Donnerstag, 28. März 2024

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Abgasnormen in der EU
"Wir sollten nicht alles nach Brüssel delegieren"

Der Fraktionsvize der CDU, Michael Fuchs, hält nichts davon, dass von Brüssel aus weitere Kontrollen zu Prüfung der Abgaswerte eingeführt werden. Die Regelungen sollten besser auf nationaler Ebene gemacht werden, sagte Fuchs im DLF. Außerdem sei der Ausstoß von Stickstoff-Monoxid im letzten Jahrzehnt erheblich gesunken: "Viel weiter runter geht das nicht".

Michael Fuchs im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.04.2017
    Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs
    Der CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs hat im DLF Brüssel vorgeworfen, sich zu sehr in die nationale Abgas-Regelungen einmischen zu wollen. (dpa / picture alliance / Michael Kappeler )
    Tobias Armbrüster: Es war kein guter Tag für die deutsche Verkehrspolitik gestern, auch kein guter Tag für die deutsche Automobilindustrie. Denn es gibt in Sachen Diesel-Abgasen schwere Vorwürfe. Zum einen haben wir da gehört, dass deutsche Pkw die Grenzwerte bei Stickoxiden um mehrere hundert Prozent übersteigen. Das war eine Studie des Bundesumweltministeriums. Und dann gibt es offenbar Hinweise darauf, dass Berlin in Brüssel zurzeit mit allen Mitteln versuchen soll, strengere Abgasnormen in der EU zu verhindern. Die schützende Hand also über der deutschen Automobilindustrie.
    Am Telefon ist jetzt Michael Fuchs, Fraktionsvize der CDU im Deutschen Bundestag und zuständig dort unter anderem für die Wirtschaftspolitik. Schönen guten Morgen.
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Fuchs, die deutsche Autolobby scheint da ja zurzeit ganze Arbeit zu machen, oder?
    Fuchs: Das kann man überhaupt nicht so sehen. Ich will mal eins sagen: Die Automobilwirtschaft in Deutschland hat einen erheblichen Stellenwert, und zwar nicht nur für die Herstellung von Automobilen, sondern das reicht in alle Wirtschaftsbereiche hinein. Aber die deutsche Wirtschaft hat auch vernünftige Regelungen bereits gemacht. Es gibt kein Land, wo so viele Autos zurückgerufen wurden, gezwungenermaßen zurückgerufen wurden wie bei uns. Alleine VW hat 2,4 Millionen Autos in den letzten anderthalb Jahren nachrüsten müssen. Da hat sie das Bundesverkehrsministerium zu gezwungen. Das zeigt ja, dass wir reagieren und dass der Bundesverkehrsminister Dobrindt sich da sehr engagiert hat.
    Was Brüssel zurzeit macht, das sind Regelungen, die auf nationaler Ebene gemacht werden sollen. Wir sollten nicht unbedingt alles nach Brüssel delegieren. Das Kraftfahrbundesamt wird streng überprüft in Deutschland und das brauchen wir nicht von Brüssel auch noch mal überprüfen zu lassen. Hier gilt für mich das Subsidiaritätsprinzip. Ich bin ein bisschen verärgert darüber, dass die Brüsseler jetzt auf einmal so tun, als müssten sie hier in Deutschland alles noch mal zusätzlich kontrollieren. Das ist genau dasselbe, dass die uns dann entscheiden wollen, wie eine Gurke gekrümmt sein muss. Das brauchen wir jetzt nicht auch noch.
    Armbrüster: Na ja, Herr Fuchs. Wir können ja zumindest festhalten: Der Diesel-Abgasskandal liegt knapp zwei Jahre zurück und jetzt kriegen wir auf einmal zwei Jahre später gestern diese unglaublichen Zahlen, Stickoxid-Werte, die nicht um 100 oder um 200, sondern um mehrere hundert Prozent über den eigentlich angegebenen Grenzwerten liegen. Da muss ja irgendjemand in Deutschland geschlafen haben.
    Fuchs: Das glaube ich auch nicht. Die Autos liegen alle in der Euro-VI-Norm. Wir waren die ersten, die die Euro-VI-Norm umgesetzt haben. Und seit 2015 gilt die Euro-VI-Norm und wir haben sie. Die neuen Autos liegen alle in dieser Größenordnung.
