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Autogipfel Der Dieselschwindel nimmt kein Ende

Dieselbesitzer sind frustriert. Die Autokonzerne sollen Garantien für Updates geben, doch die sind nutzlos. Der Fall VW zeigt sogar, dass die Autos kaum sauberer werden - und das KBA weiter Abschaltsysteme erlaubt.
Greenpeace-Aktion zum Dieselgipfel

Greenpeace-Aktion zum Dieselgipfel

Foto: AXEL SCHMIDT/ AFP

Ganz wohl schien Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nicht zu sein. Mit Mühe versuchte sie am Mittwoch, das Ergebnis des Dieselgipfels zu verkaufen. Es müssten sicherlich weitere Maßnahmen gegen Abgase diskutiert werden, sagte die Ministerin.

Hendricks Parole der Hoffnung allerdings wirkt nicht. Autobesitzer sind angesichts des mickrigen Kompromisses zwischen Politik und Industrie zur Bewältigung des Skandals um manipulierte Diesel und überhöhte Schadstoffwerte empört.

Die Sieger dagegen stehen fest: Zum Ende des Dieselgipfels sind die deutschen Autokonzerne gut weggekommen. Im Schulterschluss mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sollen 5,3 Millionen Dieselautos lediglich durch Softwareupdates weniger Stickoxide ausstoßen, statt durch den teureren Austausch von Bauteilen. Was entschieden wurde, können Sie hier nachlesen.

"Geholfen hat der Gipfel Dieselgeschädigten überhaupt nicht. Unsere Mandanten sind aufgebrachter denn je", klagt Rechtsanwalt Ralf Stoll, dessen Kanzlei Stoll und Sauer rund 35.000 VW-Geschädigte vertritt und 3400 Klagen für sie führt. Für die Autobesitzer habe sich durch den Gipfel nichts verändert. "Noch immer gibt es lediglich ein Softwareupdate, dessen nachteiligen Wirkungen keine Bedeutung zugemessen wird."

Schon lange warnen Experten vor den Updates der Motorsteuerungssoftware, die etwa VW derzeit bei seinen beanstandeten Dieselmodellen durchführt. Ihr Schluss aus den Updates: mehr Spritverbrauch, weniger Motorleistung, oft ruckelnde Fahrzeuge, eine geringere Lebensdauer der Selbstzünder, mehr Ruß und damit häufigere, teure Wechsel von Ventilen und mehr.

Ministerin Hendricks gibt sich dennoch zuversichtlich. Autohersteller müssten nun nach dem Kompromiss garantieren, dass die vereinbarten Softwareupdates nicht nachteilig auf die Fahrzeuge wirkten. Eine solche Gewährleistung verlangt das Mittwoch geschlossene Abkommen.

Doch die Garantie ist nichts wert

"Ich sehe hier keine Garantie", sagt Anwalt Stoll. Die Autohersteller versicherten zwar, dass die Updates nicht negativ wirken werden. Doch das ist eine reine Absichtserklärung. Vor Gericht hat das keinen Bestand." Auch Klägeranwalt Johannes von Rüden von der Kanzlei Werdermann von Rüden sieht hier wolkige Versprechen. Die in Aussicht gestellte Garantie sei rechtlich nicht nutzbar.

Damit solche Gewährleistungen überhaupt Dieselbesitzern helfen können, müssten sie konkrete Garantiebedingungen enthalten, etwa über das Ausmaß der Garantie, was übernommen werde und für welchen Zeitraum. "Bislang sind das nur Lippenbekenntnisse. So, wie es jetzt aussieht, liegt die Beweislast noch immer beim Geschädigten", sagt von Rüden.

Der Beweis jedoch ist schwierig, denn Probleme an den Fahrzeugen können auch aus anderen Gründen entstehen. So könnten sich die Autokonzerne später aus der Situation lavieren. Dabei zeigen interne Dokumente schon bei VW, dass es Grund zum Zweifeln gibt.

Kaum weniger Stickoxid

Das Fatale: Trotz des Softwareupdates, mit dem der VW-Konzern seine Diesel bereits jetzt nach und nach in einen Saubermodus umprogrammiert, ändert sich an den hohen Schadstoffwerten auf der Straße nichts. Und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) weiß davon.

In einem Schreiben vom 29. Dezember 2015, das dem SPIEGEL vorliegt, erklären Anwälte von VW den KBA-Mitarbeitern das Softwareupdate. Angehängt ist eine siebenseitige Präsentation, VWs Entscheidungsvorlage für die Freigaben der Änderungen durch das KBA. Darin und in E-Mails zwischen VW und der Behörde wird klar: Noch immer nutzt VW Abschaltsysteme.

