CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner : „Deutschland ist kein Selbstbedienungsladen“

Merkels Kronprinzessin spricht in der BILD am SONNTAG Klartext

Julia Klöckner: „Deutschland ist kein Selbstbedienungsladen“

Julia Klöckner ist Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz

Foto: Niels Starnick
Von: Von SEBASTIAN PFEFFER und NIELS STARNICK

Julia Klöckner (43) ist die Spitzenkandidatin der CDU für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 13. März. Das Land wird seit 25 Jahren von der SPD regiert.

In aktuellen Umfragen liegt Klöckners Partei bei 36 bis 38 Prozent – vor der SPD mit 31 bis 32 Prozent. Klöckner ist seit 2012 auch Stellvertreterin von CDU-Chefin Angela Merkel. Die gebürtige Rheinland-Pfälzerin ist katholisch, kinderlos und mit einem Medienmanager liiert.

Wir treffen Julia Klöckner im Mainzer Café „Citrus" ganz nah am Rhein. Die CDU-Spitzenkandidatin kommt von einem Termin und eilt nach eineinhalb Stunden Gespräch direkt zum nächsten. Den Stress des Wahlkampfs und der Fastnacht lächelt sie konsequent weg.

BILD am SONNTAG: Frau Klöckner, morgen ist Rosenmontag. Können Sie nach der Silvesternacht als Frau unbeschwert feiern gehen?

JULIA KLÖCKNER: Ich kann die Sorgen vieler Frauen gut nachvollziehen. Aber nicht wir Frauen müssen unser Verhalten verändern. Wir leben in einem freien Land. Dafür wurde gekämpft, das geben wir nicht auf.

Wie wichtig sind friedliche Fastnacht und Karneval für die Stimmung im Land?

Klöckner: „Wenn wir wie gewohnt feiern können, dann ist das natürlich gut für die Stimmung. Die Landesregierungen sind in der Pflicht, für mehr Polizei und die nötige Sicherheit zu sorgen.”

Als was gehen Sie?

Klöckner: „Schon seit Jahren laufe ich beim Mainzer Rosenmontagsumzug als Mitglied der Ranzengarde mit, ganz klassisch in der traditionellen Gardeuniform.”

Markus Söder hat sich gerade als Edmund Stoiber verkleidet. Wäre ein Kostüm „Angela Merkel“ etwas für Sie?

Klöckner: „Die Kanzlerin ist einzigartig, sie braucht kein Double.”

Hat es Sie überrascht, wie harsch die Kritik an der Kanzlerin ausgefallen ist?

Klöckner: „Wir sind in einer Ausnahmesituation. Wenn solche Vorfälle wie in der Silvesternacht passieren, emotionalisiert das natürlich uns alle. Weil sich jeder in diese Lage hineinversetzen kann. Die Menschen erwarten dann verständlicherweise schnelle Antworten, wie zum Beispiel mehr Polizisten und Videoüberwachung. Grundsätzlich: Angela Merkel packt die Flüchtlingskrise energisch an, auf allen Ebenen. Nur deshalb kommen wir überhaupt voran.”

Trotz Dauerstress zeigt Klöckner ihr Dauerlächeln.  Mit dabei ist der Kommunikationsdirektor der Landes-CDU, Olaf Steenfadt

Trotz Dauerstress zeigt Klöckner ihr Dauerlächeln.  Mit dabei ist der Kommunikationsdirektor der Landes-CDU, Olaf Steenfadt

Foto: Niels Starnick

Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann betet für die Kanzlerin, Horst Seehofer (CSU) denkt über eine Lösung ohne Angela Merkel nach. Ist das nicht merkwürdig?

Klöckner: „Viele Menschen beten für die Kanzlerin, auch in der CSU. Bayern leistet in der Flüchtlingskrise hervorragende Arbeit und ist als Grenzland enormen Belastungen ausgesetzt. Ich persönlich hätte in der Auseinandersetzung einen anderen Ton gewählt.”

Derzeit kommen immer noch 3000 Flüchtlinge täglich, aufs Jahr gesehen wäre das wieder eine Million. Reicht das jetzt beschlossene Asylpaket II aus, um die Zahlen spürbar zu senken?

Klöckner: „Wenn der automatische Familiennachzug ausgesetzt wird, wie das jetzt beschlossen ist, wird ein sprunghafter Anstieg vermieden. Ich erwarte von den Bundesländern außerdem, dass sie noch im Februar im Bundesrat zustimmen, Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Das muss jetzt schnell gehen. Hätten wir die Balkanstaaten früher als sicher deklariert und hätten die rotgrünen Länder hier nicht auf der Bremse gestanden, wären heute 150 000 Flüchtlinge weniger bei uns.”

Der Familiennachzug wird nur bei einem relativ kleinen Teil der Flüchtlinge ausgesetzt. Wie soll das zu einer spürbaren Reduzierung führen?

Klöckner: „Es geht um die Signalwirkung. In den Herkunftsländern wird genau registriert, welche Entscheidungen Deutschland trifft. Innerhalb Syriens gibt es mehr als sechs Millionen Binnenflüchtlinge, weitere Millionen in der Türkei. Wenn es Anreize oder falsche Vorstellungen gibt, machen sich die Menschen auf den Weg. Dort müssen wir ansetzen.”

