Gesellschaftliche Transformation durch Kokreativität

Gesellschaftliche Transformation durch Kokreativität

Ein neues Forum für Philosophie und Kreativitätsforschung

Autor: Dr. Kai Gregor
Kategorie: Soziologie
Ausgabe Nr: 74

Die Menschen stehen an der Schwelle zu einer neuen Epoche, mitten im Übergang. Das technische und industrielle Zeitalter hat der Menschheit einen enormen Fortschritt gebracht. Zur Weiterentwicklung brauchen wir jetzt andere Denk- und Handlungsweisen als die Me-chanik. Das kreative Potenzial des Menschen ist gefragt, um diese Evolution kokreativ mit-zugestalten.

Wir stehen heute unübersehbar im Übergang von der Industriegesellschaft zu einer neuen Menschheitsepoche, die man auch Wissensgesellschaft https://www.tattva.de/die-soziologie-in-der-wissensgesellschaft/, Netzwerkgesellschaft, Nachhaltigkeits- oder eben auch Kreativgesellschaft nennen kann. Diese Zukunft wird die sinnvollen Errungenschaften der Industriegesellschaft bewahren, doch sie muss auch deren ökologische, soziale und seelische Probleme verstehen und lösen lernen. Schwierig ist dieser Übergang insbesondere durch eine rasant fortschreitende Modernisierung, die durch einflussreiche Entwicklungen exponentiellen Ausmaßes (kapitalistische Steigerungslogik, Bevölkerungswachstum, Zinseszinskurven, KI, Biotechnologie u. a.) ins Unkontrollierbare und Selbstzerstörerische abrutschen könnte: Diese zur Verselbstständigung neigenden Tendenzen sind stärker als bisher durch Qualitäten von Nachhaltigkeit, authentischer Individualität, Lebendigkeit und Solidarität zu integrieren.

Gesellschaftliche Transformation durch Kokreativität

Das kann nur auf Basis eines nicht-reduktiven integralen Menschen- und Weltbildes gelingen, welches den Menschen in seinem höchsten Potenzial und seinen kreativsten Fähigkeiten ernst nimmt und zur Entfaltung bringt: die Menschheit – ein Ganzes schöpferischer Wesen, jeder Mensch ein Künstler (Beuys). Integrale Kreativität und Kokreativität sind dabei Schlüsselbegriffe menschlicher Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung im globalen Zeitalter. Um dies langfristig und systematisch herauszuarbeiten, haben wir, Maik Hosang und ich, 2017 das Institut für Philosophie und Kreativitätsforschung, mit Sitz in Berlin und Pommritz, gegründet. Hier möchte ich einige Grundzüge unserer Arbeit vorstellen.

Sekundäre Kreativität – primäre Kreativität – integrale Kreativität

Das Institut für Philosophie und Kreativitätsforschung stellt die Begriffe integraler Kreativität und Kokreativität ins Zentrum seiner Arbeit und verbindet die Methoden der Psychologie, Philosophie und Kunst, um eine ganzheitlich-emanzipatorische Perspektive auf die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft zu gewinnen.

Sekundäre Kreativitätskompetenzen sind freilich an sich keineswegs sinnlos oder verwerflich, aber sie sind dem Menschen äußerlich und dadurch korrumpierbar, wenn die sozialen Rahmenbedingungen ungeeignet sind. Sekundäre Kreativitätskompetenzen werden erst dann zentriert und erfüllt, wenn sie vom Individuum in den Dienst seiner primären Tiefenkreativität gestellt werden. Erst durch die Verbindung von primärer und sekundärer Kreativität entsteht nach Maslow eine integrale Kreativität. Integrale Kreativität ist die voll entwickelte, reife Freiheit des Individuums https://www.tattva.de/der-mensch-als-wesen-des-geistes/, schöpferische Kraft bei technisch-praktischer Kompetenz. Erst dadurch wird der Einzelne zum schöpferischen Gestalter der sozialen Skulptur seines Lebens.

