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Abgrenzungsmerkmal: Christoph Waltz und seine Bärte

Foto: obs/ Movember/ Tomo Brejc

Stil-Klassiker: Christoph Waltz über Bartmode "Gerade ist der Holzfäller modern"

Mal Vollbart, mal Moustache, mal glatt rasiert: Christoph Waltz hat schon viele Bärte getragen. Hier spricht der zweifache Oscar-Preisträger über haarige Phasen im Leben eines Mannes und eine gefährliche Mode namens Yoga.
Von Bettina Aust

In der Reihe "Stil-Klassiker" präsentiert SPIEGEL ONLINE Schätze aus dem Stil-Archiv. Dieser Artikel erschien zuerst im Dezember 2014.

Zur Person
Foto: © Olivia Harris / Reuters/ Reuters

Bei der Recherche zu einem Interview mit Christoph Waltz fällt einem neben den zwei Oscars und vielen anderen Dingen auch ein optisches Detail auf: Er ist seit Jahrzehnten ein Mann des Bartes. Der kann mal lang und struppig, kurz getrimmt, voll oder wie kürzlich auf dem Cover des Hipster-Magazins "Fantastic Man" ein Oberlippenbart sein. Ab dem 27. November ist Christoph Waltz mit dem neuen Terry-Gilliam-Film "The Zero Theorem" und mit der Komödie "Kill the Boss 2" gleich zwei mal in den deutschen Kinos zu sehen. Eine gute Gelegenheit, mit dem 1956 in Wien geborenen Schauspieler über Bärte zu sprechen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Waltz, Sie und Ihr Bart führen seit Jahren eine Art On-Off-Beziehung. Mal haben Sie sich einen für einen Film wachsen lassen, mal einfach so, dann sind Sie wieder glatt rasiert. In welcher Phase befinden Sie sich gerade?

Waltz: Im Moment lasse ich mir gerade wieder einen Schnurrbart wachsen. Denn es gibt in den USA eine Wohltätigkeitsorganisation, die nennt sich "Movember", und die finanziert Recherche und Forschung auf dem Gebiet der Prostataerkrankungen und des Hodenkrebs.

SPIEGEL ONLINE: Und was hat der Schnurrbart mit der Prostata zu tun?

Waltz: Um die Unterstützung für diese Sache an die Öffentlichkeit zu tragen, lassen sich viele einen Schnurrbart wachsen. Das ist mittlerweile wirklich schon auffällig, all die Schnurrbärte, die auf den Oberlippen sprießen. Die Verbindung zu "Movember" wird sofort hergestellt. Klingt lächerlich, ist aber unglaublich effektiv.

SPIEGEL ONLINE: Wenn das Gesichtshaar nicht gerade für den guten Zweck wächst, wann ist bei Ihnen Bartzeit?

Waltz: In der Phase, wenn ich mich nicht rasiere. Da sind keine großen philosophischen Erwägungen im Spiel.

SPIEGEL ONLINE: Sie tragen also einen unkalkulierten Bart?

Waltz: Genau. Höre ich auf mich zu rasieren, dann wächst der Bart.

SPIEGEL ONLINE: Was ändert sich in Ihrer Selbstwahrnehmung, wenn Sie einen Bart tragen?

Waltz: Nicht viel. Wenn ich es nicht gewohnt wäre, würde sich wahrscheinlich viel verändern. Man könnte sich dahinter verstecken und man sieht älter oder jünger aus. Aber wenn man zweimal einen Bart gehabt hat, ist dieser Effekt verpufft.

SPIEGEL ONLINE: Wie gefallen Sie sich denn besser, mit oder ohne Bart?

Waltz: Kommt auf den Bart an. Gottlob steigt man nie in den selben Fluss zweimal, wie wir wissen. Deswegen findet man sich auch je nach Bart immer unterschiedlich.

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"The Zero Theorem": Angriff der Klon-Angestellten

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SPIEGEL ONLINE: Was kommt zu Hause besser an, mit oder ohne?