    Jetzt ist das Bundesumweltamt hingegangen und hat unter völlig veränderten Bedingungen ...
    Armbrüster: Nämlich unter realen Verkehrsbedingungen.
    Fuchs: Moment! Diese RDE – so heißt es ja – Real Drive Emission Prüfung, die kommt ja erst ab Ende diesen Jahres. Ich glaube, ab September tritt das in Kraft. Das hat das Bundesumweltamt aber vorgezogen. – Nummer eins.
    Nummer zwei: Das Umweltbundesamt hat unter anderen Temperaturen als bis jetzt vorgeschrieben gemessen und dadurch entstehen natürlich auch wieder andere Ausstöße. Das muss man alles berücksichtigen. Das ist nicht unbedingt vergleichbar. Deswegen erwarten wir von Brüssel, dass die uns ein, wie das immer so schön neuhochdeutsch heißt, Level-Playing-Field schaffen und dafür sorgen, dass wir alle unter gleichen Bedingungen prüfen. Wenn das Umweltbundesamt aber unter verschärften Bedingungen prüft, dann kann man das nicht automatisch vergleichen.
    "Wir sollten die Kirche im Dorf lassen"
    Armbrüster: Herr Fuchs, dann können wir aber zumindest sagen, wir haben in den letzten zwei Jahren auch mit völlig falschen Zahlen operiert, was die Diesel-Abgase angeht in Deutschland. Die haben eigentlich mit der Realität nichts zu tun und die Realität, die kriegen wir erst in wenigen Monaten präsentiert, nämlich dann, wenn diese neuen Überprüfungen einsetzen.
    Fuchs: Wir wollen mal Folgendes festhalten. In dem letzten Jahrzehnt ist der Stickstoff-Ausstoß – Stickstoff-Monoxid, darum geht es ja – erheblich gesunken, nämlich um 98 Prozent. Viel weiter runter geht das nicht.
    Zweitens: Der Diesel-Motor hat einen Riesenvorteil gegenüber dem Benziner, weil er nämlich weniger Sprit verbraucht. Das weiß ja jeder, der einen Diesel fährt, dass der deutlich weniger Sprit verbraucht als ein Benziner. Und dadurch - das ist ja auch noch so eine Diskussion, die wir führen – weniger CO2 ausgestoßen wird als bei einem Benzinmotor. Die Stickstoffbelastung ist deutlich runtergegangen. Da gibt es alle möglichen Berechnungen, die sagen, dass ein Lkw, der von Hamburg nach Berlin fährt, genauso viel Stickstoff-Monoxid ausstößt wie jemand, der eine Schachtel Zigaretten raucht. Also bitte, wir sollten die Kirche im Dorf lassen und auch nicht jetzt mit, sagen wir mal, Richtlinien loslegen, die viel, viel strenger sind als alle anderen sie überhaupt jemals haben, denn dann können wir gleich sagen, es darf kein einziges Auto mehr gefahren werden. Das wollen wir aber nicht.
    "Die Lobbyarbeit in Brüssel ist mindestens so intensiv wie in Berlin"
    Armbrüster: Richtlinien, die nur merkwürdigerweise gar nicht richtig durchgesetzt werden. Und wenn wir uns dann diese Studien ansehen, die da gestern veröffentlicht wurden und die diesen immens erhöhten Anteil zeigen, dann muss man sich doch zwei Jahre nach diesem Diesel-Abgasskandal fragen, ja haben die deutschen Behörden da vielleicht wirklich geschlafen, und wäre es dann nicht an der Zeit, tatsächlich eine europäische Behörde zu schaffen, die völlig unabhängig genau solche Abgase genau unter die Lupe nimmt?
    Fuchs: Herr Armbrüster, ich war schon das eine oder andere Mal in Brüssel. Die Lobbyarbeit in Brüssel ist mindestens so intensiv wie in Berlin. Wir sollten bitte nicht so tun, als sei Brüssel in der Lage, eine völlig einflusslose Behörde aufzubauen, die alles so wunderbar kontrollieren kann. Da glaube ich schon mal gerade gar nicht dran. Da ist mir die deutsche Gründlichkeit lieber.
