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Schmerztherapie Gericht erlaubt Schwerkranken Cannabis-Anbau

Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden: Schmerzkranke dürfen für den Eigenbedarf Cannabis anbauen - zu therapeutischen Zwecken. Es ist das erste Mal, dass in Deutschland solche Genehmigungen erteilt werden.
Legalize it!: Schwerkranke sollen legal Cannabis anbauen dürfen

Legalize it!: Schwerkranke sollen legal Cannabis anbauen dürfen

Foto: Christopher Furlong/ Getty Images

Drei Schmerzpatienten haben es geschafft: Sie dürfen Cannabis zu therapeutischen Zwecken selbst anbauen. Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem spektakulären Urteil entschieden, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)  ihnen diese Genehmigung erteilen muss.

Alle Kläger leiden nach Angeben des Gerichts unter chronischen Schmerzen und besitzen eine Erlaubnis zum Erwerb und therapeutischen Konsum von Cannabisblüten. Sie wollten die zu therapeutischen Zwecken notwendige Menge an Cannabis selbst anbauen und verarbeiten, da sie die Kosten für den Erwerb des Cannabis nicht aufbringen könnten und die Kosten in ihren Fällen auch nicht von den Krankenversicherungen übernommen würden. Ihre Anträge auf Zulassung des eigenen Anbaus von Cannabis habe das BfArM jedoch abgelehnt, heißt es in einer Pressemitteilung des VG Köln.

Das Gericht unter Vorsitz des Medizinrechtlers Andreas Fleischfresser hat sich jeden Fall einzelnen angeschaut, sagt ein Sprecher SPIEGEL ONLINE. In drei Fällen waren alle Voraussetzungen für den Selbstanbau geben - die Wohnsituation sei so gestaltetet, dass sich niemand Fremdes an den berauschenden Blüten bedienen könne. Auch hatten die Schmerzpatienten alle anderen möglichen Therapien erfolglos durchlaufen - für sie gibt es keine andere Option außer Cannabis.

Jetzt kommt es auf das BfArM an

In einem Fall war die Wohnung des Schmerzpatienten - zwei Zimmer - schlicht zu klein, als dass ein "gesicherter Anbau möglich wäre", erklärte ein Richter. Der Kläger könne schon mit einem Umzug in eine größere Wohnung eine neue Situation schaffen - seinem Wunsch auf Selbstanbau stünde dann sicher nichts entgegen.

Im fünften Fall geht die Kölner Kammer davon aus, dass der Kläger noch nicht alle zumutbaren Behandlungsalternativen ausgeschöpft habe. Daher wies das Gericht diese Klage ab.

Mit seiner Entscheidung kritisiert Fleischfresser ganz direkt die Politik. Den Cannabis-Anbau habe er in den drei Fällen ausnahmsweise erlaubt, als "Notlösung". Dies habe mit dem Missstand zu tun, dass die Kostenfrage nicht geklärt sei. "Das zu lösen, wäre für den Gesetzgeber eigentlich ein Leichtes." Die Krankenkassen könnten verpflichtet werden, für Cannabiskraut aus den Apotheken die Kosten zu übernehmen.

Die Entscheidung des Gerichts war mit Spannung erwartet worden. In der mündlichen Verhandlung am 8. Juli darauf hingewiesen, dass es in den Verfahren nicht um eine "generelle Freigabe" von Cannabis gehe. Vielmehr müsse stets "in besonders gelagerten Ausnahmefällen" geklärt werden, ob ein Eigenanbau zum therapeutisch erforderlichen Eigenkonsum zugelassen werden kann.

Nun kommt es also auf das BfArM an. Nimmt es die Entscheidung aus Köln an, dürfen drei Deutsche erstmals ganz legal Cannabis in ihrer Wohnung anbauen - zu therapeutischen Zwecken. Legt es Berufung ein, würde die Entscheidung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster verhandelt.

In früheren Fällen hatte das Bundesinstitut, das dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt ist, 2010 und im April diesen Jahres in einer internen Stellungnahme erkennen lassen, dass es dem Ansinnen der Schmerzpatienten folgen würde - damals intervenierte aber das Gesundheitsministerium. Das Interesse des Patienten "an einer Versorgung und Behandlung mit selbst angebautem Cannabis in seiner Privatwohnung" müsse zurückstehen gegenüber "dem Schutzinteresse der Bevölkerung."

Das Bundesinstitut aus Bonn und auch das BMG wollen sich derzeit nicht zum Kölner Entscheid äußern. Eine Gesamtbewertung könne nur auf Basis der schriftlichen Urteilsbegründung vorgenommen werden, erklären die Sprecher beider Häuser unisono. "Sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, werden wir diese selbstverständlich gründlich prüfen."

Hinweis der Redaktion: In der ursprünglichen Version dieses Artikels waren Quellen nicht vollständig angegeben. Wir haben diese Angaben ergänzt und bitten um Entschuldigung!