Politik

Sieben Lehren aus der NRW-Wahl Für die CDU steht es drei zu null

Armin Laschet und Hannelore Kraft: Der eine freut sich, die andere wirkt fast schon erleichtert.

Armin Laschet und Hannelore Kraft: Der eine freut sich, die andere wirkt fast schon erleichtert.

(Foto: REUTERS)

Wer hätte das gedacht? Statt lässig zwei Wahlen zu gewinnen, hat die SPD in diesem Jahr drei Wahlen verloren. Dagegen hätte der Start in den Bundestagswahlkampf für die CDU kaum besser laufen können. Sieben Lehren aus der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen - für jede Partei eine.

Die Stimmung in der CDU könnte kaum besser sein

Der Jubel bei der CDU in Düsseldorf war enorm. Schließlich kann die Partei erst zum zweiten Mal seit 1967 das Amt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten besetzen. Aber auch außerhalb von NRW ist der Wahlsieg für die Union ein großer Erfolg: Seit dem Amtsantritt von Angela Merkel als Bundeskanzlerin im Jahr 2005 hat die CDU Ministerpräsidenten nur verloren, nicht gewonnen. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem die SPD erstmals seit langer Zeit Aussicht zu haben schien, Merkel aus dem Kanzleramt zu vertreiben, dreht der Trend sich um.

Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als könnte die CDU allenfalls eine der drei Landtagswahlen in diesem Jahr gewinnen: die im Saarland, im März. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, so glaubten viele, seien die SPD-Ministerpräsidenten so gut wie unbesiegbar. Und jetzt? In Kiel wird demnächst Daniel Günther in die Staatskanzlei einziehen, in Düsseldorf Armin Laschet. Laut Infratest Dimap konnte die CDU in NRW 440.000 Nichtwähler mobilisieren, mehr als alle anderen Parteien zusammen. Ein CDU-Wahlkämpfer twitterte am Wahlabend ein Bild. Demnach steht es im Spiel gegen die SPD drei zu null für die CDU. Die Stimmung in der Union könnte kaum besser sein. Sogar eine Koalition mit der FDP ist möglich, wenngleich mit hauchdünner Mehrheit.

Sicher ist ein Wahlsieg von Merkel bei der Bundestagswahl im September damit natürlich nicht, auch wenn gute Stimmung unter Wahlkämpfern viel wert ist. Aber der Rückenwind, den die Kanzlerin gerade hat, ist schon beachtlich. Erinnert sich noch jemand an all die Artikel über eine angebliche "Merkel-Dämmerung", die 2015 und 2016 erschienen?

Schulz steht als Depp da

Nordrhein-Westfalen ist bekanntlich die "Herzkammer der Sozialdemokratie". Eine Niederlage dort schmerzt doppelt. Aber es ist sogar noch schlimmer: Die 31,2 Prozent vom Sonntagabend sind das schlechteste Ergebnis der SPD in der Geschichte dieses Bundeslands. Zwar bemühten sich die Sozialdemokraten in Düsseldorf und in Berlin, den Ausgang der Wahl landespolitisch zu begründen. Um das zu untermauern, trat Hannelore Kraft sogar als Landeschefin und Bundesvize der SPD zurück (und wirkte fast ein wenig erleichtert dabei). Die Argumentation stimmt sogar – es gab eine Wechselstimmung in NRW, die mit der anstehenden Bundestagswahl nichts zu tun hatte, und auch nichts mit Martin Schulz.

Dennoch ist das Signal, das von NRW ausgeht, nicht gut für den Kanzlerkandidaten der SPD. "Wenn Hannelore in NRW gewinnt, werde ich Bundeskanzler!" Das hatte Schulz Anfang April gesagt, am Wahlabend mussten sich Sozialdemokraten diesen Satz immer wieder vorhalten lassen. Alle sagten, dass der Umkehrschluss nicht gelte. Schulz trägt keine Verantwortung für die Niederlage, dennoch ist er derjenige, der sie nun ausbaden muss. Er ist nicht schuld und steht jetzt trotzdem da wie ein Depp.

Die FDP ist zurück

"Wer hätte diesen Abend im Herbst 2013 für möglich gehalten?", rief FDP-Chef Christian Lindner auf der Wahlparty der Liberalen in Düsseldorf seinen begeisterten Parteifreunden zu. Für ihn ist das Signal des Abends eindeutig: Die FDP ist wieder da. Nach der Bundestagswahl in vier Monaten will Lindner nach Berlin wechseln. Den Wahlabend in Düsseldorf nutzte er, um deutlich zu machen, dass seine Partei sich nicht mehr als natürlicher Koalitionspartner der CDU versteht. Er sei "nicht der Wunsch-Koalitionspartner von Herrn Laschet", sagte Lindner mehrfach, "und er ist nicht meiner".

Niemand soll auf die Idee kommen, dass Schwarz-Gelb 2017 auch nur im Entferntesten an Schwarz-Gelb 2009 erinnert. Damals schlossen Union und FDP auf Bundesebene eine "Wunsch-Koalition", die sich dann vier Jahre lang zerlegte. Das Ergebnis ist bekannt: 2013 flog die FDP aus dem Bundestag und galt als politisch tot. Seither kümmert Lindner sich um die Wiederauferstehung. Erfolgreich, wie man sieht.

