Tausende Menschen haben sich am Samstagabend am Wiener Rathausplatz zur Abschlusskundgebung der Regenbogenparade versammelt. Neben Musik- und Unterhaltungsprogramm gab es Redebeiträge von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), der Grünen Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, von Neos-Chef Matthias Strolz und dem Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

Stolz auf rechtliche Fortschritte

Lunacek erinnerte sich in ihrem Redebeitrag sich an die erste Regenbogenparade 1996 und machte nicht ohne Stolz auf rechtliche Fortschritte seitdem aufmerksam. Kern, der zum zweiten Mal als Regierungschef auftrat, betonte den Fortschritt in der gesellschaftlichen Integration: "Das macht mir eine diebische Freude, dass ihr in der Mitte der Gesellschaft steht und das repräsentiert, was Österreich ausmacht: Buntheit, Vielfalt und Offenheit."

Im Anschluss an die untypisch kurz gehaltenen Redebeiträge traten Musik- und Tanzgruppen auf, darunter Nathan Trent, der diesjährige Vertreter Österreichs beim Eurovision Song Contest.

Christian Högl von der Homosexuelleninitiative HOSI Wien zeigte sich im Gespräch mit der APA zufrieden. Die Veranstalter schätzen die Anzahl der Teilnehmer bei der heurigen Parade auf 185.000. Die Polizei hat keine Zahlen veröffentlicht. Högl beobachtet seit den Anschlägen auf einen Schwulenclub in Orlando im Jahr 2016 eine zunehmende Politisierung. Einerseits sei heutzutage in der Mehrheitsgesellschaft Solidarität mit Homosexuellen spürbar, andererseits sei noch viel zu tun: "Dadurch, dass rechtlich fast alles erreicht ist, beginnt unsere Arbeit erst", denn die rechtliche Gleichstellung sei die Basis für gesellschaftliche Veränderungen.

"Grundstein für die EuroPride 2019"

Auch Katharina Kacerovsky, Geschäftsführerin der Stonewall GmbH, die das neuntägige Festival Vienna Pride organisiert hat, ist zufrieden. Für sie war Vienna Pride 2017 "so umfangreich und divers wie noch nie". Das sei "ein guter Grundstein für die EuroPride 2019", die nach 2001 zum zweiten Mal in Wien stattfinden soll.

Die Regenbogenparade erinnert an den ersten bekannt gewordenen Aufstand von Homosexuellen gegen Polizeiwillkür und Diskriminierung. Am 28. Juni 1969 wehrten sich Homosexuelle in der Christopher Street im New Yorker Stadtteil Greenwich Village gegen eine gewalttätige Razzia. In Folge kam es zu mehrtägigen Straßenschlachten gegen die Polizei. Deswegen wird die Regenbogenparade auch Christopher Street Day genannt. In englischsprachigen und romanischen Ländern wird meist von "Gay Pride" oder "Pride Parades" gesprochen.

In Österreich wird die Parade seit 2003 von der Homosexuelleninitiative (HOSI) Wien veranstaltet. Für 2019 hat die Organisation den Zuschlag für die Austragung der EuroPride erhalten. Die EuroPride findet jedes Jahr in einer anderen europäischen Stadt statt. Nach Madrid heuer und Stockholm und Göteborg 2018, stehen für die Wiener Ausgabe gleich zwei Jubiläen an. Einerseits jähren sich die Unruhen von 1969 zum 50. Mal, andererseits feiert die HOSI Wien ihren 40. Geburtstag.

Von "Gender-Wahn" gestört

Am Albertinaplatz versammelte sich indes am Nachmittag eine Gruppe von circa 100 Gegnern der Regenbogenparade zum "Marsch für die Familie". Der ehemalige PEGIDA-Sprecher Georg Immanuel Nagel wollte die Demonstration im Gespräch mit Journalisten "nicht in erster Linie als Gegenveranstaltung" verstanden haben, räumte jedoch ein, dass es kein unabhängiger Anlass sei. Viele Leute fühlten sich gestört von "Gender-Wahn" und der "Zwangssexualisierung in Kindergarten und Schulen".

Außerdem demonstrierten die Teilnehmer gegen die Öffnung der Ehe und des Adoptionsrechts für Homosexuelle sowie gegen das Recht auf Abtreibung. Man müsse, so einer der Redner, die Institution der Familie "gegen die Angriffe eines abartigen Sexualhedonismus verteidigen" und sei "gegen die Benachteiligung der Familie durch Gleichstellung mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften". Der Nationalratsabgeordnete Marcus Franz (parteilos) verortete in der Politik der Bundesregierung "ein gigantisches linksideologisches Projekt, die Familie zu zerstören".

Hinter einer weiteren Absperrung demonstrierten etwa 50 Aktivisten der Sozialistischen Linkspartei (SLP) mit Sprechchören und Trommeln gegen den "Marsch der Familie". Im Gespräch mit der APA erklärte Bundessprecherin Sonja Grusch, die SLP sei solidarisch mit der Vienna Pride. Der Grund für die eigene Veranstaltung sei, dass man eine Versammlung "gefährlicher Reaktionäre" nicht unkommentiert lassen wollte.