https://queer.de/?26435
Immerhin ein paar Parlamentarier hat die Debatte um die Rechte von LGBT-Jugendlichen interessiert (Bild: Parlamentsfernsehen)
- 23. Juni 2016, 18:51h 4 Min.
Der Bundestag hat über queere Jugendliche debattiert. Alle waren sich einig, dass Diskriminierung falsch ist – gleiche Rechte lehnt die Union trotzdem ab.
Von Dennis Klein
45 Minuten Zeit nahm sich das deutsche Parlament am Donnerstagnachmittag für den grünen Antrag "Jung, queer, glücklich in die Zukunft ‒ Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Jugendliche stärken" (PDF). In dem Papier werden unter anderem Aufklärungskampagnen, Aktionspläne und Unterstützungsangebote für LGBT gefordert. "Diskriminierungsfreies Aufwachsen für alle Jugendlichen" sei "eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", heißt es darin.
Die Debatte war geprägt vom Orlando-Massaker, das elf Tage vorher stattgefunden hatte. Antragsstellerin Beate Walter-Rosenheimer von den bayerischen Grünen bekräftigte als erste Rednerin daher ihre Hoffnung, dass dieser Anschlag in der Bundesregierung einen Ruck auslösen wurde – ebenso wie die vergangene Woche vorgestellte "Mitte"-Studie, nach der der Hass auf Homosexuelle in der deutschen Gesellschaft wieder ansteigt (queer.de berichtete).
"Wir wollen, dass queere Menschen nicht mehr das Gefühl der Verwundbarkeit haben, das Gefühl nicht dazuzugehören, weil man nicht heterosexuell liebt", so Walter-Rosenheimer. Trotz der Lebenspartnerschaft stoße schwul, lesbisch oder queer zu leben hierzulande noch immer auf "massive Ablehnung". In Richtung Union appellierte sie: "Lassen Sie uns zusammenstehen gegen Homophobie und gegen Transphobie".
In der Union wurde das durchaus gehört, wie die Rede der CSU-Politikerin Gudrun Zollner zeigte. "Jedes Kind ist ein Geschenk Gottes", begann sie ihre Ausführungen, dabei sei es egal, welche sexuelle Orientierung es habe. Homophobie und Anschläge wie in Orlando verurteilte sie auch im Namen ihrer Fraktion "aufs Schärfste". Die in der Frauen-Union engagierte Niederbayerin wünschte sich mehr LGBT-Sichtbarkeit sowie mehr Coming-outs; auch Politiker müssten Vorbilder sein. Für diese Aussagen erhielt sie viel Applaus von der Opposition, wohl mehr als von ihrer eigenen Fraktion.
Ohne Not brach die Einigkeit dann aber auseinander, als Zollner die Opposition aufforderte, doch endlich mit den "parteipolitischen Attacken" um "das Wort mit drei Buchstaben" aufzuhören. Sie forderte also insbesondere in Richtung Grüne, das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben endlich zu akzeptieren.
Daraufhin änderte sich die Atmosphäre und es kam es zu irritierten Zwischenfragen der Grünenpolitiker Renate Künast und Volker Beck. Die CSU-Politikerin versteifte sich daraufhin auf Aussagen wie: "Wie das im Endeffekt heißt, ist nicht relevant." Da sie das Wort "eingetragene Lebenspartnerschaft" auch nicht möge, schlug sie "Lebensbund" als Bezeichnung für die Verbindung von schwulen und lesbischen Paaren vor. Dann sagte sie, man könne es einfach "verheiratet" nennen, obgleich dieser Begriff ebenfalls gegenwärtig auf Heterosexuelle beschränkt ist. Anschließend kündigte sie die Ablehnung für den grünen Antrag an, da die Vorschläge darin Ländersache seien. Viele warme Worte – aber kein Entgegenkommen.
Immerhin, so erklärte ihr Folgeredner Harald Petzold von der Linksfraktion, habe er als ermutigendes Zeichen aus Zollners Rede entgegengenommen, dass es eine Diskussion in der Union gebe. Er appellierte an Zollner, mit Angela Merkel über deren Bauchgefühl zu reden, mit dem die Kanzlerin im letzten Bundestagswahlkampf die Ablehnung für die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben begründet hatte. Es gebe "leider einen Zusammenhang zwischen der Nichtgewährung gleicher Rechte" und Homophobie, so Petzold.
Nach ihm appellierte die SPD-Abgeordnete Susann Rüthrich, dass insbesondere an Schulen mehr gemacht werden müsse. Da das Grundgesetz die freie Entfaltung von Jugendlichen garantiere, müsse die Pathologisierung von Homosexualität aufhören und das Thema endlich entsprechend in Schulbüchern aufgenommen werden.
Der CDU-Politiker Markus Koob betonte, dass Homophobie wie Ausländerfeindlichkeit bekämpft werden müsse. "Es ist kein Lifestyle, den man sich aussuchen und wechseln kann", so der Abgeordnete aus Hessen. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verurteilte er "aufs Schärfste" und bezeichnete sie als "Angriff auf die gesamte Gesellschaft".
Doch den Antrag der Grünen wolle er trotzdem nicht unterstützen: Vielmehr kritisierte er die "Bevormundung" der Länder durch den Bund, die ja ihre Schulpläne selbst erstellen dürften. Die Erstellung von Informationsmaterialien zum Thema sei auch nicht notwendig, denn davon gebe es heute schon ausreichend. Der Rest des Antrags bestehe seiner Meinung nach lediglich aus "viel neuen Bürokratiestrukturen".
Als letzter Redner ging noch der SPD-Politiker Karl-Heinz Brunner in den Ring. Er bedauerte vor allem, dass die gesellschaftliche Reaktion nach dem Orlando-Anschlag ganz anders als nach "Charlie Hebdo" gewesen sei. Damals seien die sozialen Netzwerke mit "Je suis Charlie" gefüllt gewesen, jetzt habe es aber keine ähnlichen Bekundungen à la "Je suis gay" gegeben.
Brunner verwies darauf, dass gerade – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – ein Nationaler Aktionsplan gegen Homophobie geplant sei. Die Bundesregierung hatte ihn für Anfang 2017 angekündigt (queer.de berichtete). Außerdem beschwor Brunner, dass alle Menschen egal welcher sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität gleich behandelt werden müssten. Ein Angriff auf LGBT sei "auch ein Angriff auf unsere Gesellschaft, unsere Freiheit". Seine Rede schloss er mit den Worten: "Wir sind Deutschland".
Der Antrag der Grünen wurde in die Ausschüsse verwiesen.