Noch steht auf der Bahnbrache eine Warmlufthalle, in der die Caritas nachts Obdachlose versorgt. Mit einem Investor plant der Bezirk Tempelhof-Schöneberg nun auf dem Areal Wohnungsbau im großen Stil.

Die Pläne, auf dem ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf Einzelhandel im großen Stil anzusiedeln, sind längst vom Tisch. Ein weiterer Möbelmarkt an der Autobahn, da waren sich die Kommunalpolitiker in Tempelhof-Schöneberg einig, sei nicht erstrebenswert. Jetzt sollen dort auf der 65 Hektar großen Bahnbrache nahe dem Innsbrucker Platz 800 bis 900 Wohnungen entstehen. Der Güterbahnhof heißt Wilmersdorf, weil Friedenau ursprünglich einmal zu Wilmersdorf gehörte.

Stadträtin Sibyll Klotz (Grüne) ist mit dem Ergebnis zufrieden und sagt: „Wir haben die Nachbarn früh miteinbezogen in die Diskussion, was dort an der Stelle entstehen soll. Das ist sehr gut gelaufen.“ Im Gegensatz zu anderen Bauprojekten, die die Kritiker auf den Plan rufen, seien die Vorstellungen der Friedenauer für die Bahnbrache sehr klar und mit einem einheitlichen Ziel formuliert worden, das der Position des Bezirksamtes ähnelte. 29 Stellungnahmen sind zur vorgestellten Planung eingegangen. „Nur vier lehnten das Vorhaben total ab, was für ein Projekt dieser Größenordnung wenig ist“, sagt Klotz.

Bauen mit Qualität

Die Weiterentwicklung Friedenaus soll Qualität haben, gleichzeitig aber sollen nicht nur Wohnungen für Besserverdienende gebaut werden. Das sei auch in der frühzeitigen Bürgerbeteiligung Konsens gewesen. Das neue Stadtquartier soll zudem autofrei sein. Nur Taxis oder Müllautos dürfen hinein. Geparkt wird seitlich in Tiefgaragen mit Zufahrten an der Haupt- und Handjerystraße. Der heute noch gesperrte Kopfsteinpflasterweg wird nur für Fußgänger und Radfahrer geöffnet werden.

Eigentümer des Grundstücks ist die Böag Unternehmensgruppe aus Hamburg. Mit ihr hat der Bezirk schon 2003 das Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks am Sachsendamm geplant, auf dem unter anderem Ikea und Bauhaus ansässig sind. Die Böag hat das öffentliche Werkstattverfahren laut Stadträtin Klotz mit allein drei Treffen, auf denen die Bürger ihre Vorstellungen einbringen konnten, und auch die beauftragten zwei Architekturbüros bezahlt. In dem ein Jahr dauernden Werkstattverfahren wurde ein Leitbild mit zehn Punkten verabredet. Diese festgelegten Punkte sollen bei der Entwicklung des Areals berücksichtigt werden.

Den Bürgern, der Verwaltung und den Experten war dabei wichtig, dass das künftige Stadtquartier überwiegend von Wohnen geprägt sein wird, aber auch von Dienstleistung und Einzelhandel, die sich an der Hauptstraße ansiedeln sollen. Nur 2000 Quadratmeter Verkaufsfläche werden im Mischgebiet voraussichtlich erlaubt. Aber auch der Einzelhandel soll architektonisch hochwertig gestaltet werden. Kleine Stadtplätze, eine Kita und öffentlich zugängliche Grünflächen sind weitere Ziele. Die Erschließung soll hauptsächlich über die Hauptstraße erfolgen. Grund: Die Handjerystraße soll nicht noch mehr belastet werden. In Verlängerung der Lauterstraße ist ein kleiner Stadtplatz vorgesehen.

Dichte Bebauung - aber mit viel Grün

Dass das große Grundstück entlang der Bahn bebaut werden kann, war im Gegensatz zu anderen Projekten, bei denen die Bürger strikt dagegen sind, in diesem Fall Konsens. „Friedenau soll weitergebaut werden, schon dicht, also urban, aber mit viel Grün“, skizziert Siegmund Kroll, Leiter des Stadtentwicklungsamtes, die vereinbarte Richtung. An der Autobahn dürfe es mit sechs bis sieben Geschossen etwas höher sein. Ansonsten werde die Bebauung sich an der Höhe der vorhandenen Häuser an der Benningsenstraße orientieren. Allerdings ist das Gelände sieben Meter höher als die Umgebung.

Noch nicht gelöst ist laut Kroll zudem, wie die Lärmabschottung der Wohnhäuser zur Autobahn hin genau erfolgt. Die einzelnen Baukörper werden mit Lärmschutzwänden verbunden, heißt es. Immerhin soll auch dort die Bebauung qualitativ hochwertig sein – trotz der Forderung nach einem Anteil mit bezahlbaren Mieten von 6,50 bis 7,50 Euro nettokalt/Quadratmeter. Laut Stadträtin Klotz gibt es bereits eine Vereinbarung, dass es einen Anteil von 25 Prozent gefördertem sozialen Wohnraum gibt. „Die Wohnungen werden mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft realisiert“, berichtet Klotz.

Den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „7-68“ hat das Bezirksamt gefasst. Die Bezirksverordneten werden ihn noch diskutieren. Es gibt zudem einen Beschluss des Bezirksamtes, dass mit der Variante 2 der Bebauung weitergeplant wird. Er unterscheidet sich von der Variante 1 dadurch, dass die öffentlichen Grünflächen bei dem Entwurf von „Czerner Göttsch Architekten“ aus Hamburg laut Stadtplanungsleiter Kroll „gerechter verteilt sind und die Bebauung an der Autobahn auch qualitativ hoch sein soll“. Die Pflege für die öffentlichen Grünflächen zahle der Investor. Der Bezirk können sich das nicht leisten. Auch dieser Punkt soll in einem städtebaulichen Vertrag noch festgelegt werden.