So will VW nach dem Softwareupdate beim wegen Manipulation aufgeflogenen Motortyp EA189 die Abgasreinigung weiter bei weniger als 15 Grad und mehr als 33 Grad Außentemperatur einfach abschalten. Auch wenn das Auto über 250 Meter Seehöhe fährt - selbst bei weniger bergigem Gelände nicht gerade untypisch - kann die Abgasreinigung demnach zum "Bauteilschutz" ausgeschaltet werden. Alles "wie Serie" schreiben die VW-Techniker in ihre Vorlage für die Behörde - und meinen damit, wie im vorherigen Motorsystem.

Das Resultat, ebenfalls aufgeschrieben von den VW-Technikern, liest sich erschreckend: Beim ab Herbst geforderten Test der Modelle im realen Straßenverkehr, stoßen diese VW-Dieselautos das Drei- bis Fünffache der EU-Vorgabe von 180 Milligramm Stickoxid pro Kilometer aus.

Diese im VW-Dokument dargestellten Zusammenhänge sieht ein Konzernsprecher selbst als nicht nachvollziehbar an. Es gebe allerdings auch für die Testzyklen auf der Straße keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte, betont er. Das KBA habe erklärt, dass der Stickoxid-Ausstoß durch das Softwareupdate im Straßenbetrieb um rund 25 Prozent gesunken sei. Dies müsse "damit nicht zwingend auf jede einzelne Fahrzeugvariante zutreffen."

Der offensichtliche Einbau weiterer Abschaltsysteme bei VW stößt auch bei VW-Klägern bereits auf. Die niederländische Stiftung Stichting Volkswagen Car Claim, die im Namen von 180.000 betroffenen VW-Kunden gegen VW, den Zulieferer Bosch und niederländische VW-Händler in den Niederlanden klagt, prangert in einem Schreiben an den VW-Konzern vom 30. Juni 2017 das Vorgehen von VW an. In dem Brief, der dem Spiegel vorliegt, berichtet die Stiftung über ihr vorliegende Dokumente. Danach, so kritisiert sie, nutze VW weitere Abgasmanagement-Strategien, durch die die Schadstoffreduktion abnehme.

Aus dem KBA gibt es hierzu keine Stellungnahme.

Alles wird genehmigt, durch das KBA

Nur kurz kommen den Flensburger Prüfern offenbar Zweifel. Im März 2016 schreibt ein VW-Manager an einen Mitarbeiter der KBA-Abteilung Fahrzeugtechnik erklärend zum Update des Audi A4, die tatsächliche Abschaltung bei diesem Fahrzeugkonzept bleibe unverändert. "Das mag auch der Grund sein, weshalb ihr Kollege, ..., in dieser Hinsicht keine ernsthaften Unterschiede bei den Straßenmessungen des Audi A4 ... ermitteln konnte", erklärt der VW-Mann.

Dem KBA reichte die Antwort offensichtlich. Es winkte die Updates des Konzerns durch.

"Neue Software zeigt niedrigere NOx Emissionen", schreibt ein VW-Manager einen Monat später seinen Kollegen freudig. Die Freigabe des Updates für das dort getestete VW-Golf-Modell sei "für morgen zugesagt!" Dabei offenbart die E-Mail desaströse Stickoxidwerte des Wagens im Testzyklus für die Werte auf der Straße. Sie sind demnach durch das Update von sagenhaften rund 600 auf rund 590 Milligramm je Kilometer gesunken - also gerade einmal um zehn Milligramm.

Das Verbesserungspotenzial der Emissionen sei abhängig von den Umweltbedingungen und von den technischen Möglichkeiten der betroffenen Motoren, sagt ein VW-Sprecher dazu. Es seien alle Potenziale genutzt worden. Die Messungen hier seien bei 9 bis 10 Grad Außentemperatur erfolgt - bei einem ADAC-Test mit warmem Motor sei der NOx-Ausstoß des Wagens um mehr als 25 Prozent gesunken.

Ob sich VWs Techniker da auch so sicher waren, dass alles bestens läuft? Über die Freigaben durch die Flensburger Behörde jubeln Manager des VW-Konzerns einen Monat später geradezu in E-Mails. Auch das ZDF berichtete über die Schreiben. "Halleluja. Danke. Ich gebe einen aus", schreibt ein VW-Verantwortlicher dort.

Die Freude dürften Dieselbesitzer kaum teilen. Sie müssen nun ausbaden, was der Autokonzern mit seinen Manipulationen und die Behörden mit ihrer Ignoranz gegenüber warnenden Hinweisen auf möglichen Betrug ihnen einbrockten. Um das Softwareupdate kommen sie vermutlich kaum herum und müssen dessen negative Folgen ertragen. Sie können nur versuchen, sich rechtlich zu wehren und gegen VW-Händler und den Konzern selbst klagen. Die Chancen allerdings verjähren schon bald, spätestens Ende 2018.

Videoanalyse zum Dieselgipfel: "Verlierer ist ganz klar der Verbraucher"

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