite, und er musste von den etwa 150 Autos rund 90 verkaufen. Der Rest blieb in den Hallen versteckt, bis ein Enkel des ehemaligen Besitzers den Nachlass sichten ließ und sich zur Versteigerung entschloss.

Das beauftragte Auktionshaus Artcurial schätzte den Wert der vergessenen Fundstücke anfangs auf rund 16 Millionen Euro - am Ende gingen die Rostlauben für insgesamt 25,12 Millionen Euro an neue Besitzer. Allein der Ferrari von Alain Delon brachte 14,2 Millionen Euro ein.

Der Amilcar war dabei eher ein Schnäppchen: Der Schätzpreis lag bei rund 7000 Euro, Einhaus erhielt den Zuschlag bei 26.000 Euro. Inklusive Gebühren und Steuern zahlte er 30.160 Euro. Viel Geld für ein unfahrbares Auto, aber mit Potenzial zur Wertsteigerung.

Nicht putzen, bitte!

Einhaus ist sich noch nicht sicher, was er mit dem Oldtimer machen will. Derzeit steht er in seinem Showroom in Borken, inmitten neuer Supersportwagen von Lamborghini, Porsche und McLaren. Der Berline wirkt neben dem blankpolierten Blech wie ein Fremdkörper - und doch wiederum nicht. "Der Amilcar ist eher ein Kunstwerk als ein normales Auto, eigentlich müsste er ins Museum", sagt Einhaus. Deshalb bleibt das Fahrzeug erst mal so, wie es ist, wird auf Oldtimermessen wie der Retro Classic in Stuttgart und der Techno Classica in Essen ausgestellt.

Für eine Restaurierung ist das Auto eigentlich zu schade, obwohl es fast komplett ist. Nur die beiden Scheinwerfer, die Kühlerfigur und ein Instrument fehlen. Die Türen lassen sich leicht öffnen, und sogar der Motor dreht, ist nicht festgerostet und zeigt sogar noch Kompression.

Einhaus achtet penibel darauf, dass der Oldtimer in der ansonsten reinen Halle nicht geputzt wird. Die großen Industrietore dürfen niemals alle gleichzeitig geöffnet werden. Denn Durchzug ist in der Halle nicht erwünscht - er könnte die Spinnennetze zerstören.