Die Chefin des Landesdenkmalrats kritisiert die Pläne des Senats und fordert ein Gesamtkonzept für das Internationale Congress Centrum.

Die Pläne des Senats, künftig nur noch einen Teil des Internationalen Congress Centrums (ICC) für Kongresse zu nutzen, stoßen jetzt bei Experten der Denkmalpflege auf Kritik. So warnt die Vorsitzende des Landesdenkmalrates, Kerstin Wittmann-Englert, vor „einer Zerstückelung dieses herausragenden Bauwerks“.

Im Gespräch mit der Berliner Morgenpost plädiert die 53-jährige Professorin der Technischen Universität (TU) dafür, dass der Senat ein Gesamtkonzept unter Einbeziehung von ICC-Architektin Ursulina Schüler-Witte erstellt. Die Kunsthistorikerin Wittmann-Englert, die auch Mitglied des renommierten Internationalen Rats der Denkmalpflege (ICOMOS) ist, fordert zudem, dass Bausenator Andreas Geisel (SPD) das ICC endlich als Denkmal deklariert.

Berliner Morgenpost Frau Wittmann-Englert, der Senat hat die sogenannten Eckpfeiler für die Zukunft des ICC verabschiedet. Danach sollen 10.000 Quadratmeter für künftige Kongressnutzung saniert, die restliche Fläche von privaten Investoren saniert und genutzt werden. Die Sanierung soll 2018 starten. Bausenator Andreas Geisel (SPD) feiert das als „Meilenstein“, Sie auch?

Kerstin Wittmann-Englert Nein, im Gegenteil. Das ist alles andere als ein Meilenstein, das ICC funktioniert als Kongresszentrum nur im Ganzen. Es ist keine Lösung, gerade mal ein Viertel der Fläche für das Kongressgeschäft zu sanieren. Priorität muss ein Gesamtkonzept für das ganze Haus haben und keine Zerstückelung dieses herausragenden Bauwerks in seiner baulichen und inhaltlichen Funktion.

Was wäre denn für Sie eine ganzheitliche Lösung?

Die Nutzung für Kongresse und Kultur, darin hat sich das ICC bewährt. Das Haus hat einen Preis nach dem anderen bekommen und war immer gut ausgelastet. Warum soll es jetzt plötzlich nicht mehr als Kongresszentrum funktionieren? Darüber hinaus gibt es ja auch bereits Ideen für eine erweiterte kulturelle Nutzung des ICC als Kongresszentrum und Ort der zeitgemäßen Kunst.

Das Kongressgeschäft selbst hat ja nie zur Finanzierung des Hauses gereicht. Auch die vom Senat vorgesehenen 200 Millionen Euro für die Sanierung sollen nicht für das ganze Bauwerk reichen, weshalb Berlin jetzt auf die Unterstützung von Privatinvestoren hofft.

Nach Gesprächen mit der Architektin, Frau Schüler-Witte, steht für mich fest, dass 200 Millionen Euro ansatzweise für die sicher erforderlichen technischen Ertüchtigungen reichen. Die Frage ist ja vielmehr, wie weitreichend muss die Sanierung sein und was will man verändern.

Stichwort Veränderung. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller, und Bausenator Andreas Geisel (beide SPD) haben bereits im Frühjahr einhellig dafür plädiert, das ICC unter Denkmalschutz zu stellen. Geisel sprach jetzt davon, dass man einen „modernen Denkmalschutz“ brauche, der die geplanten Veränderungen ermögliche. Ist Denkmalschutz mit Veränderungen vereinbar oder steht er denen eher im Weg?

Denkmalschützer sind per se keine rückwärtsgewandten Zeitgenossen, die in der Vergangenheit verharren. Denkmalschützer entwickeln Lösungen aus dem Bauwerk heraus. Aber im Fall des ICC geht es nicht um die Frage, wie viele Veränderungen machbar sind.

Sondern?

Welche Eingriffe sind notwendig? Wir blicken auf ein intaktes Gebäude. Und zwar eines, dessen Architektin Frau Schüler-Witte zwingend in die Planungen einbezogen werden muss. Sie kennt ihr Haus bestens. Und ist überdies Inhaberin des Urheberrechts. Die innere Einheit des ICC aus zentralem Saal, Foyer, Boulevard, den beiden Hauptsälen und dem Restaurant halte ich für unverzichtbar und unbedingt erhaltenswert. Der Wert des ICC besteht in seiner gestalterischen Einheit.

Fordern Sie deshalb den Denkmalstatus für das ICC?

Nein, nicht nur deshalb, auch wegen des herausragenden Zeugniswertes des Internationalen Congress Centrums. Dieses Gebäude steht für das ehemalige West-Berlin und ist markantes Zeichen der internationalen Kommunikation der einst eingeschlossenen Westhälfte. Mit dem leider abgerissenen Palast der Republik versinnbildlichte es damals den Widerstreit der politischen Systeme. Darüber hinaus besitzt es hohen Kunstwert. Mit all seinem Interieur ist das ICC eine Einheit von großer Bedeutung, weil es bis in kleinste Details in der Formensprache der 70er-Jahre durchgestaltet ist und diese Zeit repräsentiert. Das ist einzigartig, was übrigens nicht nur bundesweit von Experten so gesehen wird, sondern unterdessen auch international so bewertet wird.

Was meinen Sie damit?

Neben der Vereinigung der Deutschen Landesdenkmalpflege hat auch der Internationale Rat der Denkmalpflege (ICOMOS) auf seiner letzten Sitzung in Florenz eine Resolution verabschiedet, die den Denkmalschutz für das ICC fordert.

Wenn sich alle in der Frage des Denkmalschutzes so einig scheinen, warum dauert es dann so lange, bis der Denkmalschutz erteilt wird?

Weil nicht die Architekturikone, sondern allein deren Wirtschaftlichkeit diskutiert wird. Jetzt gilt es, couragiert zu handeln.

Was meinen Sie damit konkret?

Der Berliner Landesdenkmalamt und der für den Denkmalschutz zuständige Stadtentwicklungssenator als politisch Verantwortlicher müssen der Denkmaleintragung endlich formal zustimmen.

Und was soll mit dem Gebäude in der Zeit passieren, bis die Sanierungspläne erstellt und umgesetzt werden?

Natürlich ist es nicht gut, dass das ICC bereits seit April vergangenen Jahres geschlossen und seither nicht mehr öffentlich zugänglich ist. Das Gebäude sollte auf alle Fälle weiterhin offen bleiben. Ich halte deshalb die Idee einer temporären Nutzung für äußerst sinnvoll. Ob Ausstellungen, Performances oder Theateraufführungen – es gibt viele Möglichkeiten, das Bauwerk vor und auch während der Sanierungsarbeiten teilweise zu bespielen. Ich kann mir darüber hinaus auch sehr gut vorstellen, dass man regelmäßig Führungen durch das ICC anbietet, was sicher auf großes Interesse stößt.