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Hotel Adlon

Hotel Adlon Deutschlands erste Adresse

Hier betteten sich Präsidenten und Könige, hier wurde Glanz zu Asche, aus Ruinen erwuchs Neues: Das Schicksal des Berliner Hotels Adlon spiegelt die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts wider. 1907 wurde es eröffnet.

"Die Welt ist im Aufbruch, sie wartet nicht auf Deutschland. Aber es ist noch nicht zu spät. Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen." - Das Zitat des Bundespräsidenten Roman Herzog vom 26. April 1997 wird berühmt, der Gastgeber triumphiert: Vier Monate vor seiner Wiedereröffnung wird das Hotel Adlon am Pariser Platz in Berlin zum Ort des politischen Geschehens - und damit wieder zu einer der ersten Adressen in Deutschland.

Ein früherer Berliner CDU-Senator hatte sich im Hauptstadtmarketing engagiert und sich dafür eingesetzt, die "Berliner Rede" in dem von der Kempinski-Gruppe betriebenen Haus zu etablieren. Herzog, so der Plan, sollte mit seiner "Ruckrede" in die Geschichte eingehen - und der Veranstaltungsort gegenüber dem Brandenburger Tor gleich mit.

Die Legende

Die neuen Betreiber wollten an eine Legende anknüpfen: Das Adlon gilt seit seiner Eröffnung im Jahr 1907 als Gästehaus der Herrschenden. In den neunziger Jahren kommt es als Gästehaus der Bundesregierung ins Gespräch. Doch die Rechnung geht nicht auf.

Immerhin gleicht die Wiedereröffnung einem Staatsakt: Bundespräsident Herzog, vorgefahren in der Staatskarosse, schreitet am 23. August 1997 über den roten Teppich durch das Portal und durchtrennt das rot-goldene Band. Das Hotelmarketing wird später verbreiten, dass "das Adlon das einzige Hotel der Welt" sei, "das zwei Mal vom Staatsoberhaupt eröffnet wurde".

90 Jahre zuvor, am 23. Oktober 1907, war es Kaiser Wilhelm II. gewesen. Er wollte der erste Gast des Hauses sein, "seines" Hauses. Er selbst hatte dem ehrgeizigen Hotelier Lorenz Adlon geholfen, dessen Vision zu verwirklichen, hatte lästige Steine - wie den Denkmalschutz für das vor Ort zum Abriss bestimmte Palais Redern - aus dem Weg geräumt.

Der Historiker und Kurator der Ausstellung "100 Jahre Adlon", Wilfried Rogasch, beschreibt das Verhältnis zwischen Hotelier und Kaiser als "fast freundschaftlich": Lorenz Adlon und Prinz Wilhelm lernten sich beim Brand des Berliner Hotels Continental einige Jahre zuvor kennen. Pächter Adlon erstattete dem interessierten Prinzen Bericht über die Vorgänge und bemerkte nebenbei, dass man nun wohl ein neues, repräsentatives Hotel für die Reichshauptstadt bauen müsse.

Luxusherberge für eine Weltstadt

Kaum Kaiser geworden, fand Wilhelm II. in Adlon den Visionär, der ihm einen großen Wunsch erfüllte. Paris und London hatten es bereits - für seine Residenzstadt wollte auch er ein Luxushotel. Adlon baute für ihn. Mit knapp 20 Millionen Mark übertrafen die Baukosten deutlich die des zeitgleich fertig gestellten, 11,5 Millionen teuren Berliner Doms.

Trost für den anschließend hoch verschuldeten Hotelier: ein prominenter Werbeträger. "Kinder, geht doch zu Lorenz Adlon! Bei mir im Schloss ist es kalt, es zieht, und in den paar Badezimmern läuft das heiße Wasser nicht", soll der Kaiser oft bei Staatsbesuchen gesagt haben. Bis dato hatte man höfischen Gästen Logis in einem der eigenen Schlösser geboten. Vor allem weniger bedeutende Fürsten bestanden auf der strikten Einhaltung der Etikette. "Wilhelm II. tat alles, sie davon abzubringen", überliefert die spätere Hotelerbin Hedda Adlon.

