Der Oberleutnant, der als Flüchtling angeblich einen Anschlag begehen wollte: Bundeswehr hielt ihn schon 2014 für rechtsextrem

Von: Von A.HELLEMANN, J. VÖLKERLING und N.MERTENS

Ein Bundeswehr Offizier gibt sich als syrischer Kriegsflüchtling aus. Monatelang führt Franco A. (28) aus Offenbach ein Doppelleben, bis er schließlich mit einer Waffe erwischt und später als Rechtsextremist überführt und verhaftet wird.

Es ist ein Kriminalfall, der mit jedem neuen Detail, mit jeder neuen Spur noch unglaublicher und skandalöser wirkt. Und jetzt kommt auch noch heraus, dass der Bundeswehr seine fremdenfeindliche Gesinnung bereits seit 2014 bekannt war.

So hatte der Oberleutnant Ende 2013 an der französischen Militärakademie Saint-Cyr Fontainebleau seine Uni-Abschlussarbeit eingereicht. Aber: Weil der Inhalt zu rechtsradikal war, weigerten sich die Offiziellen, die Masterarbeit anzunehmen! Sie informierten nach Informationen der BILD am SONNTAG Franco A.s Vorgesetzten, meldeten, dass es Zweifel an dessen Grundgesetztreue gebe.

Anschließend wurde die Arbeit ans Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMS) weitergeleitet und auch dort untersucht.

Das Ergebnis: Der Schriftsatz zeugt von völkischem Denken!

Eigentlich hätte Franco A.s Bundeswehrkarriere hier enden müssen – doch der Offizier konnte sich herausreden: Bei der Masterarbeit handele es sich um einen Irrtum, er würde gar nicht so denken, er hätte sich nur in eine so denkende Person hineinversetzen wollen. Es würde ihm leidtun, dass er das nicht kenntlich gemacht hat.

Und tatsächlich bekam Franco A. eine zweite Chance: Er durfte eine neue Abschlussarbeit schreiben, die disziplinarischen Vorermittlungen wurden eingestellt.

Weder die fremdenfeindliche Masterarbeit noch die Vorermittlungen tauchen in seiner Bundeswehr-Personalakte auf. Im Verteidigungsminsterium arbeitet man nun mit Hochdruck daran, den Vorfall aufzuklären.

Staatssekretär Gerd Hoffe hatte am Samstag den Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Clemens Bindiger, telefonisch über die neuen Erkenntnisse informiert. „Wir klären rigoros auf, was geschehen ist, und ziehen wo nötig harte Konsequenzen“, so Ministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Unterdessen werden auch immer mehr Informationen über das Doppelleben von Franco A. als syrischer Flüchtling bekannt. So war der 28-Jährige seit Sommer 2016 als Syrer „David Benjamin“ in einer Unterkunft im bayerischen Erding registriert. Der Name hängt bis heute am Klingelschild.

Vermieter Fritz Steinberger (71) zu BILD am SONNTAG: „Es fiel allen auf, dass er nie dort schläft. Ich sprach ihn einmal an, weil es in seiner Ecke so unordentlich aussah. Er stellte sich taub.“

Der Vermieter weiter: „Die anderen im Zimmer beschwerten sich, dass der nie sauber macht, sich nicht beteiligt. Der Mann sei ganz komisch. ‚Nix sprechen unsere Sprache, kein syrische Mann‘ sagten sie mir.“

Insgesamt sei der Soldat wohl überhaupt nur zweimal in der Unterkunft gewesen. Den anderen Flüchtlingen erzählte Franco A., dass er in München übernachten würde. In Wahrheit leistete der Oberleutnant weiter seinen Dienst im Jägerbataillon 291 im französischen Illkirch.

Hassan (31), der als syrischer Flüchtling ebenfalls in Erding lebt, zur BILD am SONNTAG: „Ich schlief im selben Zimmer wie dieser Soldat, doch sein Bett blieb immer unbenutzt. Ich sah ihn zweimal. Das erste Mal verwickelte er einen Mitbewohner aus dem Iran in ein Gespräch. Nach zwei Stunden vereinbarten beide, dass der Iraner den Soldaten anruft, wenn Post für ihn ankommt. Als ich ihm mal begegnete, sagte er auf Deutsch: ‚Ich komme aus Syrien‘ und schob ein paar Brocken Arabisch hinterher.“

Vermieter Fritz Steinberger: „Mir fiel seine Frisur auf, die meisten Syrer haben ja kurze Haare, seine waren länger. Ich dachte mir gleich, der kommt nicht aus einem arabischen Kulturkreis.“

Die Behörden geraten nach den Enthüllungen um Franco A. immer weiter unter Druck. „Zur lückenlosen Aufklärung des Falls habe ich eine Untersuchungsgruppe im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingerichtet, die sehr rasch Ergebnisse vorlegen soll“, gab Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Samstag bekannt. Die Ergebnisse würden „zeitlich und inhaltlich“ mit den Untersuchungen im Verteidigungsministerium koordiniert.

Zuvor hatte der „Spiegel“ enthüllt, dass in der rund 90-minütigen Flüchtlingsbefragung grundsätzliche Standards missachtet wurden.

Insgesamt 16 Monate, vom 30. Dezember 2015 bis zum vergangenen Mittwoch, funktionierte das unfassbare Doppelleben des Soldaten – dann wurde er im Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg festgenommen.

Franco A. alias David Benjamin sitzt in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main ermittelt wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

War der falsche Flüchtling Teil eines Netzwerks?

Zudem überprüfen laut einem Zeitungsbericht die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und der Militärische Abschirmdienst (MAD) zwei langjährige Bekannte des mutmaßlich rechtsextremistischen Bundeswehr-Offiziers.

Es soll herausgefunden werden, ob A. Teil eines Netzwerkes war, zu dem auch diese beiden gehörten, berichtete die „Frankfurter Rundschau“.

Die Frage, ob ein solches Netzwerk existiert, ist demnach aber noch nicht abschließend beantwortet.

Bisher waren beide Behörden lediglich darauf gestoßen, dass der 28-jährige Oberleutnant der Bundeswehr, der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte, in Verbindung zu einem 24-jährigen ebenfalls rechtsextremistischen Studenten stand, bei dem zahlreiche Waffen gefunden wurden. Beide stammen aus Offenbach.

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