Die FSC-Lüge?

in der Nähe von Hagfors in Schweden. Bild: Jana Förste, Gerriet Harms

FSC-zertifikat.  Die Kritik am Forest Stewardship Council (FSC) wächst. Immer mehr Umweltschützer, aber auch Unternehmer und Wissenschaftler wenden sich ab. Die Gründe dafür liefern Studien und Beweisfotos. Ist der FSC besser im Geld verdienen als bei der Nachhaltigkeit?

«Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht», heisst es im Volksmund. Was aber, wenn ein komplexes System in Gänze von den einen als Lüge betitelt und von den anderen als einzig glaubwürdiger Vertreter gesehen wird? Genau – dann gibt es eine heftige Kontroverse darum, was richtig und was falsch ist. Und genau das erlebt das von den Umweltschützern lange Zeit als allein heilbringendes Zertifizierungssystem für Wald und Holz gehandelte Label des Forest Stewardship Councils (FSC) zunehmend.

Der Alleinherrschaftsanspruch des FSC über den «rechten Weg», der von mächtigen Lobbyverbänden wie dem WWF unterstützt wird, erweist sich dabei zunehmend als Bärendienst. Denn nicht nur Umweltschützer haben die Rhetorik der Labelvertreter vom «guten Holz mit FSC» und «schlechtem Holz ohne FSC-Siegel» satt. Zumal durch das FSC-Zertifikat das Tropenholz wieder salonfähig wurde in vielen Ländern Mitteleuropas. Im Zweifelsfall, so die Botschaft, lieber ein Tropenholz mit FSC-Zertifikat als ein europäisches Holz ohne FSC-Siegel. Nicht nur Fachleute fragen sich angesichts unvermindert fortschreitender Waldvernichtung in den Tropen, ob solche einfachen Botschaften nicht an der Wirklichkeit vorbeigehen und ob auch beim FSC alles mit rechten Dingen zugeht.

Mangelnde Transparenz

Der Hauptkritikpunkt aber ist: Der FSC wird seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht – im Gegenteil. Der Verein Rettet den Regenwald spricht von der «Labellüge» und dem «FSC-Zertifikat als Türöffner für die Urwaldabholzer». Der Verein ist schon vor Jahren aus dem FSC ausgetreten. Ins gleiche Horn stösst das Ergebnis einer Studie der britischen Umweltorganisation Rainforest Foundation. Bereits vor Jahren kam diese zu dem Schluss: «Das weltweit wichtigste Ökolabel für Holzprodukte ist reiner Betrug am Konsumenten.»

Verstösse der Waldwirtschaft gegen die gute fachliche Praxis und das Gebot der Nachhaltigkeit listet die Organisation FSC-Watch auf ihrer Internetseite auf. Und die Liste ist lang. Das FSC-Label wurde ursprünglich für eine Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Waldwirtschaft in den Tropen ins Leben gerufen. Nach über 16 Jahren Tätigkeit lässt sich festhalten: 3% der weltweiten Waldfläche sind nach FSC zertifiziert. 87% davon liegen in der UNECE-Region, davon 58% in Nordamerika und 29% in Westeuropa. Nur 13% der FSC-Flächen finden sich heute in den Tropen. Laut Rettet den Regenwald stehen den 70 Mio. ha FSC-Wald zudem etwa 50 Mio. ha Holzplantagen gegenüber. Demnach sind über 40% der FSC-Holzbodenfläche Monokulturen. Das war auch der entscheidende Grund für die Umweltschutzorganisation Robin Wood, ihre Mitgliedschaft bei FSC-International zu kündigen.

Weiterer wichtiger Kritikpunkt ist neben der Zertifizierung von Primärwäldern und damit der Urbarmachung von bislang nicht genutzen Flächen auch die mangelnde Transparenz im komplexen System. «FSC und die akkreditierten Zertifizierer lassen Kritik weitgehend an sich abprallen. Beschwerden verlieren sich in langwierigen internen Verfahren. Zudem bestimmen die Holzfirmen, welchen Zertifizierer sie unter Vertrag nehmen, und bezahlen diesen direkt. Deren Unabhängigkeit wird damit ausgehöhlt. Auch von Transparenz ist wenig zu spüren. Über die Herkunft der zertifizierten Hölzer haben Kunden und die interessierte Öffentlichkeit keinen Einblick, die Rückverfolgbarkeit ist für sie nicht möglich. Der Zutritt zu den Einschlagsgebieten ist meist verboten. Eine unabhängige Überprüfung der Aktivitäten ist faktisch unmöglich», so Rettet den Regenwald. Eine An- frage der Redaktion, eine FSC-zertifizierte Plantage von Teak Austria in Costa Rica zu besuchen, wurde vom Unternehmen mit dem lapidaren Hinweis abgelehnt, dies sei nur für die Stakeholder möglich. Bilder von zertifizierten Plantagen stören mutmasslich das Marketingkonzept und das schöne Bild, oft und gern gezeichnet.

