Wie so viele andere Flüchtlinge verbringt auch Familie Alaya etliche Stunden am Lageso. Ihr Fall zeigt die Wirrungen der Bürokratie.

Früher Morgen, 3 Uhr: Rafaat Alaya muss im Dunkeln los. Der November zeigt sich, wie man ihn kennt. Nass und kalt. Knapp eine Stunde dauert die Fahrt zur Turmstraße von dem Zuhause, in dem die dreiköpfige Familie, die vor knapp drei Monaten aus Syrien nach Berlin flüchten musste, derzeit wohnt. Noch ein bisschen aufwärmen in Bus und Bahn, bevor der 25-Jährige für Stunden in der Kälte warten muss.

Sein Ziel, wie schon Tage zuvor, ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales. Natürlich ist er nicht der Einzige, der schon weit vor Betriebsbeginn hier ankommt. Viele Asylsuchende stellen sich sogar schon ab 0 Uhr hin, um die Ersten in der Schlange zu sein.

7 Uhr: Nun steht der Syrer mit hundert anderen in einer Schlange unter einem Zelt. Der scharfe Wind zieht trotzdem durch die Öffnungen in der Plane. Vor und hinter ihm stehen die anderen Flüchtlinge dicht an dicht. Die meisten von ihnen sind junge Männer wie er. Alaya macht ein Foto von sich in der Masse, schickt es Freunden mit verzweifelten Smileys. Er lächelt trotzdem.

8 Uhr: Loris Alaya, seine Frau, und die einjährige Tochter Teresa kommen beim Lageso an. 9.30 Uhr: Nummer ziehen und endlich rein in den Container. Nun kann die Familie dort warten, wo es etwas wärmer ist. 10 Uhr. 11 Uhr. 12 Uhr. Warten. Warten. Warten.

Heute rutscht die Familie endlich in die Transferzone

12.30 Uhr: Ihre Nummer! Schnell raus, rüber zu Haus A. Ein Security-Mann steht vor der Tür. Über ein Walkie-Talkie hält er Rücksprache mit einem Kollegen. Ob die Nummer auf dem Zettel an der Tafel steht. „Negativ“, heißt es. Sie sollen weiter warten. Rafaat Alaya war schlauer: Er hat ein Foto gemacht, als ihre Nummer angezeigt wurde. Das Problem: Zwischen Container und Haus A liegen ein paar Meter. Bis man dort angekommen ist, kann es durchaus sein, dass die Nummer weiter gerutscht und nicht mehr zu sehen ist. Viele werden weggeschickt.

Mittlerweile ist auch wieder eine deutsche Freundin der Alayas dabei. Nach längeren Diskussionen darf auch sie mit rein. Auf Deutsch geht alles schneller. Heute ist der Tag, an dem die Familie endlich in die sogenannte Transferzone rutschen wird. Etwas mehr Freiheit bedeutet das im Bestfall. Haben sie eine Wohnung, die im finanziellen Rahmen liegt, müssten die Kosten von einer Stelle des Lageso übernommen werden. Genau so eine Bleibe haben sie. Durch die Berichte in der Berliner Morgenpost wurde ein Hausvermieter auf die Alayas aufmerksam.

13 Uhr: Sie werden aufgerufen. Rein ins Zimmer einer Sachbearbeiterin. Moment, die Akte der Familie habe sie noch nicht bei sich im dritten Stock. Die sei noch in der anderen Abteilung, eine Etage drüber. Das kann nicht sein. Immerhin liegen nun fünf Tage zwischen dem vergangenen und diesem Termin. Und nun? Die Familie müsse wieder hoch in den vierten Stock, um dort den Verbleib der Akte zu klären. Ob sie die Unterlagen nicht auf einem kürzeren Weg holen könne? Nein, das ginge nicht.

Im vierten Stock werden sie von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter geschickt. Niemand weiß so richtig Bescheid. Fragen auf den Fluren an die Mitarbeiter werden abgewinkt. Meist deshalb, weil es heute ihr erster Tag sei oder sie eigentlich für eine andere Abteilung arbeiten. 13.50 Uhr: Endlich sitzen sie in einem der Zimmer. Die Sachbearbeiterin könne die Akte nicht finden. Sie sollen wiederkommen. Die Stimmung sackt ab, landet irgendwo zwischen Verzweiflung und Wut.

Auf einmal ist die Akte da

Und plötzlich taucht sie doch auf, die Akte. In die dritte Etage könne die Mitarbeiterin sie allerdings heute nicht mehr bringen. Daher müssten sie nun erneut einen Termin ausmachen. Gegen Ende der Woche zum Beispiel. Nach weiteren Diskussionen bekommen sie aber doch einen für den nächsten Tag. Zwar müssten sie wieder eine Nummer ziehen, nur könnten sie direkt in den Container. Die Sachbearbeiterin macht einen Vermerk auf dem Zettel. Damit würde die Security ihnen am Folgetag direkt Eintritt gewähren.

14.15 Uhr: Die Freundin der Alayas steht am Eingang vor einem der Security-Männer und hält ihm den Schrieb unter die Nase. Ob er sie morgen mit dieser Formulierung tatsächlich gleich reinlassen würde? Lachend schüttelt er den Kopf. Niemand würde sie mit diesem Vermerk reinlassen. Er diktiert, was da stehen müsste. Der nächste Tag, 7.30 Uhr: Tatsächlich klappt der direkte Zutritt. 12.30 Uhr: Die Nummer erscheint auf der Anzeigetafel. Und wieder rüber in Haus A. Dritter Stock.

13 Uhr: Kitagutschein, Verlängerung der Hostelgutscheine, und das, obwohl sie doch schon längst in die Wohnung hätten ziehen können. Um dafür die Kosten erstattet zu bekommen, ist allerdings ein weiterer Termin nötig: in Haus K. Dort müssen sie das Angebot des Hausbesitzers vorlegen, das sie bereits seit anderthalb Wochen mit sich tragen. Nun müssen die Daumen gedrückt werden, dass die Akte der Alayas diesmal weitergeleitet wird. Immerhin steht dann nicht nur der Transport zwischen zwei Stockwerken, sondern sogar zwischen zwei Häusern an.

Die Berliner Morgenpost begleitet die Familie Alaya seit ihrer Ankunft in Berlin und berichtet über ihren Weg.