Wie soll mit den Menschen umgegangen werden, die schon hier sind?

Klöckner: „Deutschland ist kein Selbstbedienungsladen und auch kein Kuchen, aus dem man sich nur die Rosinen rauspicken kann. Wo Rechte sind, sind auch Pflichten. Das gilt für jeden. Deshalb brauchen wir eine Integrationspflicht und zwar gesetzlich verankert. Wir dürfen das nicht dem Zufall überlassen. Wer diese Pflichten bei uns nicht akzeptiert, muss dann eben wieder gehen in ein Land, das ihm besser passt.”

Weil sonst mit den Menschen auch die Probleme der Regionen zu uns kommen?

Klöckner: „Viele Fluchtländer sind ja gerade keine aufgeklärten Rechtsstaaten. Sitten und Gebräuche von dort stehen manchmal im Widerspruch zu unserer Werteordnung. Deshalb müssen wir klipp und klar machen, dass Meinungsunterschiede und Religionsfragen hier nicht mit Gewalt ausgetragen werden und dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Wir müssen Integration viel konsequenter angehen. Nicht nur fördern, sondern auch fordern. Gerade bei den vielen jungen Männern, die aus Staaten kommen, in denen das Recht des Stärkeren gilt, muss der Staat klare Ansagen machen und darf keine Schwäche zeigen, die dann falsch verstanden wird.”

Julia Klöckner im Gespräch mit Sebastian Pfeffer

Julia Klöckner im Gespräch mit Sebastian Pfeffer

Foto: Niels Starnick

Die Union beklagt, dass zu viele junge Männer gekommen sind und will gleichzeitig deren Familiennachzug verhindern. Ist das kein Widerspruch?

Klöckner: „Wenn Väter ihre Söhne in ihrem falschen Frauenbild noch bestärken, hilft uns das sicher nicht. Außerdem gibt es eine faktische Belastungsgrenze. Deutschland hat jetzt schon Schwierigkeiten, die Menschen vernünftig unterzubringen. Also sagt der gesunde Menschenverstand, dass nicht auch noch von heute auf morgen alle Familien kommen können.”

Wie lange kann Deutschland noch auf die europäische Lösung warten?

Klöckner: „Wir unterstützen die Bundesregierung, die Flüchtlingskrise europäisch zu lösen. Die Bundeskanzlerin arbeitet Tag und Nacht dafür und geht an die Grenze des körperlich Machbaren. Sie hält Europa zusammen. Das heißt nicht, dass wir allein vom Wohlwollen der Europäer abhängen sollten. Deshalb habe ich in meinem Plan „A2“ vorgeschlagen, zweigleisig zu fahren, damit wir schneller vorankommen.”

Wann müssen wir uns für ein Gleis entschieden?

Klöckner: „Der nächste EU-Gipfel ist eine Zäsur. Da muss sich zeigen, ob die europäischen Staaten nur auf eigene Vorteile aus sind oder eine Wertegemeinschaft bilden. Spätestens dann müssen wir entscheiden, wo es langgeht. Es hilft nichts, immer von der Sicherung der EU-Außengrenzen und von Hotspots zu reden, sie müssen dann auch im Einsatz sein.”

Ist die Schließung der deutschen Grenzen für Sie eine letzte Option?

Klöckner: „Die Konsequenzen wären fatal. Die deutsche Wirtschaft ist gerade deshalb stark, weil sie „just in time“ produziert und liefert, über Ländergrenzen hinweg. Wir würden massiv Arbeitsplätze verlieren und obendrein die europäische Idee zerstören.”

Kostet Angela Merkel Sie im Wahlkampf Stimmen?

Klöckner: „Die Kanzlerin hat uns bei Bundestags- und Europawahlen große Zustimmung gebracht. Ich halte nichts von Opportunisten, die sich nur dann gern mit Menschen zeigen, wenn diese populär sind und bei ein bisschen Gegenwind so tun, als hätten sie sie nie gekannt. Wer Haltung und Rückgrat hat, ist auch in Krisenzeiten da.”

Heißt Rückgrat haben dann auch, bei der Landtagswahl am 13. März auf ein paar Prozentpunkte zu verzichten?

Klöckner: „Wir liegen in den Umfragen vorn. Trotzdem bin ich demütig, weil am Ende das Wahlergebnis zählt. Aber es zeigt sich, und wir hören das auch jeden Tag, dass die Wähler unsere konstruktive Haltung unterstützen und den Wechsel wollen.”

Der Spitzenkandidat der AfD in Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, sagt, Julia Klöckner sei in der Flüchtlingsfrage gar nicht so weit weg.

Klöckner: „Oh doch, wir sind sehr weit weg. Ich lehne es ab, auf wehrlose Menschen zu schießen, und ich will keine Abriegelung, sondern Arbeitsplätze erhalten.”

In Ihrem Wahlkampfteam sind doppelt so viele Männer wie Frauen. Warum?

Klöckner: „Wir trauen auch Männern etwas zu!”

Es braucht keine Quote fürs Wahlkampfteam?

Klöckner: „Wichtig ist, dass richtige Entscheidungen getroffen werden und nicht welchen Klang der Vorname hat. Die Mischung macht’s.”

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