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In ihrem Buch "Hotel Adlon. Das Berliner Hotel, in dem die große Welt zu Gast war" verdichtete Hedda Adlon, zweite Frau von Lorenz' Sohn Louis, in den 1950er Jahren Erinnerung und Legende. Ihre Aufzeichnungen geben Einblick in das Verhältnis der Nobelherberge zur Macht - in einer Zeit, als die Herrschaft im Staat nicht mehr beim Kaiser und im Hotel nicht mehr bei Lorenz Adlon lag.

Der Zar und der Fahrstuhl

Anekdoten ranken sich um das Adlon und seine Gäste. Etwa die Aufregung um den Besuch des russischen Zaren im Jahr 1913. Der Fahrstuhl des Hauses stellte das Protokoll vor ein unlösbares Problem: Das Zeremoniell des russischen Hofes kannte keine Verhaltensnormen für seine Benutzung. Wie sollte sich ein Zar gebührend in einem Fahrstuhl in die Höhe zuckeln lassen, so dass seine Würde gewahrt bliebe?

Aufregung gab es auch, weil nach Geheimdienstinformationen aus der Schweiz russische Anarchisten einen Anschlag auf den Zaren planten. Die Bombe wurde rechtzeitig gefunden. Der Attentäter auch: Es war der stellvertretende Hoteldirektor, der sich der sich wegen Spielschulden auf dieses Vorhaben eingelassen hatte. Der Zarenbesuch im Adlon selbst verlief dann programmgemäß - und dauerte gerade mal siebenunddreißig Minuten.

Neben Monarchen und Künstlern wie dem Tenor Enrico Caruso bevölkerten im Jahr 1914 neue Gäste das Hotel: "Während des ganzen Krieges stand kein Zimmer in unserem Haus leer. Behörde über Behörde etablierte sich in Berlin, und die maßgeblichen Leute dieser Behörden mieteten die Apartments auf Jahre hinaus", schreibt Hedda Adlon. Was die Mitarbeiter aus den Jahren 1914 bis 1918 erzählt hätten, sei ein Bericht vom "langsamen und qualvollen Sterben des kaiserlichen Deutschland."

Verhängnisvolles Vertrauen in die Monarchie

Der Untergang des kaiserlichen Deutschlands wurde auch zur persönlichen Katastrophe für Lorenz Adlon.

Während des Krieges hielt Lorenz Adlon zum Kaiser. Er weigerte sich auch dann noch, die Bronzebüste seiner Majestät aus dem Kaminsaal zu entfernen, als der Kaiser das Reich bereits in Richtung Holland verlassen und Philipp Scheidemann die Republik ausgerufen hatte. In dieser Republik kam Adlon nie ganz an.

1921 starb Adlon nach einem Unfall - im unbeirrten Vertrauen auf die alte Ordnung: Zwei Mal, 1918 und 1921, wurde er beim Versuch, den Pariser Platz zu überqueren, auf der mittleren Spur von einem Fahrzeug angefahren. Die mittlere Durchfahrt des Brandenburger Tores war ursprünglich dem Kaiser vorbehalten und daher selten frequentiert. In Adlons Gedankenwelt war sie eine sichere Verkehrsinsel geblieben - ein tragischer Irrtum.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Hotel "ein inoffizielles Parlament aller Nationalitäten, eine 'kleine Schweiz', also ein Ort, an dem man sich offiziell treffen und sich privat aussprechen konnte." So empfand es Hedda Adlon, deren Mann Louis das Haus nach dem Tod des Gründers weiterführte.

