Panorama

Gewalt und psychische Folter Schuldsklaven erleben Hölle auf Lebenszeit

Mohamed Israr arbeitet, um die Schulden seines Vaters zu begleichen.

Mohamed Israr arbeitet, um die Schulden seines Vaters zu begleichen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Leibeigenschaft und Schuldsklaverei: Was wie Mittelalter klingt, ist für viele Familien in Pakistan Realität. Ganze Generationen leisten Zwangsarbeit, um Schulden ihrer Vorfahren abzuarbeiten - dabei sind sie oft brutaler Willkür ihrer Herren ausgesetzt.

"Wir sind Sklaven." Illusionslos beschreibt der Pakistaner Mohamed Israr die Lage seiner Familie, die in einer Ziegelbrennerei schuftet. Drei Generationen sind hier in Schuldknechtschaft gefangen: Sie arbeiten, um Schulden abzuzahlen, die Isrars Vater vor vierzig Jahren gemacht hat. Der 35-Jährige hat wenig Hoffnung, dass eines seiner sechs Kinder diesem Teufelskreis je entfliehen kann. "Mein Leben ist die Hölle", sagt er.

In dieser Ziegelei in Changhi Sayidan arbeitet Schuldsklave Mohamed Israr.

In dieser Ziegelei in Changhi Sayidan arbeitet Schuldsklave Mohamed Israr.

(Foto: picture alliance / dpa)

Israr sitzt vor dem Brennofen auf einem Stapel Ziegel, die seine Familie hergestellt hat. Pakistans Hauptstadt Islamabad ist nicht weit. "Ich will nicht, dass meine Kinder so leben müssen wie ich, aber ich weiß nicht, was ich tun soll." Sein Vater hatte vor 40 Jahren beim Besitzer der Ziegelei, Chaudry Sabir Hussain, einen Kredit aufgenommen und versprochen, ihn abzuarbeiten. Insgesamt arbeiten etwa zwei Dutzend Familienmitglieder in der Ziegelhütte - Isrars Frau, die Kinder, neun Brüder und fünf Schwestern.

Israr weiß nicht, wie hoch der Kredit war. Er weiß nur, dass der Vater sein ganzes Leben verzweifelt rackerte, die Schulden aber immer höher wurden. Die Familie musste sich Geld für medizinische Notfälle oder Hochzeiten beim Besitzer der Ziegelei leihen, der ihnen außerdem Kosten für die Unterkunft in Rechnung stellt. Er sehe keinen Ausweg aus der Schuldenfalle, sagt Israr verzweifelt.

"Das ist Geschäft, daran ist nichts Schlechtes."

In seinem kleinen Büro verteidigt Hussain das System: "Wenn sie Geld brauchen, kommen sie zu uns. Im Gegenzug arbeiten sie für uns. Das ist Geschäft, daran ist nichts Schlechtes." Kreditnehmer würden durch Bürgen vermittelt, erklärt er. Sollten ein Schuldner oder seine Familie versuchen, abzuhauen, würden die Bürgen helfen, sie aufzuspüren. Die Besitzer ziehen auch die Ausweise der Schuldner ein. In manchen Fällen nutzten die Arbeitgeber auch ihren Einfluss bei der Polizei, falls die Schuldknechte Schwierigkeiten machten, sagt der Anwalt Rizwan Khan. Viele werden Opfer von Gewalt oder psychischer Folter, wie der ehemalige Schuldsklave Mohamed Gul erzählt.

Es gibt Tausende in Pakistan, die Schuldknechte einsetzen. Offizielle Statistiken sind nicht vorhanden, aber Aktivisten schätzen, dass zwischen 2 und 5 Millionen Menschen so versklavt sind. Die meisten arbeiten in der Landwirtschaft oder stellen - wie Israr - Ziegel her. Auch bei Teppichwebern gebe es ähnliche Arbeitsverhältnisse, sagt Mahar Safdar Ali von der Befreiungsfront für Schuldknechte, die sich seit 40 Jahren für versklavte Arbeiter einsetzt. Die Stiftung "Walk Free" fordert bessere Kontrolle von Ziegelhütten und die Umsetzung eines Verbots von Schuldknechtschaft aus dem Jahr 1992. Es gebe auch Anzeichen, dass manche Regierungspraktiken dieser Form der modernen Sklaverei Vorschub leisteten, so die Organisation in einem Bericht aus dem Jahre 2014.

Das Problem der Schuldsklaverei gründet nach Ansicht des Aktivisten Ali in der feudalen Struktur der Gesellschaft. "Die Leute in Machtpositionen sind die landwirtschaftliche Elite. Es ist ein bisschen eine Illusion zu erwarten, dass sie sich fair verhalten." Ali sieht die Weltgemeinschaft gefordert. So solle die Europäische Union wirtschaftliche Zugeständnisse an die Abschaffung von Zwangsarbeit knüpfen. "Westlicher Druck ist das effektivste Mittel. Er hilft Pakistan etwa, die Kinderarbeit bei der Herstellung von Fußbällen abzuschaffen. Ich bin sicher, das könnte hier auch funktionieren."

Quelle: ntv.de, Zia Khan, dpa

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