Frau Kemfert, Deutschland droht sein Klimaziel zu verfehlen. Bis 2020 sollten klimaschädliche Emissionen um 40 Prozent unter den Wert von 1990 gesenkt werden. Davon ist man noch weit entfernt. Warum wird das voraussichtlich nicht gelingen?

KemfertMan hat im vergangenen Jahrzehnt drei Dinge versäumt beherzt anzugehen: Es reicht nicht, nur den Atomstrom durch erneuerbare Energien zu ersetzen, man hätte einen Kohleausstieg einleiten müssen. Aufgrund von fehlenden klimapolitischen Maßnahmen ist der Anteil von Kohlestrom enorm hoch. Zudem fehlt eine nachhaltige Verkehrswende, die Emissionen im Verkehrssektor sind so hoch wie seit 20 Jahren. Der Dieselskandal ist Anlass genug, um die Weichen endlich in Richtung Elektro- und klimaschonende Mobilität umzusteuern. Zudem muss mehr getan werden, um Energie einzusparen. Insbesondere im Gebäudebereich gibt es sehr große Einsparpotenziale.

Hat Kanzlerin Angela Merkel zu viel versprochen, als sie im Wahlkampf versichert hat, das Ziel doch noch einzuhalten?

KemfertSie muss, wenn sie die Klimaziele wirklich erreichen will, sofort die ineffizientesten und alten Kohlekraftwerke abschalten, also die Kohlekraftwerke, die vor 1990 gebaut wurden. Damit wird zwar das Klimaziel auch nicht ganz zu erreichen sein, aber man würde ihm näher kommen. Auch sollten aufgrund der langen Zeitzyklen im Verkehrs- und Gebäudebereich gleichzeitig alle anderen Maßnahmen eingeleitet werden.

Ist die 40-Prozent-Marke zu ehrgeizig oder war die bisherige Klimaschutzpolitik zu wenig ambitioniert?

KemfertLetzteres. Die Klimapolitik der letzten Jahre hat völlig versagt. Der Emissionsrechtehandel, der CO 2 einen Preis gibt, ist zwar auf EU-Ebene etwas repariert worden, die Preissignale reichen aber nicht aus, um effektiven Klimaschutz zu bewirken. Der Ausbau erneuerbarer Energien wurde gedeckelt. Ein Kohleausstieg hätte eingeleitet werden müssen, zudem alle anderen Sektoren auf Klimaschutz ausgerichtet werden müssen. Das ist versäumt worden.