Urteile gegen Berliner Obdachlosen-Anzünder: Zwei Jahre und neun Monate Haft für Haupttäter 

Drei weitere Angeklagte auf Bewährung verurteilt, drei andere kommen mit Arrest davon

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Von: Von KARIN HENDRICH

Heiligabend 2016: Eine Feuerattacke auf einen schlafenden Obdachlosen in einem U-Bahnhof in Berlin-Kreuzberg erschüttert Deutschland.  

Berlin – Knapp ein halbes Jahr nach der Tat wurden die Täter am Dienstag vor dem Landgericht Berlin verurteilt. Bis auf den Hauptangeklagten kamen alle mit milden Strafen davon. 

► Der Hauptangeklagte Nour N. (21) bekam mit zwei Jahren und neun Monate Haft wegen gefährlicher Körperverletzung noch die härteste Strafe. 

► Drei 17 bis 18 Jahre alte Mitangeklagte wurden wegen Beihilfe zu Jugendstrafen von jeweils acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

► Zwei weitere Angeklagte im Alter von 16 und 19 Jahren bekamen wegen unterlassener Hilfeleistung jeweils vier Wochen Arrest und müssen gemeinnützige Arbeit leisten.

► Ein siebter Mitangeklagter war bereits zuvor zu zwei Wochen Jugendarrest wegen unterlassender Hilfeleistung verurteilt worden.  

Mit diesen Urteilen blieb das Gericht weit unter dem eigentlichen Anklage-Punkt des Mordversuchs. Dafür hätte unter Umständen lebenslange Haft gedroht.   

Die Plädoyers der Verteidigung 

Am Dienstagvormittag waren zunächst die Plädoyers der Verteidigung gehört worden. Der Verteidiger des 21 Jahre alten Hauptverdächtigen Nour N. hatte eine Bewährungsstrafe gefordert. Es kämen maximal zwei Jahre Haft auf Bewährung infrage, sagte Alexander Wendt: „Es bleibt der Versuch einer einfachen Körperverletzung.“ Es sei keine äußerst gefährliche Handlung nachgewiesen worden. „Es bestand keine Lebensgefahr“, sagte er in seinem Plädoyer.

Für die anderen Angeklagten hatten die Verteidiger in drei Fällen eine Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung gefordert. Für zwei Angeklagte waren Freisprüche verlangt worden. Sie hätten von dem Vorfall nichts mitbekommen, argumentierten die Anwälte. 

Nour N. (21) gilt als Haupttäter der grausamen Attacke. Er ließ eine Erklärung verlesen, in der er die Tat gestand 

Nour N. (21) gilt als Haupttäter der grausamen Attacke. Er ließ eine Erklärung verlesen, in der er die Tat gestand 

Foto: Polizei

Das Gericht hatte bereits angedeutet, dass auch eine Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Frage kommen könnte. Versuchte gefährliche Körperverletzung wiegt aus juristischer Sicht nicht so schwer wie versuchter Mord.

Bereits am vergangenen Freitag waren fünf Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft 

► Für den Haupttäter Nour N. hatte Staatsanwalt Martin Glage bereits am vergangenen Freitag vier Jahre Knast wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes gefordert. Der 21-Jährige hatte zugegeben, ein Taschentuch in Brand gesteckt zu haben. Er habe den Mann aber „nur durch ein kleines Feuerchen aufschrecken wollen“. Zu keinem Zeitpunkt habe er mögliche tödliche Folgen in Kauf genommen. 

► Wegen Mittäterschaft zum versuchten Mord, hatte der Staatsanwalt für die Angeklagten Ayman S. (17) und Khaled A. (18) zwei Jahre und zehn Monate; und gegen Mohammad M. (18) zwei Jahre und sechs Monate Jugendstrafe gefordert.

► Nur für die beiden Angeklagten Bashar K. (16) und Mohamad Al.-J. (19) hatte er Jugendstrafen von je zwei Jahre auf Bewährung wegen Beihilfe beantragt. „Ihre Teilnahme am Geschehen setzte erst sehr spät ein. Aber auch sie unternahmen nichts.“

Die Angeklagten beim Prozessauftakt. Von vorne: Bashar K. (16), Mohamad Al J. (19), Mohammad A. (18,roter Pulli), Ayman S. (17) und ganz hinten im Bild der weinende Hauptangeklagte Nour N. (21). Verdeckt ist auf diesem Bild der Angeklagte Khaled A. (18)

Die Angeklagten beim Prozessauftakt. Von vorne: Bashar K. (16), Mohamad Al J. (19), Mohammad A. (18,roter Pulli), Ayman S. (17) und ganz hinten im Bild der weinende Hauptangeklagte Nour N. (21). Verdeckt ist auf diesem Bild der Angeklagte Khaled A. (18)

Foto: TRUEBA/EPA/REX/Shutterstock

Für den Staatsanwalt war das Mordmerkmal „Heimtücke“ erfüllt. „Auch ist keiner der Angeklagten vom Mordversuch zurückgetreten.“ Eine verminderte Schuldfähigkeit beim Hauptangeklagten hatte er verneint. „Auf dem Überwachungsvideo sind bei ihm keine alkohol- oder drogentypische Ausfallerscheinungen erkennbar. Er ist überlegt vorgegangen. Er war die treibende Kraft.“

Er sei zwar nicht wegen Gewaltdelikten vorbestraft und habe die Tat nicht längerfristig geplant, sondern spontan entschieden. „Doch dass das Opfer nicht gestorben oder beeinträchtigt ist, ist nicht sein Verdienst. Das war alles andere als ein aus dem Ruder gelaufener Dumme-Jungen-Streich.“

Darum ging's in dem Prozess 

Die Staatsanwaltschaft war davon überzeugt, dass die Männer einen Menschen bei lebendigem Leib verbrennen wollten – heimtückisch und grausam.

★ Der Obdachlose (37) aus Polen schlief am ersten Weihnachtsfeiertag 2016 auf einer Bank im Bahnhof, als Nour N. ein Taschentuch anzündete und es gegen den Kopf des Opfers warf. Das Feuer griff bereits auf Rucksack und Plastiktüte über, auf die sich der Mann gelegt hatte. Die Täter liefen weg.

Die Anklage: „Die weitere Ausbreitung des lodernden Feuers überließen sie dem Zufall.“ Das Opfer hätte „qualvoll verbrennen“ können. Passagiere einer einfahrenden U-Bahn löschten die Flammen, bevor der Mann in Brand geriet.

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