Hedda Adlon berichtet von prominenten Gästen wie Thomas Mann, Charlie Chaplin, Marlene Dietrich, Albert Einstein und Greta Garbo. Louis Adlon gab während der Zeit der Weimarer Republik den Grand Senior. Er liebte große Auftritte. "Er sah sich als Kosmopolit, pflegte Kontakte ins Ausland. Aber er war auch insoweit Opportunist, als dass er nach 1933 nicht die Koffer packte", urteilt Historiker Rogasch.

Hitlers schneller Einzug

Bereits am Tag von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war das Hotel ausgebucht. Besonders begehrt waren Zimmer mit Aussicht auf den triumphalen NS-Fackelzug. In der Empfangshalle stand nun eine neue Büste: Adolf Hitler. Das Außenpolitische Amt der NSDAP mietete Säle für Veranstaltungen.

"Louis Adlon konnte sich nicht dagegen wehren; eine Ablehnung wäre gleichbedeutend mit Selbstmord gewesen", schrieb seine Frau später. "So erlebten wir an solchen Abenden eine Invasion der Uniformen." Doch war es wirklich so einfach? Am 1. Februar 1940 traten Louis und Hedda Adlon der NSDAP bei. "Für einen Mann in seiner exponierten Position ein später Zeitpunkt. Nach allem, was wir wissen, war Louis Adlon kein überzeugter Nationalsozialist", schlussfolgert Rogasch.

Prominente aus der ganzen Welt versammelten sich noch einmal 1936 im Adlon. Könige, Prinzen und Thronfolger von Bulgarien, Italien, Schweden, Griechenland und vielen anderen Ländern besuchten die Olympischen Spiele in Nazi-Deutschland. Mit Beginn des Krieges gingen die Gästezahlen deutlich zurück - und reduzierten sich noch weiter, als Deutschland 1942 auch den USA den Krieg erklärte. "Mit dem Personal der amerikanischen Vertretung verließen auch die Journalisten, die letzten amerikanischen Gäste, das Hotel", erinnert sich die Hotelerbin.

Guter Wein in Kriegszeiten

Das wöchentliche Zusammentreffen von Diplomaten auf Einladung des Auswärtigen Amtes beschreibt Hedda Adlon als "gespenstische Nachahmung" des gesellschaftlichen Lebens einer vergangenen Zeit: "Da speiste dann die alte Prominenz der Reichshauptstadt, froh, nach dem Essen noch einen Schluck guten Rotweins zu erhalten!" Mit dabei: der Chirurg Ferdinand Sauerbruch, der Dirigent Wilhelm Furtwängler, die Schauspieler Paul Wegener, Gustaf Gründgens, Elisabeth Flickenschildt und junge Offiziere der Luftwaffe.

Als am 21. April 1945 die ersten Granaten Unter den Linden einschlugen, hörte das Hotel auf, Rechnungen zu schreiben.

Dann wurde das Adlon zum Lazarett. Für kurze Zeit. "In der Nacht zum 2. Mai ratterten russische Panzer durch das Brandenburger Tor, und früh um acht Uhr erschienen die ersten russischen Soldaten im Adlon. (...) Das Unheil begann aber erst richtig, als eine Truppe Rotarmisten auf der Suche nach Wertgegenständen den Weinkeller entdeckte", berichtet die Hausherrin.

Was genau passierte, bleibt unklar. Als wahrscheinlich gilt, dass einer der Russen seine brennende Zigarette in die Holzwolle warf, die zu Verpackungszwecken im Weinkeller lagerte. Vom Keller her breiteten sich Flammen aus. Langsam genug, um die Verwundeten in Sicherheit zu bringen. Am Ende stand nur noch der Wirtschaftsteil des Hotels. Der einstige Prachtbau war zerstört.

Louis Adlon sollte nie davon erfahren. Denn er überlebte das Ende des Krieges nur um wenige Tage. Von den Russen zum Verhör abgeholt, brach er auf dem Heimweg zusammen und starb.

