Vor 50 Jahren, am 3. Dezember 1967, gelingt dem südafrikanischen Arzt Christiaan Barnard etwas bis dahin fast Unvorstellbares: Er transplantiert einem herzkranken Mann ein neues Herz. Es stammt von einer Frau, die in derselben Nacht in Kapstadt verunglückte. In den folgenden Jahrzehnten verfeinern Ärzte diese Technik. Tausende Menschen weltweit haben seither dank einer Herztransplantation überlebt. Auch die inzwischen verstorbene Journalistin Ursula Lebert. Ihre Söhne, die ZEIT-Journalisten Andreas und Stephan Lebert haben, gemeinsam mit dem Chirurgen Bruno Reichart und der Journalistin Elke Reichart, ihre Familiengeschichte im Buch Herzensangelegenheiten aufgeschrieben. Das folgende Kapitel über die erste Herztransplantation der Welt ist ein Auszug daraus.

Heute würden die Ereignisse dieses Dezemberwochenendes in Kapstadt in Sekunden um die Welt gehen. Damals, 1967, war nur ein kleiner Kreis von Menschen eingeweiht in das, was im und um das Groote Schuur Hospital vor sich ging. Groote Schuur heißt übrigens auf Afrikaans "Große Scheune" und war in alten Zeiten das Lager der Niederländischen Ostindien-Kompanie.

Der Medienrummel um die erste Herztransplantation der Welt setzte knapp zwei Tage später ein, mit all der damals möglichen Wucht, und er traf die Beteiligten ziemlich überraschend, niemand hatte mit einem derartigen Interesse gerechnet. Zunächst aber blieb Christiaan Barnard eine Schonfrist, ein Wochenende, an dem er unbeobachtet vom Rest der Welt im südlichsten Teil von Afrika Medizingeschichte schreiben konnte.

Die erste Herztransplantation fand in der Nacht von Samstag auf Sonntag statt, vom 2. auf den 3. Dezember 1967. Dieses Datum sollte man Nichtsüdafrikanern erklären: Es war Sommer, es war Adventszeit, es war Party-Time, in allen Bevölkerungsschichten wurde gefeiert in Vorfreude auf das Weihnachtsfest, die Menschen fuhren ans Meer oder trafen sich auf den Plätzen der Stadt, in Restaurants und Bars, am Hafen und in den Parks. So war es damals, und so ist es noch heute.

In der Notaufnahme des Groote Schuur Hospitals – der Grand White Lady im englischen Kolonialstil am Fuße des Kapstädter Tafelbergs, über deren Eingang des Nachts die Statue von Florence Nightingale den Patienten und den spät arbeitenden Ärzten mit ihrer Laterne den Weg leuchtete – herrschte Hochbetrieb. Ohnehin war die Emergency Ward der Klinik regelmäßig ab Freitagabend überfüllt, in der Mehrzahl mussten die Ärzte Stichverletzungen nach Messerattacken behandeln.

Der Grund dafür: Immer freitags zahlten die (weißen) Chefs die Löhne aus an ihre (schwarzen und farbigen) Arbeitskräfte, die das Geld sehr oft und sehr schnell in Alkohol umsetzten, was wiederum sehr zuverlässig zu heftigen Auseinandersetzungen und anschließenden Krankenhausaufenthalten führte. Die Statistik der Millionenstadt verzeichnete an einem Durchschnittswochenende rund dreißig "unnatürliche" Todesfälle allein im Groote Schuur Hospital, in der Adventszeit waren es oft noch mehr.

An diesem Nachmittag des 2. Dezember 1967 wurde ein Unfallopfer eingeliefert: Denise Darvall, eine fünfundzwanzigjährige weiße Bankangestellte. Man hätte sie in die Notaufnahme tragen können, nur wenige hundert Meter vor dem Eingang des Groote Schuur Hospitals war die junge Frau von einem Auto überfahren worden. Ihre Mutter, mit der sie nach dem Einkauf in einer Bäckerei die Straße überquert hatte, starb noch am Unfallort.

Die Neurochirurgen stellten bei Denise einen irreversiblen Hirnschaden fest, der in absehbarer Zeit zum Tode führen würde. Südafrika war 1967 das einzige Land weltweit, in dem in einer derartigen Situation und zu diesem Zeitpunkt eine Therapie abgebrochen und die Erlaubnis zur Transplantation gegeben werden durfte. In jedem anderen Land – zum Beispiel in den USA, wo Shumway, Lower und Kantrowitz so dringend auf Spender warteten – hätte der Herzstillstand abgewartet werden müssen.