Russen bestätigen Raketenabschuss

Russische Militäringenieure gehen nun auch davon aus, dass der Flug MH17 über der Ostukraine von einer Buk-Rakete abgeschossen wurde. Sie machen dafür aber die ukrainische Flugabwehr verantwortlich.

Christian Weisflog
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Der Unglücksort in der Ukraine, wo die Maschine der Malaysia Airlines abgeschossen wurde. (Bild: Maxim Zmeyev / Reuters)

Der Unglücksort in der Ukraine, wo die Maschine der Malaysia Airlines abgeschossen wurde. (Bild: Maxim Zmeyev / Reuters)

Im Informationskrieg um den Abschuss des malaysischen Linienfluges MH17 über der Ostukraine scheint Russland eine neue Offensive zu starten. So wurde der russischen Zeitung «Nowaja Gaseta» ein vertraulicher Untersuchungsbericht von russischen Rüstungsingenieuren zugespielt. An dem 20-seitigen Dokument waren unter anderem auch die russischen Hersteller von Buk-Raketen beteiligt. Ihre Erkenntnisse sollen an die niederländischen Ermittler übergeben werden, welche die internationalen Untersuchungen leiten.

Wer feuerte die Rakete ab?

Die russischen Verfasser kommen im Prinzip zum gleichen Ergebnis wie der Zwischenbericht des niederländischen Sicherheitsrates: Der Flug MH17 wurde am 17. Juli 2014 sehr wahrscheinlich mit einer Rakete des mobilen Flugabwehrsystems «Buk-M1» abgeschossen.

Im Gegensatz zu den internationalen Ermittlern gehen die russischen Ingenieure allerdings davon aus, dass die Rakete nicht aus der Nähe der Stadt Snischne, sondern aus der Region um Saroschtschenske abgefeuert worden war – also rund 30 Kilometer westlicher.

Die russischen Experten ziehen ihre Schlüsse aus einer Analyse der durchlöcherten Flugzeugteile. Der Gefechtskopf der Rakete explodierte vermutlich wenige Meter vor dem Cockpit und setzte dann eine Streuladung von kleinen Metallgeschossen frei. «Wäre die Rakete aus Snischne abgeschossen worden, wäre nur die Nase beschädigt worden», argumentieren die russischen Ingenieure. Allerdings seien auch das linke Triebwerk und der linke Flügel von den Projektilen getroffen worden. Das sei nur möglich, wenn die Rakete in einem Winkel von 75 bis 78 Grad zur Flugrichtung abgeschossen worden war.

Ausgehend von der Richtung der Projektile zogen die Experten den Rückschluss, dass die Buk-Rakete aus der Region um Saroschtschenske abgefeuert worden war. In dieser Region seien Buk-Abwehrsysteme der ukrainischen Armee stationiert gewesen, behaupten die Autoren und machen damit Kiew für den Abschuss von MH17 verantwortlich.

Zweifel an Datenmaterial

Der russische Bericht stützt sich dabei allerdings auf Satellitenaufnahmen, welche der russische Generalstab bereits im vergangenen Sommer veröffentlicht hatte. Der ukrainische Geheimdienst wies diese bereits damals als «Fälschungen» zurück . Laut dem Kartenmaterial des ukrainischen Sicherheitsrates befand sich Saroschtschenske am 17. Juli zudem genau wie Snischne ebenfalls unter der Kontrolle der prorussischen Separatisten. Die «Nowaja Gaseta» schreibt hingegen, dass damals kein klarer Frontverlauf existierte. Es habe viele Grauzonen gegeben, in die man jederzeit hätte vorstossen und sich wieder zurückziehen können.

Allerdings scheint auch das Datenmaterial, auf das sich die russischen Ingenieure stützen nicht über alle Zweifel erhaben. Offenbar analysierten sie die Beschädigung des Flugzeuges vor allem aufgrund von Bildern aus dem Internet. Die echten Wrackteile wurden längst in die Niederlanden gebracht, wo das Flugzeug nun rekonstruiert werden soll. Zudem ist die Glaubwürdigkeit russischer Informationen aufgrund früherer Lügen nicht sehr gross. So hatte die russische Armeeführung nach dem Absturz von MH17 etwa behauptet, die Maschine sei von einem ukrainischen Kampfflugzeug abgeschossen worden. Mit dem aktuellen «Geheimbericht» scheint man sich nun von dieser Legende endgültig verabschiedet zu haben.

Widerspruch zu Augenzeugenberichten

Der russische Bericht steht zudem im Widerspruch zu Nachforschungen deutscher Journalisten. Die Reporter der ARD und vom Spiegel haben bei Snischne Augenzeugen gefunden, die am 17. Juli einen Raketenabschuss gehört hatten.

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