Kritik von allen Seiten

Eine Diplomarbeit über den FSC kommt vor gut zwei Jahren zum Ergebnis: «Der dem FSC unterstellte Schutz der Regenwälder ist völlig illusorisch und kann allein wegen der am Markt orientierten Taktik nicht funk- tionieren», so der Wortlaut der Arbeit. Gemeint ist damit die innere Logik des Systems des FSC hin zu grossen Einheiten als Wachstumsmotor. So sei «die Unterstützung tropischer Kleinbetriebe verschwindend gering im Gegensatz zu Grossunternehmen und Regierungen, die 96% der zertifizierten Flächen innehaben. Da den enormen Zer- tifizierungskosten nur wenig wirtschaft- licher Nutzen gegenübersteht, werden sich nur Grosskonzerne diesen marktstrategischen Luxus leisten und Kleinbetriebe – gerade auch in den Tropen – sehen weiterhin davon ab», so die wissenschaftliche Arbeit.

In der Diplomarbeit wurden die Strukturen, Zertifizierungs- und Kontrollmechanismen untersucht. Und auch hier ist das Ergebnis vernichtend: «Die Garantie von Legalität oder einer nachhaltigen Nutzung von Wäldern ist durch ein derartiges Kontrollsystem und die Kennzeichnung von Produkten nicht gegeben.»

Hausgemachte Probleme

Seit der Gründung von FSC wurden die unterschiedlichen nationalen Standards kritisiert. Wie soll auch erklärt werden, dass in einem europäischen Land wie der Schweiz kein Abrücken auch von noch so unsinnigen, aber einmal festgesetzten Standards möglich ist, aber Holz aus den Tropen von grossflächigen Monokulturen oder weiträumigen Kahlschlägen das gleiche Siegel trägt? Wie soll das Label glaubwürdig sein, wenn zwar die Wertschöpfungskette jeden erdenklichen Nachweis erbringen muss, das System selbst aber sich nicht in die Karten schauen lässt?

Damit die Wachstumsstrategie aufgeht, erfand man das FSC-Mixed-Label mit eigenen, für den Konsumenten nicht zu durchschauenden Regeln. FSC-Mixed ermöglicht es vor allem grossen Unternehmen, mit unterschiedlichen FSC-Inhalten zu jonglieren. So ist es möglich, dass über das heute gültige Mengenkonto Produkte das FSC-Siegel tragen, die nicht einmal eine Spur von FSC enthalten.

«Als wir das Label eingeführt haben in der Holzindustrie Schweiz, war es nicht möglich, 60 oder 80% der Produktion zu zertifizieren. Bedingung war strikt 100%, und es wurde uns versichert, dass dies eine Hauptbedingung sei und man das Label nicht verwässern wolle», sagt Paul Aecherli, Sägerei und Holzhandel in Regensdorf. Aecherli war massgeblich beteiligt, als es darum ging, dem Druck von FSC über die Zertifizierung der grossen Detailhändler in der Schweiz durch die Gruppenzertifizierung etwas entgegenzusetzen, und ist heute auch ausgetreten aus dem FSC-System.

«In einem Holzstapel von 200 Brettern musste jedes einzelne Stück rückverfolgbar sein.» Ein einzelnes Brett aus einem nicht zertifiziertem Baumstamm in einem solchen Paket würde das gesamte Paket kontaminieren und 100% FSC sei somit ausgeschlossen. «Deshalb mussten auch Rundholztransporte strikt getrennt werden. Es gilt: Nur FSC-Stämme auf einem Lastwagen vom Wald in die Sägerei und dort separat lagern und Stück für Stück kennzeichnen. Wer die klein strukturierten Waldflächen mit den vielen Waldbesitzern in der Schweiz kennt, mit einem Teil FSC-Zertifikaten und der Nachbar mit drei nicht zertifizierten Stämmen, kann nachvollziehen, dass eine separate Abfuhr schlicht nicht möglich ist. Im Gegenteil: Es ist ein ökologischer Blödsinn erster Güte, den Lastwagen zwei Mal in den gleichen Wald fahren zu lassen und mit halber Ladung zurück- zukommen. Von den Kosten gar nicht zu sprechen», erklärt Aecherli.

Wie geht es weiter?

Und auch in Sachen Transparenz hat Paul Aecherli seine Erfahrungen gemacht: «Anfragen an FSC Schweiz wurden immer nach Bonn weitergeleitet und dann zum Teil nach mehreren Wochen in englischer Sprache beantwortet. Generell wurde jedoch nie auf ein Anliegen eingegangen, sondern strikt und ausschliesslich auf die FSC-Bestimmungen verwiesen. Es wurde immer im Einbahnsystem verordnet und verfügt», so Aecherli.

Man darf also gespannt sein, wie lange der FSC sich solch herrschaftliches Gebaren noch leisten kann, und auch, ob er die verlustig gehende Glaubwürdigkeit wieder gewinnen kann, auch wenn dann (vielleicht) die Wahrheit gesprochen wird.

www.fsc-watch.orgwww.fragen-an-den-fsc.de

FSC-zertifizierung

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Veröffentlichung: 12. Januar 2012 / Ausgabe 2/2012

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