Erst integrale Kreativität erfüllt, was Beuys für die Kunst in jedem Menschen forderte: Jeder Mensch ist ein Künstler.

Es ist wichtig, zu sehen, dass der Begriff primärer Kreativität der Instrumentalisierung aus prinzipiellen Gründen entzogen ist. Durch ihn gelangen wir vielmehr in den Besitz von Kriterien, um den autonomen Kern eines unantastbar Menschlichen (der Würde, der individuellen Einzigartigkeit, Qualität und Freiheit) zu erfassen und weiter zu stärken. Die Stärkung dieses Residuums scheint uns eine der dringendsten Aufgaben der heutigen Kunst und Philosophie im Zeitalter der globalen Verfügungslogik des Kapitalismus.

In dieser Fassung sind Auszüge aus dem Artikel wiedergegeben. Für 1,00 € gibt es die Vollversion (am Ende des Beitrags bestellbar)!

Integrale Kokreativität

Damit komme ich zur Kokreativität: Der berühmte tschechische Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi hat in einer langjährigen Studie zur Kreativität gezeigt, dass kreative Ideen oder Produkte fast immer nur aus dem Zusammenwirken vieler Einflüsse und nicht nur aus der Genialität eines Einzelnen erwachsen, wie heute immer noch weitgehend vorausgesetzt wird. Pointiert gesagt: Auch Einsteins Leistungen waren nur in einem besonderen zwischenmenschlichen Feld möglich. Dies scheint uns eine sehr bedeutende Einsicht zu sein für alle Ideen von Kunst, Bildung, Wissenschaft, Stadt, Wirtschaft, Politik, ja Gesellschaft im Allgemeinen.

Es stellt sich heraus, dass es wesentlich leichter ist, primäre und folglich auch integrale Kreativität durch die Veränderung äußerer und insbesondere zwischenmenschlicher Bedingungen und Beziehungen zu fördern als durch den Versuch, ein einzelnes Individuum zu kreativerem Denken aufzufordern.

Wenn sich sekundäre Kreativität in begrenztem Maße auch durch Anstrengung, Appell und Arbeit steigern lassen mag, ist integrale Kokreativität ein rein interpersonales Resonanzphänomen. Technisch gesagt: Integrale Kokreativität ist eine interpersonale atmosphärisch-ästhetische Feldwirklichkeit, welche aus dem freien Wechselspiel von Anerkennung, Aufforderung und Resonanz einzelner kreativer Subjekte entsteht. Primäre Kreativität lässt sich also nur indirekt ermöglichen durch die Gestaltung des Umfeldes, also durch Veränderung der ästhetischen Umgebung, der sozialen Atmosphären, durch Umstellung gedanklicher Voraussetzungen und leitender philosophischer Paradigmen. Es müssen grundsätzlich neue nicht-instrumentelle Methoden gesammelt und erarbeitet werden – nicht nur, um die Quellen primärer Kreativität zu erschließen, sondern auch, um deren Inspirationen in die Welt zu bringen. Es sind Methoden, die neue und alte Wissensformen verbinden, reflexive und meditative Techniken, die letztlich darauf zielen, absichtsloses Wollen und Handeln (wuwei), genetisches Denken (hishiryo) und wissendes Nichtwissen (docta ignorantia) zu verwirklichen.

Lesen Sie den vollständigen Artikel in der Tattva Viveka 74 (zu bestellen am Ende dieses Beitrags)

Damit sind hoffentlich einige wesentliche Rahmenideen des Forschungsprogramms des Instituts für Philosophie und Kreativitätsforschung klar geworden, die angewandt auf heutige Entwicklungen ein kritisches Korrektiv und vielfältige zukunftweisende Perspektiven aufzeigen. Auf unserer Agenda steht die Entwicklung und Erprobung eines Studiengangs für integrale Kreativität. Darüber hinaus versuchen wir, auf vielfältige Weise neue Formen integralen Denkens und Handelns zu erproben. Um die Ideen der breiteren Öffentlichkeit vorzustellen und zu diskutieren, haben wir uns vorgenommen, in Berlin ein regelmäßiges philosophisches Festival zu organisieren. Die artphil.berlin – Festival für Kunst Philosophie 2018 ist ein Kunstfestival, das anknüpfend an den antiken poesis-Gedanken (Plato) und den erweiterten Kunstbegriff (Beuys) die reduktive und abstrakte Trennung von Philosophie

