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Bundestagsdebatte zur Gleichstellung von Lebenspartnern

CSU-Politiker rechtfertigt Homo-Diskriminierung mit "biologischer Realität"

  • 26. Februar 2015 101 6 Min.

Der CSU-Politiker Volker Ullrich argumentiert mit der "Biologie", um Homosexuellen Rechte vorzuenthalten (Bild: Parlamentsfernsehen)

In einer Bundestagsdebatte über die Gleichbehandlung von Homo-Paaren bezweifelten Unionspolitiker erneut, ob man Schwule und Lesben auf Kinder loslassen kann. Die SPD winkt mit einer Teilgleichstellung.

Von Dennis Klein

Vor 15 Monaten hatten Union und SPD im Koalitionsvertrag festgelegt, dass man darauf hinwirken werde, "bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen" zu beenden (queer.de berichtete). Vor neun Monaten stimmte der Bundestag über einen Antrag der Grünen ab, Benachteiligungen im Adoptionsrecht zu beenden – nur 0,99 Prozent der Großen Koalition stimmte dafür (queer.de berichtete).

Am frühen Donnerstagnachmittag ging die Geschichte weiter: Im Parlament wurde in erster Lesung mal wieder eine Stunde lang über die Gleichstellung debattiert. Die Grünen hatten einen Antrag (PDF) vorgelegt, der die Ungleichbehandlung von Lebenspartnern in über 100 Regelungen beenden soll, darunter etwa in der Höfeordnung oder dem Sprengstoffgesetz. Auch enthalten ist die Gleichstellung beim Adoptionsrecht. Diese wird unter anderem damit begründet, dass Kinder mehreren Studien zufolge in Regenbogenfamilien nicht schlechter aufwachsen als in traditionellen Familien (queer.de berichtete).

Um es vorweg zu nehmen: Die Parteien haben sich seit der letzten Debatte nicht bewegt. Die oppositionellen Linken und Grünen erklärten beherzt, dass sie die volle Gleichstellung erreichen wollten. Die Regierungspartei SPD zeigte mit dem Finger achselzuckend auf CDU/CSU nach dem Motto: "Wir würden gerne, aber dürfen nicht". Und Redner der Union schreckten wieder nicht davor zurück, Homosexuelle als generelle Gefahr für Kinder darzustellen und ihnen deshalb die Gleichstellung zu verweigern. Am Ende wurde der Antrag in die Ausschüsse verwiesen.

Referentenentwurf für Teilgleichstellung angekündigt


Volker Beck beschimpft die Union als "reaktionär" (Bild: Parlamentsfernsehen)

Immerhin gab es einen Lichtblick in der Regierung: Die Redner erklärten, dass das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf anderen Ressorts zur Abstimmung vorgelegt habe, der die begrenzte Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern vorsieht – und zwar ohne eine Gleichstellung im Adoptionsrecht. Der Gesetzentwurf ist ein Déjà-vu-Erlebnis: Bereits in der letzten Legislaturperiode wedelte die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vom damaligen Juniorpartner FDP mit einem derartigen Gesetz – am Ende wurde es bis zur Bundestagswahl von der Union blockiert (queer.de berichtete).

Die Debatte wurde vom grünen Vorkämpfer Volker Beck eröffnet, der eine gewohnt kämpferische Rede ablieferte. Der Kölner Abgeordnete erinnerte an den jahrzehntelangen Kampf für die Gleich­behandlung von Homo-Paaren – und an die sechs Entscheidungen des Bundes­verfassungs­gerichts seit 2009, in denen Diskriminierungen von eingetragenen Lebenspartnern gegenüber heterosexuellen Eheleuten von den Richtern gekippt wurden, zuletzt das Verbot der Sukzessivadoption (queer.de berichtete). Die Schuld an der langsamen Entwicklung und den ständigen blauen Briefen aus Karlsruhe trügen die "denkfaulen programmatischen Parteien" CDU und CSU, die den Status quo verteidigten. "Das ist schlichtweg reaktionär", befand Beck und erklärte, die konservativen Parteien verteidigten "Schützengraben für Schützengraben jede einzelne Diskriminierung der Lebenspartnerschaft".

Diese Rede stieß Unionspolitikern sauer auf – insbesondere dem Augsburger CSU-Abgeordneten Volker Ullrich, der die Wortwahl Becks "erbärmlich" fand und dann mit homophoben Aussagen selbst für Unruhe im Parlament sorgte: So behauptete er allen ernstes, die Vorenthaltung des Adoptionsrechts für verpartnerte Paare sei eine "Wertentscheidung, die im Grunde genommen die biologische Realität widerspiegelt". Eine "emotionale Bindung" zwischen Adoptiv-Kind und möglichen homo­sexuellen Eltern existiere schließlich am Anfang nicht. Dass diese genauso wenig bei heterosexuellen Paaren existiert, störte den CSU-Politiker in seiner Argumentation offenbar nicht – und er wurde zunehmend gereizter, als ihn zwei Oppositionsabgeordnete genau zu diesem Punkt Zwischenfragen stellten.