Alle Zahlen, alle Fakten zur Wahl in NRW.

Die Abwahlstimmung richtete sich gegen die Grünen

In Schleswig-Holstein haben die Grünen vor einer Woche 12,9 Prozent geholt und landeten vor der FDP, in Nordrhein-Westfalen mussten sie fürchten, aus dem Landtag zu fliegen. Dort zogen sie viel Kritik auf sich, die sich gegen die Landesregierung insgesamt richtete. Ein Grund: Sie hatten mit Bildungsministerin und Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann die Schulpolitik zu verantworten – Umfragen zeigen, dass viele Wähler dieses Thema als Problem ansahen.

Von CDU und FDP wurden die Grünen zudem erfolgreich als die Partei dargestellt, der die durchwachsene wirtschaftliche Situation des Bundeslandes anzulasten ist. "Bei viel Kritik speziell an den Grünen führt die schlechte rot-grüne Regierungsbilanz zu einer klassischen Abwahlstimmung", analysierte die Forschungsgruppe Wahlen. Aus Sicht der Grünen unangenehm: Die deutschlandweiten Umfragen zeigen, dass nicht ihr Wahlerfolg in Schleswig-Holstein im Bundestrend liegt, sondern ihr Ergebnis in NRW.

Selbst eine zerstrittene AfD kommt auf mehr als 7 Prozent

Für Marcus Pretzell ist die Wahl kein Erfolg - aber immerhin weiß seine Partei jetzt, wie stark sie ist, wenn sie alles falsch macht.

Für Marcus Pretzell ist die Wahl kein Erfolg - aber immerhin weiß seine Partei jetzt, wie stark sie ist, wenn sie alles falsch macht.

(Foto: REUTERS)

Man kann das AfD-Ergebnis als Erfolg, aber auch als Niederlage deuten. Als Niederlage, weil die AfD in ihren besten Zeiten zweistellige Ergebnisse geholt hat. Ihr bislang größter Erfolg waren 24,2 Prozent in Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr, aber auch alle anderen Wahlergebnisse 2016 waren zweistellig – nicht nur in Ostdeutschland, auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. So gesehen sind die 7,4 Prozent in Nordrhein-Westfalen fast schon blamabel.

Aber die AfD hat sich auch alle Mühe gegeben, Wähler zu verprellen. Das räumte sogar der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Alexander Gauland, ein. Über die parteiinternen Streitigkeiten sagte er am Wahlabend, es sei durchaus möglich, "dass diese Diskussionen auch dazu beigetragen haben, dass Wähler abgesprungen sind". Man kann das positiv deuten, und Gauland tut es auch: Da diese Konflikte nun "hinter uns liegen, kann es ja nur besser werden". Man könnte auch sagen: Selbst, wenn die AfD alles tut, um schlecht dazustehen, schafft sie immerhin noch mehr als 7 Prozent.

Und sie hat wirklich viel getan, um Wähler abzuschrecken. Auf Bundesebene stritt die Partei um den Umgang mit dem völkischen Rechtsausleger Björn Höcke und über den "realpolitischen Kurs", für den AfD-Chefin Frauke Petry beim Parteitag in Köln keine Mehrheit bekam. In NRW war Spitzenkandidat Marcus Pretzell, Petrys Ehemann, alles andere als unumstritten. So gesehen sind 7,4 Prozent kein schlechtes Ergebnis.

Die Linke hat Tipps für die SPD

An der Fünfprozenthürde gescheitert, aber trotzdem gut gelaunt? Die Linke versucht das zumindest. "Wir haben unsere Stimmen verdoppelt", sagte Linken-Chef Bernd Riexinger in Berlin, und fast jeder Linken-Politiker dort und in Düsseldorf wiederholte diesen Satz. Das ändert nichts daran, dass die Partei in weniger Landtagen vertreten ist als die AfD. Für die Bundestagswahl muss sie zwar nicht fürchten, aus dem Parlament zu fliegen. Aber eine wirkliche Macht- und Veränderungsperspektive hat sie nur mit SPD und Grünen.

Eine solche Perspektive ist nicht zu erkennen, im Gegenteil: Riexingers Co-Vorsitzende Katja Kipping forderte vom SPD-Kanzlerkandidaten Schulz, dieser solle sich zu einer "linken" Politik bekennen. Die CDU wäre vermutlich begeistert, wenn Schulz dies täte.

Die Piraten sind dann mal weg

Bleiben die Piraten. Sie stürzten von 7,8 Prozent auf 1,0  Prozent ab. Der Grund? "Niemand interessiert sich für ihre Themen", so der Politologe Carsten Koschmieder zu n-tv.de, "sie hat kein bekanntes Spitzenpersonal, sie ist eine Kleinstpartei ohne Geld und Ressourcen. Dann bekommt man halt zwischen null und zwei Prozent." Ihren kurzen Erfolg haben die Piraten nicht eigenen Fähigkeiten zu verdanken, sondern allein der Tatsache, dass ein Teil der Wähler unzufrieden mit den anderen Parteien war. Das ist vermutlich immer noch so. Aber die Piraten haben nichts mehr davon.

Quelle: ntv.de

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