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Kinder, die Skifahren, sind besser in der Schule

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Skifahren macht Spaß und verbessert auch ihre geistigen Fähigkeiten, sagt Sportwissenschaftler und Hirnforscher Frieder Beck.
Skifahren macht Spaß und verbessert auch ihre geistigen Fähigkeiten, sagt Sportwissenschaftler und Hirnforscher Frieder Beck. © DLSV

Wie wirkt sich ein Skitag positiv auf Schulnoten aus? Der Sportwissenschaftler und Hirnforscher Frieder Beck hat diverse Studien analysiert. Und aus der Theorie Rezepte für die Praxis entwickelt.

Sein Credo: „Bewegung macht uns schlau.“ Warum, das erklärte Frieder Beck in einem packenden Vortrag beim Wintersportkongress „Dein Winter. Dein Sport“ in Rottach-Egern.

Intelligenz allein verpufft, wenn sie nicht sinnvoll eingesetzt wird. Dabei hilft Sport - weil die Rahmenbedingungen, um das geistige Potenzial abzurufen, trainierbar sind.

Frieder Beck hat eine Reihe internationaler, wissenschaftlicher Studien analysiert. Exemplarisch greift er am Tegernsee ein paar Ergebnisse heraus:

Woran liegt das? Frieder Beck, der 13 Jahre lang Trainer der Deutschen Nationalmannschaft Ski Freestyle war, sieht den Schlüssel zum Erfolg in sogenannten exekutiven Funktionen: der Selbstregulation. 

„Worauf kommt es in Schule und Beruf an?“, fragt er und liefert die Antworten gleich mit: „Sich auf eine Sache oder Tätigkeit konzentrieren zu können. Ideen im Gedächtnis zu behalten und zu bearbeiten. Kurzfristigen Versuchungen – wie einem Computerspiel auf dem Smartphone – zu widerstehen und solch einen Belohnungsaufschub zu bewältigen, um langfristige Ziele zu verfolgen. Impulsives Verhalten zu hemmen und situationsangemessen zu reagieren.“

Sport fördert die Konzentration

Und dies alles forciert der Sport? „Ja“, glaubt der Hirnforscher, „der Intelligenzquotient lässt sich kaum durch Training verbessern – dafür aber unsere exekutiven Leistungen.“ Die Selbstregulation also. Und die Fähigkeit, sich zu konzentrieren oder in Stressmomenten die Ruhe zu bewahren. „Treiben wir regelmäßig Sport, werden häufig dieselben Gehirnsysteme stimuliert, in denen auch die exekutiven Funktionen beheimatet sind. Ebenso wird unser Lern- und Motivationssystem im Kopf gefördert.“

Um diesen Prozess zu verstehen, tritt Frieder Beck eine Reise in die Vergangenheit an – der Grundaufbau unseres Gehirns sei nämlich etwa 30.000 Jahre alt. Die Welt damals: wild. Ein Überlebenskampf. „Es galt, nicht bloß Nahrung zu finden, sondern zugleich, dabei nicht von Tieren wie dem Säbelzahntiger gefressen zu werden. Wenn die damaligen Menschen beispielsweise zu dritt ein Mammut erlegt hatten, mussten sie es zerlegen, das Fleisch verstecken, den Weg zurückfinden. Und aufpassen, wenn es im Gebüsch raschelt“, schildert Beck plastisch ein Szenario. „Nur diejenigen konnten ihre Gene weitergeben, die draußen unterwegs, wachsam und aktiv waren. Heute, wenn wir uns in der Natur bewegen, aktivieren wir also 30 000 Jahre alte Gene.“

Die selektive Aufmerksamkeit stärken, Störreize unterdrücken: Laut mehreren Studien schlägt die Selbstregulation in puncto schulischer Leistung den Intelligenzquotienten. Was die Frage aufwirft: Wie lassen sich diese exekutiven Funktionen am besten trainieren?

Was passiert beim Lernen im Gehirn?

