Empathische Führung ist chancenlos, wo kurzfristiger Umsatz zählt
Die Ergebnisse der Neurowissenschaft sind eindeutig: Produktiv ist was human ist und humane Führung ist im Kern eine empathische Führung. Das dem so ist, liegt an der Biochemie unseres Gehirns. Nur in einer Vertrauenskultur kann es die Stoffe Dopamin, Serotonin und Qxytocin ausschütten. Diese Stoffe führen nach dem Nobelpreis von Eric Kandel zur vollen Potentialentfaltung und damit zur Höchstleistung des Gehirns.
Führung, die dagegen mit Druck, Stress und Misstrauen arbeitet, erzeugt im Gehirn Cortisol und Adrenalin. Beide Stoffe führen zu einem Anpassungsverhalten und erhöhen die Schutzfunktionen, d.h. hier werden Routinen abgerufen. Ganz abgesehen davon, dass dauerhafter sozialer Stress dem Gehirn schaden kann, weil zuviel Cortisol neuronale Strukturen auflöst.
Nun dominiert in den meisten Organisationen ein betriebswirtschaftliches und kurzfristiges Ergebnisdenken. Die Systematik verläuft in aller Regel so: Meier als Führungskraft ist Anfang 40, ein verbindlicher Mensch, der regelmässig Zahlen abliefert, die ganz ok sind und dies darauf zurückführt, dass ihm das Wohl seiner Mitarbeiter sehr am Herzen liegt. Schulz ist Anfang 30, liefert regelmässig bessere Zahlen ab als Meier und zeigt sich im Umgang mit anderen Menschen ein wenig einfühlsam und durchaus barsch.
Ob es seinen Leuten gut geht oder nicht, interessiert ihn etwa so viel wie der berüchtigte Sack Reis, der in China umfällt.
Natürlich wäre es die Aufgabe der Führungskraft, Schulz auf die durchaus verbesserungswürdige Interpretation seiner Führungsrolle anzusprechen. Das Problem ist nur: Sie profitiert von den guten Zahlen durch Schulz. Die Beurteilung der Führungskraft hängt – wie auch die von Schulz – in erster Linie von den Umsatz- und Rendite-Zielen ab, die sie erreicht, egal wie. Mit seinem Problem ist die Führungskraft von Schulz nicht alleine. Zahlreiche Studien zeigen: In vielen Unternehmen wird gute Führung zu wenig honoriert.
Die Zielvereinbarungen der oberen Führungskräfte strotzen nur so vor Zahlen und Umsatzmarken. Wie es den Mitarbeitern geht, die die Umsätze erwirtschaften, findet hingegen kaum Niederschlag im Performance Management der Top-Leute.
Klar, irgendwo steht in den Zielvereinbarungen auch mal was über das Klima in der Abteilung, über Talentförderung und so. Aber damit ist es wie mit Kunst und Musik in der Schule: Schön für jemanden, wenn er da eine Eins hat. Aber gegen die Fünf in Mathe hilft das nicht viel. Wer sagt denn, dass es in Unternehmen um nachhaltige Erfolge geht.
Die Controller und Kontrollfreaks der BWL übersehen möglicher Weise folgende Fragen:
Warum ist das Team von Schulz trotz seiner unempathischen Art so erfolgreich? Wahrscheinlich liegt es gar nicht an der Führung. Im Gegenteil: Wäre Schulz keine Führungskraft, würde das Unternehmen eine Menge Personalkosten sparen und das Team wäre noch erfolgreicher.
Oder: Wie viel Erfolg wird eigentlich durch die unempathische Führung von Schulz verhindert?
Oder: Wieviel Erfolg wird durch die empathische Art von Meyer erst möglich?
Oder: Welche negativen Nebeneffekte wie Fluktuation von Leistungsträgern findet im Schulz Team statt, deren Kosten erst in einer Gesamtrechnung sichtbar werden? Würden diese z.B. Schulz tatsächlich zugerechnet, würde er jedes Jahr mit geringen oder negativen Deckungsbeiträgen II abschließen.
Umsatz ist ja nicht gleich Ertrag. Oder anders gefragt: Wie viel Kosten spart Meyer ein durch geringe Fluktuation und Krankheitsstände und hohe Bindung für das Unternehmen? Alles diese Fragen werden nicht gestellt und nicht transparent gemacht.
Vielleicht sind die Teams von Schulz und Meyer überhaupt nicht vergleichbar und jede Schlussfolgerung über die Auswirkung der Führung auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gar nicht zulässig? Und schließlich ist Erfolg immer von vielen Faktoren abhängig und es ist immer auch die Frage, was unter Erfolg verstanden wird.
Die Sichtweise auf kurzfristige Umsatzerfolge ist in einem System, was nur diese honoriert zwar nachvollziehbar, mitunter sehr einfach, oberflächig, kurzfristig und manchmal ziemlich dumm.