Übernachtungsheim in volkseigenen Ruinen

Die Sowjetische Besatzungsmacht ordnete die Weiterführung des Hotels als volkseigener Betrieb an, denn überall in der Stadt fehlten Unterkünfte.

Im Oktober 1948 zogen Bertolt Brecht und Helene Weigel in die Adlon-Ruine ein - für ein halbes Jahr, bis ihr Haus in Berlin-Weißensee fertig war. Hedda Adlon vermerkte etwas später: Der einstige Wirtschaftsteil "bildet heute ein 'Hotel Adlon', das von der HO der Deutschen Demokratischen Republik geführt wird. (...) Was unter diesem Namen in Berlin noch steht, ist der notdürftig zusammengeflickte Rest einer Ruine, aus dem die Ostberliner Behörden eine Art von amtlichem Übernachtungsheim gemacht haben."

Die Witwe behielt die "Hoffnung, ein neues Hotel Adlon an der alten Stelle zu sehen, ein neues Hotel Adlon, das ich möglicherweise noch erleben werde..." Vorsorglich übertrug sie der Kempinski Hotelbetriebsgesellschaft das Ankaufsrecht auf das Grundstück und den Namen Adlon - für den Fall, dass es möglich sein würde, das Hotel an gleicher Stelle wieder aufzubauen.

Die DDR bewirtschaftete weiter das Provisorium. Am 29. Juni 1964 feierten der Bühnenbildner Horst Eilers und die Tänzerin Erna Lange ihre Hochzeit im Adlon - unter Kontrolle der Volkspolizei. Ein Dokument in ihrem Hochzeitsalbum erinnert an die besondere Lage, direkt an der Berliner Mauer. Die Behörden vermerkten: "Die Zahl der Gäste der Hochzeitsfeier sollte nicht 10 Personen überschreiten."

Noch 1976 nannte der DDR-Hotelführer das Zwei-Sterne-Haus in der Liste der Hotels in "Berlin, Hauptstadt der DDR" ganz am Ende. Die Qualitäten der Herberge lagen zu jener Zeit eher im Verborgenen.

"Eine Totgeburt"

1984 hatte das Adlon ausgedient. Mit Schreiben vom 8. März informierte der 2. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin das Politbüromitglied Egon Krenz über die bevorstehende Sprengung des Hotels. Krenz informierte Staatschef Erich Honecker. Der nahm das Schreiben am 9. März zur Kenntnis, wie ein Archiv-Dokument belegt.

Mit dem Fall der Mauer wurde die Vision Hedda Adlons Realität. Prominente und Staatsgäste strömten ins neue Haus: Bill Clinton, Michail Gorbatschow, George W. Bush, die Königinnen von England, Schweden und den Niederlanden, die Regierungschefs Chinas und fast aller europäischen Länder. "Wir sind das inoffizielle Gästehaus der Bundesregierung", sagt Adlon-Direktor Stephan Interthal.

Doch ein offizielles Gästehaus wird das Adlon nicht. Da ist der Finanzminister vor. Das offizielle Gästehaus steht in Meseberg, ein barockes Herrenhaus, 70 Kilometer nördlich von Berlin im Brandenburgischen. "Eine Totgeburt", meint Historiker Rogasch, "keine Konkurrenz" fürs Adlon. "Meseberg ist viel zu weit weg. Da wollen die meisten gar nicht hin." Für das Hotel am Pariser Platz spricht die Nähe zum Parlament, zum Regierungssitz, zu den großen Botschaften. Das Argument der kurzen Wege zog schon zur Kaiserzeit - neben dem vom fließenden Warmwasser.

Heute heißt das höchste Gut Sicherheit. Und wieder ist man der Regierung zu Diensten: 2006 weihte das Hotel seine neue Präsidentensuite ein - die laut Prospekt "sicherste Hotelsuite Deutschlands". Zu mieten im Hochsicherheits-Trakt samt umliegenden Räumen für 20.000 Euro pro Tag.