WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Kultur
  3. Literatur
  4. Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Margaret Atwood

Literatur Friedenspreis

Margaret Atwood erhält diesen Preis zu Recht

Herausgeberin Literarische Welt
Portrait de l'ecrivain canadienne Margaret Atwood, 2014 Photographie ©Leonardo Cendamo/Leemage [ Rechtehinweis: picture alliance/Leemage ] Portrait de l'ecrivain canadienne Margaret Atwood, 2014 Photographie ©Leonardo Cendamo/Leemage [ Rechtehinweis: picture alliance/Leemage ]
Die Finsternis der Gegenwart im Blick: Margaret Atwood.
Quelle: picture alliance / Leonardo Cend
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht an die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood, deren düstere Zukunftsvisionen aktueller denn je sind. Eine Entscheidung für die Literatur.

Die Entscheidung, an wen ein Preis geht, ist notwendigerweise immer auch eine Entscheidung, die der Zeitgeist trifft. Margaret Atwood – was will uns der Zeitgeist damit sagen? Dass der diesjährige Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an die kanadische Autorin geht, bedeutet zunächst: nach fünf Jahren, in denen der Preis Autoren verliehen wurde, die insbesondere durch Zeitkritik, Sachbuchbrillanz oder Widerstandshaltung aufgefallen waren, wird jetzt eine Frau ausgezeichnet, die vor allem eines ist: Literatin.

Atwood, 77, hat mehr als sechzig Bücher verfasst, Romane, Gedichte, Kurzgeschichten, Kinderbücher und Essays, in der englischsprachigenen Welt gilt sie spätestens seit „The Handmaid’s Tale“ („Der Report der Magd“) von 1985 als ruhige Meisterin dunkler Zukunftsszenarien.

Zwischen Kafka und Orwell

Der Roman ist angesiedelt zwischen Menschenzuchtsdystopie, Orwells „1984“ und Kafkas „Strafkolonie“. Er erzählt davon, dass in Amerika christliche Fundamentalisten die Macht übernommen und ein auf Frauenunterdrückung, Paranoia und Verachtung aufgebautes totalitäres Herrschaftssystem geschaffen haben.

Gerade erlebt er eine Renaissance. Der Roman ist mit Trumps Präsidentschaft wieder auf die amerikanische Bestsellerlisten geklettert; gerade ist seine Verfilmung als Fernsehserie erfolgreich gestartet. Und nun kommt noch der deutsche Friedenspreis dazu.

Der 1949 gegründete und mit 25.000 Euro dotierte Preis zeichnet seinen Statuten zufolge eine Persönlichkeit aus, die „durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat“. Aber was ist heute dieser „Friedensgedanke“; ist seine Form nicht umstritten, jedenfalls eine ganz andere als die, an die man wohl bei der Gründung des Preises dachte?

Immer auf der richtigen Seite?

Vergangenes Jahr hatte die Preisträgerin, die Publizistin Carolin Emcke, gefordert, man müsse ein „präzises Vokabular“ für „unsere Schmerzen an und in der Demokratie entwickeln“. Manchen erschien das wie die sphärische Neuauflage von „Ein bisschen Frieden“ für das von Populismus gebeutelte postnationale Zeitalter, anderen galt das empathische Sezieren unserer Staatsform als einzig sinnvoller Weg, noch sensibel auf deren aktuelle Krisen zu reagieren.

So oder so: Zuletzt hatte man vermuten können, auch dieser Preis wäre einer, bei dem sich ein bürgerlich-linksliberaler Kulturmillieukonsens etwas dünnstimmig selbst versichert, immer auf der richtigen Seite zu sein.

Im Fall von Margaret Atwood bestätigen sich solche Befürchtungen aber nicht – selbst dort, wo ihre Literatur zeitkritisch wird, bleibt sie Literatur, heißt: sie wird nicht mahnend, sondern absurd; wie jeder gute Dystopiker ist die Autorin auch eine Satirikerin. Spricht für die Atwood, spricht für den Zeitgeist.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema