Union und SPD haben ihren Streit über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche vertagt. "Die SPD-Bundestagsfraktion wird ihren Gesetzentwurf zum Paragraf 291a des Strafgesetzbuches jetzt nicht zur Abstimmung stellen", heißt es in einer abgestimmten Erklärung von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles (SPD) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Bundesregierung werde aufgefordert, Möglichkeiten einer Lösung zu prüfen und einen Vorschlag vorzulegen.

Die Oppositionsparteien kritisieren den Rückzug. Die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws bezeichnete den Schritt als "Kniefall der SPD vor der Union". Der Regierungsbeginn sei ein "schlechter Tag für die Rechte von Frauen und für die Rechtssicherheit von Ärztinnen und Ärzten". Die Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring sagte, ihr bleibe gegenüber der SPD "langsam nur noch völliges Unverständnis übrig". Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) kündigte Widerstand an. Der Welt sagte er, die FDP werde bei den anderen Fraktionen für ihren eigenen Antrag zum Paragraf 219a StGB werben. "Und dann will ich sehen, wie die SPD im Parlament gemeinsam mit AfD und Union gegen diese Reform des Strafrechts stimmt."

In der Unionsfraktion habe dagegen Erleichterung über die Entscheidung geherrscht, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Der nicht abgesprochene Vorstoß der SPD-Fraktion, einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Paragrafen 219a vorzulegen, hatte zwischen den Koalitionspartnern für offenen Streit gesorgt.

Die Union hatte eine Verfassungsklage erwogen. Sollte ein Gesetz zur Aufhebung des Verbots durchkommen, "ist zu überlegen, ob wir vor das Bundesverfassungsgericht ziehen", hatte die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), dem Spiegel gesagt. Die Sprecherin des konservativen Berliner Kreises, Sylvia Pantel (CDU), sprach in der Augsburger Allgemeinen von einem "eklatanten Vertrauensbruch". Der familienpolitische Sprecher der Fraktion, Marcus Weinberg (CDU), hatte der SPD eine "Nacht-und-Nebel-Aktion" vorgeworfen.

Im Februar hatte der Bundestag bereits die Vorlagen der Linken, der Grünen und der FDP beraten. Die Linken und Grünen wollen das Werbeverbot ebenfalls abschaffen. Die FDP tritt für eine Abschwächung ein und will nur noch grob anstößige Werbung unter Strafe stellen. Eine Mehrheit für die Abschaffung des Paragrafen hätte also auch ohne CDU und CSU zustande kommen können.

Auslöser für die Debatte um den Paragraf 219a StGB war ein Gerichtsurteil vom vergangenen Jahr. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel war zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Homepage per Link über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte. "Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache", begründete die Vorsitzende Richterin das Urteil.