NSU-Nebenklage| Noch mehr zum Verfassungsschützer Andreas Temme


Der heutige Verhandlungstag stand im Zeichen der erneuten Vernehmung des Kasseler Verfassungsschutzmitarbeiters Temme und seiner Ehefrau. Wie schon berichtet, hatte die Nebenklage im Wege der Akteneinsicht beim Bundeskriminalamt verschiedeneTelefongespräche zwischen Temme und seinen Kollegen sowie zwischen seiner Frau und deren Schwester ausgegraben, die die bisherige Version Temmes, er habe nichts gesehen, nichts gehört und nichts getan, in Frage stellen.

Die Hauptverhandlung begann allerdings mit einem Antrag der Angeklagten Zschäpe selbst, die Befragung weiterer Zeugen erst nach Beiordnung des Rechtsanwalts Grasel als weiteren Pflichtverteidiger durchzuführen. Grasel hatte sie bisher nur außergerichtlich in der JVA aufgesucht und beraten, ein Antrag auf seine Beiordnung als weiteren Pflichtverteidiger oder im Austausch gegen die abgelehnte Rechtsanwältin Sturm lag bislang noch gar nicht vor. Vielmehr war es offensichtlich eine Idee des Vorsitzenden gewesen, Rechtsanwältin Sturm als Zwangsverteidigerin gegen den Willen Zschäpes im Verfahren zu belassen und gleichzeitig dem Wunsch Zschäpes nach einem Vertrauensanwalt durch Beiordnung Grasels nachzukommen. Zschäpe hat diese Idee jedenfalls heute aufgenommen. Ob Grasel beigeordnet wird, entscheidet sich erst in den nächsten Tagen. Der Antrag auf Unterbrechung wurde allerdings umgehend zurückgewiesen – genügend Zeit für Grasel, sich in die Akte einzuarbeiten, besteht ohnehin nicht.

Nach diesem Intermezzo wurde ein ehemaliger Freund von Uwe Mundlos zu Ende vernommen, dessen Befragung am 12.05.2015 nicht beendet werden konnte. Die Befragung erbrachte nichts Neues.

Danach wurde die Ehefrau Temmes befragt. Diese hatte sich in einem Telefongespräch mit ihrer Schwester unter anderem zu einer Plasktiktüte ausgelassen, die ihr Mann einem Zeugen zu Folge am Tatort bei sich hatte, was er gegenüber der Polizei geleugnet hatte. Im Telefonat sagte sie, sie habe ihm immer schon gesagt, er solle keine Plastiktüten mitnehmen. Als Frau Temme das Telefonat vorgespielt wurde, erstarrten die Zuhörer streckenweise, denn es war zu hören, wie sie sich gegenüber ihrer Schwester auf ekligste Weise in türkenfeindlichen Sprüchen erging und sich über den Mord an Halit Yozgat lustig machte. Auch diese Erkenntnis über die Stimmung in der Familie des dubiosen Verfassungsschützers passt ins Bild. Die Frage der Plastiktüte führte allerdings zu nichts.

Allerdings bestätigte Frau Temme, dass ihr Mann in den Monaten vor dem Mord regelmäßig nachts zu Hause mit seinem Laptop „im Internet“ gewesen sei als sie bereits schlafen gegangen war. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Geschichte, er sei trotz entgegengesetzter dienstlicher Weisungen in das Internet-Café der Familie Yozgat gegangen, weil er sonst keine Gelegenheit gehabt habe, im Internet zu chatten, gelogen ist.

Temme selbst war sehr gut vorbereitet, hatte sich aus der Presse alle zugänglichen Informationen, auch über die abgehörten Telefonate, besorgt und parierte alle Fragen mit vorbereitet wirkenden Plattitüden.

Nach der Befragung Temmes ergriff der Vater des Ermordeten Halit Yozgat die Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben. Er beantragte unter anderem, eine Ortsbesichtigung des Cafés in Kasse durchzuführen, weil eine solche deutlich machen würde, dass die Aussage Temmes, er habe den toten Halit Yozgat nicht gesehen, als er das Café verließ, gelogen ist. Herr Yozgat sprach vielen Anwesenden aus der Seele, als er fragte: „Dieser Mann, Herr Temme, lügt. Wir wissen alle, dass er lügt. Wieso wollen wir die Wahrheit nicht sehen?“

Quelle: Rechtsanwalt Alexander Hoffmann und Rechtsanwalt Dr. Björn Elberling