CDU warnt vor Homos als Gefahr für Kinder


Karl-Heinz Brunner (SPD) erklärt, er wolle die Gleichstellung, wolle aber auch den Koalitionsvertrag einhalten (Bild: Parlamentsfernsehen)

Das angeblich von Nicht-Heterosexuellen gefährdete "Kindeswohl" wurde auch von anderen Rednern der Union als Grund dafür angeführt, dass Lebenspartnern kein volles Adoptionsrecht gewährt wird. So führte die Flensburger CDU-Abgeordnete Sabine Sütterlin-Waack aus, dass man sich "im Rahmen der staatlichen Wächterfunktion allein am Kindeswohl zu orientieren" habe.

Später sagte die geschiedene CSU-Politikerin Gudrun Zöllner, die alleine Kinder erzogen hatte, dass für ihren Nachwuchs ein "männliches Vorbild" gefehlt habe – das münzte sie zu einem Argument gegen homo­sexuelle Paare um. Am Ende warf der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Armin Schuster ein, dass seine Partei trotz der sechs Niederlagen vor dem Bundes­verfassungs­gericht keinen "vorauseilenden Gehorsam" gegenüber Karlsruhe zeigen werde. Wie andere Redner betonte er den Schutz von Ehe und Familie im Grundgesetz, den das Gericht allerdings bereits seit Jahren nicht als Begründung für eine Ungleichbehandlung durchgehen lässt.

Die SPD-Redner zeigten Verständnis dafür, dass Benachteiligungen von Schwulen und Lesben beseitigt werden sollten – und waren sogar ein wenig geschockt über die Aussagen des Koalitionspartners. Die Trierer Abgeordnete Katarina Barley erklärte etwa: "Wir müssen uns bewusst sein, was wir aussagen, wenn wir sagen: 'Wir gewähren euch dieses Recht, eine normale Familie zu sein, nicht.'" Ungleichbehandlung sei verfassungswidrig und "wir wissen das alle hier im Hause". Sie versprach, bis zum Ende der Legislaturperiode Fortschritte zu erzielen.

Der bayerische Sozialdemokrat Karl-Heinz Brunner ergänzte: "Die Mehrheit der Menschen hat kein Gefühl dafür, wie verletzend es sein kann, dass man nach Eingehen einer Lebenspartnerschaft immer wieder begründen muss, dass man das gleiche tut." Und weiter: "Wir wollen nicht, dass in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland Menschen immer zum Bundes­verfassungs­gericht müssen, um ihre Rechte einzuklagen." Aber: "Verträge sind einzuhalten – auch Koalitionsverträge."



Als letzter sozialdemokratischer Redner erklärte Johannes Kahrs, der Fraktionssprecher für Schwulen- und Lesbenpolitik, dass die SPD mit dem Koalitionsvertrag der Union helfe, "in die viel befahrene Straße der modernen Gesellschaft" zu kommen. Er versprach in einer kämpferischen Rede Fortschritte und forderte mit bunter Sprache die Öffnung der Ehe: "Warum ist es gottverdammt nicht möglich, das auch Ehe zu nennen", so Kahrs. Seit er 1998 ins Parlament eingezogen sei, würden Hürden genommen, um die Gleichstellung zu erzielen, manchmal mit Hilfe des Bundes­verfassungs­gerichts. "Es gilt weiterhin: 100 Prozent Gleichstellung nur mit der SPD", sagte er am Ende der Rede unter Protest der Opposition.

Einigkeit gab es dagegen bei den kleinen Nichtregierungsparteien, dass Schwarz-Rot das Thema Homo-Rechte sehr niedrig hänge. Ulle Schauws von den Grünen erklärte, dass der von der Merkel-Regierung angesprochene Referentenentwurf ohne den neuen Antrag der Grünen wohl nie aus der Schublade geholt worden wäre. Ulla Jelpke von der Linken ergänzte: "Wer heiraten will, soll heiraten" und warf der Union ein "mittelalterliches Weltbild" vor. Ihre Parteifreundin Caren Lay fragte geradezu flehend in Richtung CDU/CSU: "Welche Hetero-Ehe, welches Kind ist in Gefahr, wenn Lesben und Schwule ebenfalls heiraten dürfen?"

Einen kleinen Vorwurf richtete aber die SPD-Abgeordnete Katarina Barley auch an Schwule und Lesben. Die Gleichstellung, sagte sie, sei zwar für ihre Partei ein Kernanliegen, aber: "Wenn uns vielleicht alle lesbischen und schwulen Paare gewählt hätten, hätten wir vielleicht mehr Durchschlagskraft gehabt, das in der Koalition durchsetzen zu können. Das wäre vielleicht ein Appell fürs nächste Mal."

Youtube | Die ganze Debatte auf Phoenix

#1 wiking77
  • 26.02.2015, 16:22h
  • was sagen eigentlich die Schwulen in der CDU/CSU dazu? Nämlich, die die damit ganz offen umgehen? Z. B. Dr. Fabritius, der in einer eLP lebt und Spitzenfunktionär des reaktionären BdV ist? Kuschen vor Mutti ist da wohl angesagt.
  • Direktlink »
#2 ursusEhemaliges Profil
  • 26.02.2015, 16:30h
  • >"Es gilt weiterhin: 100 Prozent Gleichstellung nur mit der SPD"

    "weiterhin"??

    das ist jetzt nur mit extremem zynismus oder mit extremer realitätsflucht zu erklären. beides nicht schmeichelhaft für einen politiker.

    über die ignorant_innen der union müssen wir hier ja nicht streiten - es sei denn, es kommt mal wieder was aus dem schrankradio, sendestelle bad homburg.
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#3 goddamn liberalAnonym

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