Waltz: Ohne. Ganz entschieden.

SPIEGEL ONLINE: Was ist Ihre Theorie zum Revival des Bartes, gerade bei sehr jungen Männern?

Waltz: Ich wünschte, es läge an irgendeiner Veränderung des Selbstbewusstseins oder ein bisschen an einer "Zurück zur Natur"-Philosophie. Ich glaube aber, es ist gerade nur schick und eine Modesache. Diesmal ist es eben wild wuchernder Bartwuchs, wild wuchernd ist schon wichtig. Vor ein paar Jahren, aber darüber ist man schon hinweg, war es der ganz kurz gepflegte Yuppie-Bart. Jetzt ist es der wilde Ausdruck der ungezähmten Jugend. Im Prinzip ist der Holzfäller-Bart gerade modern.

SPIEGEL ONLINE: Fühlen Sie sich mit Bart männlicher?

Waltz: Kein bisschen. Nur behaarter.

SPIEGEL ONLINE: Wie hat sich Ihr Stil entwickelt?

Waltz: Ähnlich wie bei allen anderen Menschen auch. Beispiele, Vorlieben, Abneigungen, Möglichkeiten, Notwendigkeiten, was die Jahreszeiten und die geografischen Unterschiede betrifft. Wenn ich in Los Angeles bin, ist es deutlich wärmer, das verändert natürlich so ein bisschen meinen Stil, speziell im November.

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Buch über Bärte: Haare im Gesicht

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SPIEGEL ONLINE: Wie modisch darf ein Mann sein?

Waltz: So modisch wie er will. Der andere muss tragen dürfen, was mir nicht gefällt. Sonst sind wir ja sowieso schon dort, wo ich fürchte, wo wir eines Tages landen werden.

SPIEGEL ONLINE: Wo landen wir denn?

Waltz: In einer faschistoiden Katastrophe.

SPIEGEL ONLINE: Meinen Sie das stilistisch oder auch politisch?

Waltz: Das eine hat ja dann möglicherweise mit dem anderen zu tun. Also stellen Sie sich vor, wir müssten alle Mao-Anzüge tragen. Ich verstehe, woher der Gedanke kommt und ich kann den Gedanken nachvollziehen. Aber ich würde niemandem aufs Auge drücken wollen, dass er so einen Anzug zu tragen hat.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind Repräsentant der Marke Prada. Warum ausgerechnet diese Marke?

Waltz: Ach, das hat mit der Chefin Miuccia Prada zu tun. Sie ist eine ganz wunderbare Frau, mit der man die interessantesten Abende verbringen kann, bei denen über Mode wirklich nicht ein Wort fällt. Sie ist eine ganz herausragende Persönlichkeit. Und dann hat sich das so ergeben.

SPIEGEL ONLINE: Viele Ihrer Kollegen in Hollywood suchen Entspannung, indem sie Yoga praktizieren. Sind Sie ein Yoga-Mann?

Waltz: Ich bin kein Yoga-Mensch. Ich halte Yoga für schädlich. Yoga ist selbst für Inder schädlich. Aber die sind näher dran. Yoga ist ähnlich wie Bart, das ist eine Mode. Ich habe von einer mir befreundeten Orthopädin gehört, dass es mittlerweile mehr Yoga- als Skiverletzungen gibt.

SPIEGEL ONLINE: Trotzdem gilt Yoga bei uns im Westen als eine Art der Entspannung. Wie machen Sie sich wieder frei von Verspannungen?

Waltz: Ich mache mich frei von Verspannungen, wenn ich sie bemerke. Und nicht, wenn ich irgendwo hinfahre, um mich frei von Verspannungen zu machen. Das wäre ja dann nur eine andere Art der Verspannung. Wenn es mir auffällt, dass ich verspanne, dann versuche ich, mich davon frei zu machen. Dieser forcierte Freizeitstress, den finde ich am schlimmsten. Da ist mein Arbeitsstress ein Kindergarten dagegen.