Anhand von Grafiken geht Frieder Beck ins Detail, erklärt die Funktionsweise der Synapsen. Jener neuronalen Verknüpfungen also, die Informationen von einer Zelle zur anderen übertragen. Lernen bedeute, dass sich Anzahl und Größe der Synapsen erhöhen, „wobei sie gebrauchsabhängig ihre Übertragungseigenschaften verändern“. Dazu erforderlich seien der Wachstumsfaktor BDNF (Brain derived neurotrophic factor) und der Botenstoff Dopamin. „Dieser Wunderdünger fürs Gehirn“, betont Frieder Beck, „wird ausgeschüttet, je mehr ich mich bewege.“ Sein Rezept: „Synapsen lieben Sport!“

Ausdauertraining hat einen Effekt

Auch diese These ist durch Studien belegt. Ausdauertraining, alle ein oder zwei Tage, bewirkt einen Anstieg von BDNF. Interessant ist, warum Vokabellernen nach einer anaeroben Belastung (also an der muskulären Leistungsgrenze) um 20 Prozent schneller erfolgt als nach einer weniger intensiven aeroben Belastung und ebenfalls schneller als nach einer Ruhebedingung. Dieser kurzfristige Lernerfolg wird dem erhöhten BDNF-Spiegel nach anaerober Belastung zugeschrieben, die verbesserte Behaltensleistung nach aerober Bewegung indes der Dopaminkonzentration.

Botenstoff Dopamin 

Sport macht schlau – von diesem Grundsatz ausgehend stellte sich Frieder Beck die Frage: Wie fördern wir speziell Kinder optimal? Welche Art der sportlichen Aktivität führt zu komplexen, „dopaminergen Fertigkeiten“? Neben Aspekten wie Koordinationstraining (Effekte auf geistig-motorische Schnittbereiche im Gehirn), aerobem Training (begünstigt neuronale Strukturen/BDNF) und Regelmäßigkeit (sichert die Effekte) hebt der Sportwissenschaftler auf Freiwilligkeit und eine anregende Umgebung ab: „Ein gutes Gefühl wird mit Hilfe von Dopamin getaggt. Je anregender die Umgebung ist, desto mehr Dopamin wird ausgeschüttet.“

Und damit ist Frieder Beck beim Wintersport. Als Beispiel nennt er das Skifahren, das mit modernen Material rasch zum Vergnügen werde: „Ein Kind kann in ein bis zwei Tagen Grundtechniken und Schwünge so lernen, dass es ein positives Erlebnis hat. Diese Ersterfahrung ist die Initialzündung, aus eigenem Antrieb zu sagen: ,Mama, ich will das nochmal machen‘. Diese positive Stimmungslage wird verankert, der Bergpanorama-Effekt lässt bescheidene Regentage vergessen – glitzernder Pulverschnee auf dem Bildschirmschoner löst einen Anreiz aus: Ich will loslegen!“

Den Impulsvortrag von Frieder Beck diskutierte beim Wintersportkongress in Rottach-Egern eine hochkarätig besetzte Expertenrunde. Dr. Hubert Hörterer, Mannschaftsarzt Ski alpin beim Deutschen Skiverband, bestätigte: „Sport wirkt sich günstig auf den Stoffwechsel aus und auf Belastungen im Alltag – man kann besser auf Stresssituationen reagieren. Davon zehren wir auch im Alter. 60-Jährige, die regelmäßig Sport treiben, sind fitter als inaktive 40-Jährige.“ 

Der Präsident de Deutschen Skilehrerverbands, Wolfgang Pohl, bezeichnete die Skilehrer der Moderne als „Gehirnentfaltungscoach“ – sie würden nicht nur Fahrtechnik vermitteln, sondern seien zugleich „Fitness- und Gesundheitstrainer“. Wintersport tue Kindern gut, so Pohl: „Sie erreichen in der Schule signifikant höhere Leistungen.“

Daran, dass der Schulsport teils vernachlässigt werde und immer weniger Skilager stattfänden, störte sich Barbara Roth vom Deutschen Sportlehrerverband. Die Präsidentin des Landesverbands Bayern verwies darauf, dass viele Lehrer 40 Projekttage pro Schuljahr durchführen würden – aber außersportlich. „Man muss Eltern und Lehrern wieder klar machen, welch enorme Bedeutung der Sport für die Bildung hat“, forderte Roth.

Peter Schlickenrieder, ehemaliger Langlauf-Olympiazweiter sowie Schulsportförderer im DSV, wählte ein drastisches Bild für die gesellschaftliche Verankerung des Schulsports: „Das ist der größte Berg, der Mount Everest, und wir sind noch nicht einmal im Basislager angekommen.“ Dabei würden Kinder und Jugendliche von der Vielfalt von Natur- und Outdoorsportarten immens profitieren: „Damit vermittelt man ihnen das bessere Leben.“

Die Wirkung der Natur, Frieder Beck beschrieb sie so: „Sie sind allein im Wald, das Gehirn spielt mit sich selbst: Selbstreflexion, in Gedanken den Tag organisieren, im Geist aufgehen – draußen klappt das besser als am Schreibtisch.“

Buchtipp

„Sport macht schlau“ von Frieder Beck; erschienen im Goldegg-Verlag, 19,95 Euro.

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