Damit sind hoffentlich einige wesentliche Rahmenideen des Forschungsprogramms des Instituts für Philosophie und Kreativitätsforschung klar geworden, die angewandt auf heutige Entwicklungen ein kritisches Korrektiv und vielfältige zukunftweisende Perspektiven aufzeigen. Auf unserer Agenda steht die Entwicklung und Erprobung eines Studiengangs für integrale Kreativität. Darüber hinaus versuchen wir, auf vielfältige Weise neue Formen integralen Denkens und Handelns zu erproben. Um die Ideen der breiteren Öffentlichkeit vorzustellen und zu diskutieren, haben wir uns vorgenommen, in Berlin ein regelmäßiges philosophisches Festival zu organisieren. Die artphil.berlin – Festival für Kunst Philosophie 2018 ist ein Kunstfestival, das anknüpfend an den antiken poesis-Gedanken (Plato) und den erweiterten Kunstbegriff (Beuys) die reduktive und abstrakte Trennung von Philosophie https://www.tattva.de/der-andere/ und Kunst verwirft, um integrale Formen schöpferischen kokreativen Denkens und Handelns wiederzugewinnen.

Gesellschaftliche Transformation durch Kokreativität

Es scheint uns notwendig, diesem integralen kokreativen Wechselverhältnis von Philosophie und Kunst ein neues Forum zu schaffen, um den Menschen neue Mittel und Instrumente an die Hand zu geben, sich kokreativ und weltoffen mit den Herausforderungen der Gegenwart auseinanderzusetzen und also mit einer Kompetenz auszustatten, sich neue, existenzielle Perspektiven im Leben zu erarbeiten, anstatt den Status quo in den dialektischen Wiederholungsschleifen der politisch korrekten Mainstream-Diskurse, des kraftlosen akademischen Betriebs und der selbsterfüllenden Prophezeiungen verspielter, in sich selbst verliebter Kunstevents in allerengsten Kreisen fortwährend zu reproduzieren.

Wer Interesse an unserer Arbeit hat, weitere Informationen bekommen möchte oder sich berufen und begabt fühlt, mitzumachen, den lade ich herzlich zur Mitarbeit ein.

Unser Autor Dr. Kai Gregor

Über den Autor

Dr. Kai Gregor ist Philosoph, Aktionskünstler und Zen-Mönch, er schrieb das Buch »Freiheit – Reflexion – Erfüllung«, ist Mitbegründer des Instituts für Philosophie und Kreativitätsforschung, und Kurator der artphil.berlin – Festival für Kunst ≡ Philosophie. www.cocre.eu

Dies sind Ausschnitte aus dem Artikel.

Erfahren Sie mehr über die Arbeit des Forums für Philosophie und Kreativität.

Die vollständige Fassung lesen Sie in der Tattva Viveka 74 Auch für 1,00 € als ePaper erhältlich (Pdf, 5 Seiten).

Gesellschaftliche Transformation durch Kokreativität (PDF)

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Dr. Kai Gregor
Gesellschaftliche Transformation durch Ko-Kreativität.
Ein neues Forum für Philosophie und Kreativitätsforschung

Die Menschen stehen an der Schwelle zu einer neuen Epoche, mitten im Übergang. Das technische und industrielle Zeitalter hat der Menschheit einen enormen Fortschritt gebracht. Zur Weiterentwicklung brauchen wir jetzt andere Denk- und Handlungsweisen als die Me-chanik. Das kreative Potenzial des Menschen ist gefragt, um diese Evolution kokreativ mit-zugestalten.
 

 

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1 Comment
  • DeWaerdmeester
    Gepostet am 18:56h, 16 März Antworten

    Danke für den Artikel, Frau Kavgic.

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