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Für die Reproduktionsmedizin brauchen wir internationale Regeln

Auf ihrer Rundreise durch einige europäische Staaten besuchte Jacinta Collins, australische Senatorin für die Labor-Partei, für zwei Tage auch Berlin. Die sozialdemokratische Abgeordnete vertritt den Bundesstaat Victoria im australischen Parlament. Ihr politisches Interesse gilt den deutschen und europäischen Gesetzen und gesellschaftlichen Diskussionen zur Reproduktionsmedizin. Ich habe die Senatorin am 26. August 2015 in meiner Funktion als Berichterstattung für reproduktive Gesundheit und sexuelle Vielfalt im Gesundheitsausschuss im Berliner Landesgruppenraum der SPD-Bundestagsfraktion begrüßt. Anschließend hatte sie noch ein Treffen mit VertreterInnen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das Besuchsprogramm der Senatorin wurde von der Australischen Botschaft in Berlin organisiert.

Nationale Regelungen verhindern keinen Reproduktionstourismus

Sowohl in Deutschland als auch in Australien ist die Leihmutterschaft gesetzlich verboten. Zwar sind die Zielländer verschieden, doch ist die Folge dieses Verbotes die gleiche: „Wunscheltern“ reisen in ein Land, in dem andere gesetzliche Regelungen gelten, reisen dorthin, wo Leihmutterschaft grundsätzlich legal oder mit bestimmten Einschränkungen erlaubt ist. Das derzeitig noch existierende Problem, das qua Leihmutterschaft geborene Kind vor Ort mit allen Rechten und Pflichten als das eigene anerkennen zu lassen, wird dabei in Kauf genommen.

Für Deutschland gilt noch: Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1990 verbietet ÄrztInnen jegliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Leihmutterschaft. Strafbar nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz ist auch die Leihmutterschaftsvermittlung. Die „Wunscheltern“ machen sich aber nicht strafbar. Ein Kind aus einer Leihmutterschaft begründet nach deutschem Recht grundsätzlich kein rechtliches Abstammungsverhältnis zu den sogenannten "Wunscheltern". Mutter eines Kindes ist nach deutschem Recht die Frau, die es geboren hat, also die Leihmutter und nicht die "Wunschmutter". Damit ist eine deutsche Wunschmutter nach deutschem Recht nicht mit dem Kind verwandt und vermittelt dem Kind folglich nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Ein deutscher "Wunschvater" kann aus einem Vertrag über Leihmutterschaft nach deutschem Recht nicht wirksam seine Vaterschaft begründen; im Fall einer Leihmutterschaft kann aber der „Wunschvater“ unter bestimmten Voraussetzungen durch eine Vaterschaftsanerkennung oder durch eine gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft seine rechtliche Vaterschaft begründen. Nur wenn eine rechtswirksame Abstammung von einem deutschen Elternteil vorliegt, hat das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit zweifelsfrei vermittelt bekommen und folglich einen Anspruch auf einen deutschen Reisepass. Ohne entsprechende Ausweispapiere ist eine Ausreise des Kindes nach Deutschland nicht möglich.

Bisher wird nur in kleinen Kreisen darüber debattiert, ob Deutschland nicht grundsätzlich ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz benötigt, da das ESchG mit seinen biomedizinischen als auch rechtlichen Grundannahmen nicht mehr als zeitgemäß empfunden wird.

Es bedarf einer Erneuerung der rechtlichen Grundlagen

Nun gibt es aber Urteile aus dem Jahr 2014 sowohl des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu den Fällen zweier französischer Familien (AZ: 65192/11 und 65941/11) als auch des Bundesgerichtshofs (Az: XII ZB 463/13). Beide fordern Deutschland dazu auf, die Rechtslage rund um das Thema Leihmutterschaft zu aktualisieren. Sowohl im Falle der Ehepaare in Frankreich als auch der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Männer in Berlin haben die Gerichte unter Bezugnahme auf das Kinderwohl verlangt, dass der jeweilige Staat ein Zusammenleben zwischen den „Wunscheltern“ und dem Kinde mit allen Rechten ermöglichen muss.

Einigkeit zwischen Senatorin Jacinta Collins und mir bestand darin, dass in beiden Staaten eine breite gesellschaftspolitische Debatte geführt werden muss, die weit über die medizinischen und rechtlichen Aspekte hinausgeht. Bei der Debatte geht es auch um traditionelle kulturelle Bilder von Familie. Dazu gehören aber auch Debatten um die Gesundheit der Frauen, die Ausbeutung von ärmeren Frauen, die Unterordnung privater Lebenswünsche unter ökonomischen Unternehmenszielen oder die Frage: Kann und darf ich ein Kind nach meinem eigenen Wunsch „bestellen“ und auswählen.

Beziehungen zwischen Australien und Deutschland

Bereits 2012 konnte auf 60 Jahre bestehende diplomatische Beziehungen zurückgeblickt werden. Im Januar 2013 wurde die „Berlin-Canberra-Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft“ unterzeichnet. Deutschland spielt in den internationalen Beziehungen Australiens eine wichtige Rolle, obwohl der Schwerpunkt der bilateralen Außenpolitik des Landes im asiatisch-pazifischen Raum liegt. Deutschland ist nach Großbritannien der wichtigste europäische Handelspartner.