    Der Bundesverkehrsminister hat der Automobilindustrie aber massiv auf die Füße getreten und gesagt, jetzt werden hier Richtlinien eingezogen und hier wird auch schärfer kontrolliert. Wir werden die ersten sein, die RDE, diese Real-Drive-Emission Überprüfung umsetzen, und zwar sofort. Nur bitte, wir sollten immer nach gleichen Bedingungen prüfen, und das Umweltbundesamt ist für mich nicht unbedingt das Amt, dem ich zutraue, dass die es besser können als viele andere.
    "Das ist nicht die Aufgabe des Umweltbundesamtes"
    Armbrüster: Warum nicht?
    Fuchs: Weil das Umweltbundesamt normalerweise mit diesen Dingen gar nichts zu tun hat. Das ist nicht die Aufgabe des Umweltbundesamtes. Die haben das einfach mal zusätzlich gemacht. Und sie haben andere Temperaturbedingungen angesetzt als in den Bedingungen, die in Brüssel vereinbart worden sind, und dann haben sie natürlich sofort einen anderen Wert.
    Armbrüster: Herr Fuchs, wie oft bekommen Sie denn eigentlich Besuch von Vertretern der deutschen Autowirtschaft, von Autolobbyisten?
    Fuchs: Das hält sich in Grenzen, hält sich sehr in Grenzen. Ich kann das jetzt nicht aus dem Kopf sagen, wie oft das war, vielleicht zweimal im letzten Jahr, mehr nicht.
    Armbrüster: Und was wird Ihnen da gesagt?
    Fuchs: Wir haben überhaupt nicht über das Thema Emissionen gesprochen, Herr Armbrüster, sondern wir haben über das Thema Elektromobilität gesprochen und die Folgen, die industriepolitischen Folgen, die das Ganze hat. Und das macht mir auch ein Stück weit Sorge. Wenn ich nur ein Beispiel nennen darf?
    Die Wertschöpfung bei einem Elektroauto liegt ungefähr nur bei 40 Prozent eines Verbrennungsmotor-Autos. Dieses bedeutet, dass viele Industriezweige in Deutschland massiv davon betroffen werden, wenn es de facto nur noch Elektromobilität gäbe. Deswegen bin ich auch dafür, dass wir völlig ergebnisoffen, technologieoffen die Entwicklung begleiten. Es kann ja durchaus sein, dass die Industrie mit einem vernünftigen Verbrennungsmotor auf, sagen wir mal, Wasserstoffbasis um die Ecke kommt, und dann kann das unter Umständen sinnvoller sein als reine Elektromobilität.
    Armbrüster: Aber die Zahlen, die wir gestern gehört haben, die werden doch sicher viele Leute dazu verleiten zu denken, gut, Diesel-Autos sind schmutzig, sie werden außerdem nicht besonders gut überprüft, also ist ein Umstieg möglichst bald auf Elektromobilität wirklich sinnvoll.
    Frage dann: Sind diese Diesel-Abgaswerte, die immer noch nicht unter Kontrolle sind, eigentlich nicht schädlich auch für die deutsche Autowirtschaft?
    Fuchs: Ich gehe davon aus, dass die Autowirtschaft ein hohes Interesse, ein hohes Eigeninteresse daran hat, die Diesel-Abgase in den Griff zu bekommen. Und wenn es Unternehmen gibt, die das richtig hinkriegen können, dann wahrscheinlich unsere, denn die sind ja in der Welt nun führend. Das ist ja nicht von Zufall, dass wir so viele Autos in die gesamte Welt verkaufen können.
    Die deutschen Autos haben schon einen Standard erreicht, der im Weltmaßstab hervorragend ist, und das sollten wir auch bitte bewerten und auch nicht einfach so nebenher erwähnen. Das ist schon in Ordnung. Und ich glaube, dass die deutsche Wirtschaft in der Lage ist, auch bei strengeren Normen, die sinnvoll sind, die sinnvoll sein müssen, Lösungen zu finden. Da habe ich viel Hoffnung.
    Armbrüster: Hoffnungsvolle Worte vom CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs, Fraktionsvize in seiner Partei im Deutschen Bundestag. Vielen Dank für Ihre Zeit an diesem Mittwochmorgen.
    Fuchs: Danke schön! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.