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Gauweilers Rücktritt Der müde Rebell

Ende eines politischen Missverständnisses: Das Verhältnis zwischen Peter Gauweiler und der CSU war schon lange kompliziert. Nun zieht sich der Eurokritiker zurück - nicht ohne mit Parteichef Seehofer abzurechnen.
Peter Gauweiler: Rückzug als Spitzenpolitiker

Peter Gauweiler: Rückzug als Spitzenpolitiker

Foto: Patrick Seeger/ dpa

Peter Gauweiler macht Schluss mit der Politik. Seine Zeit als Bundestagsabgeordneter, sein Job als stellvertretender CSU-Vorsitzender - vorbei, weil es einen unlösbaren Konflikt zwischen ihm und der Partei in der Europapolitik gibt. Der ewige Rebell ist müde, er will sich nicht weiter aufreiben.

Der Jurist Gauweiler, der sich besonders als Eurokritiker einen Namen gemacht hat und zuletzt im Bundestag die Linie der Großen Koalition bei der Griechenland-Politik nicht mittrug, verabschiedet sich. Gauweiler wäre aber nicht Gauweiler, wenn er dies lautlos täte. Der begabte Redner, der den wortgewaltigen Auftritt schätzt, geht mit einem Knall. Seine zweiseitige Erklärung liest sich wie eine Abrechnung mit der CSU-Führung und macht deutlich, wie weit die Entfremdung zwischen ihm und Parteichef Horst Seehofer inzwischen gediehen ist: Gauweiler und Seehofer, das sind zwei Männer, die sich nichts mehr zu sagen haben.

"Als ich in das CSU-Präsidium berufen wurde, war meine politische Position in Europafragen völlig klar" - so beginnt Gauweiler seine Erklärung. Und wer aus der CSU-Spitze wollte ihm da ernsthaft widersprechen?

Viele Christsoziale waren entsprechend überrascht, als Seehofer den Renegaten im November 2013 in die erste Reihe holte und auf dem Parteitag in München zum stellvertretenden CSU-Vorsitzenden wählen ließ. Sie ahnten, dass es Querschüsse Gauweilers geben würde, aber der Taktiker Seehofer hatte gesprochen: Er wollte mit Gauweilers Hilfe bei der Europawahl die europakritische AfD eindämmen.

Seehofers Rechnung ging nicht auf, stattdessen setzte es eine bittere Pleite. Die CSU stürzte bei der Wahl im Mai vergangenen Jahres um mehr als sieben Punkte auf 40,5 Prozent ab. Führende Christsoziale machten sogleich einen Schuldigen aus: Gauweiler. Gern vergaßen sie, dass die CSU zuvor ein Programm verabschiedet hatte, das nur so vor Europakritik strotzte und auf das auch Gauweiler jetzt in seiner Abschiedserklärung verweist.

Gauweiler habe "seine Schuldigkeit getan", sagten Christsoziale aber schon damals unverblümt. Zur Ruhe kommen ließ er seine Partei allerdings nicht: Mal vertrat er die These, Auslandseinsätze der Bundeswehr wie in Afghanistan seien nicht vom Grundgesetz gedeckt. Dann irritierte er Parteifreunde, als er inmitten der Krim-Krise die Partnerschaft Europas mit Russland betonte. Mehrfach sah sich Seehofer gezwungen, Gauweilers Äußerungen als persönliche Haltung einzuordnen, die nichts mit der CSU-Linie zu tun habe.

"Ihr oder ich"

Als Gauweiler zuletzt zusammen mit CSU-Vize Peter Ramsauer und weiteren Unionspolitikern im Bundestag gegen die Verlängerung der Griechenland-Hilfe gestimmt hatte, war Seehofers Geduld am Ende: "Ihr oder ich", drohte er den beiden Anfang März im Parteivorstand. Die Eruption des CSU-Chefs war das greifbarste Indiz einer Entfremdung, die kein Geheimnis mehr war.

Der Zusammenstoß mit Seehofer gebe ihm zu denken, sagte Gauweiler seinerzeit. Manche hatten das bereits als Andeutung eines Rückzugs interpretiert. Den hat er nun vollzogen, weil er sich von der Partei diskreditiert fühlt und er den vom Wähler erteilten Auftrag nicht mehr so ausführen könne, "wie ich es für richtig halte". Den Schaden haben alle Beteiligten:

  • Seehofer, weil das Zerwürfnis mit dem Knalleffekt am Ende ein weiteres Mal seinen taktischen Fehler bei der Inthronisierung Gauweilers deutlich macht.
  • Gauweiler, der sich zwar zugutehalten kann, seiner Linie stets treu geblieben zu sein - dafür muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, seine Rolle als Vizechef einer Regierungspartei missverstanden zu haben.
  • Die CSU insgesamt, weil sie seit Monaten mit ihrer eigenen Performance hadert und Gauweilers Abgang neue Unruhe bringt. Auch wenn Gauweiler in seiner Partei kritisch gesehen wird, dürfte sein Abtritt schmerzen - die Partei verliert einen ihrer wenigen Intellektuellen.

Dass Gauweilers Zeit in der Parteispitze abgelaufen war, galt schon seit Längerem als ausgemacht. Beim kleinen Parteitag in Bamberg vor ein paar Tagen - zu dem Gauweiler gar nicht erst angereist war - hatte Seehofer angekündigt, die CSU neu aufstellen und beim kommenden Parteitag im Herbst eine "Spitzenmannschaft des Vertrauens und der Kompetenz" präsentieren zu wollen.

Die Ankündigung war allgemein auch als öffentliche Absage an Gauweiler und Ramsauer verstanden worden. Längst laufen sich mögliche Nachfolger warm. Viele CSUler rechnen damit, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in den Führungszirkel der Partei aufsteigt. Den muss Seehofer wahrlich nicht als Quertreiber fürchten.


Zusammengefasst: Das Verhältnis zwischen Peter Gauweiler und CSU-Chef Horst Seehofer galt schon lange als angespannt. Jetzt zog der stellvertretende Parteivorsitzende die Konsequenzen: Er trat wegen unterschiedlicher Vorstellungen in der Europapolitik von seinem Parteiamt zurück und legte auch sein Bundestagsmandat nieder.