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Seit fünf Jahren ist der "Privatclub" eine Kaderschmiede für aufstrebende Berliner Bands. Jetzt droht das Aus.

© Kitty Kleist-Heinrich

Gentrifizierung in Berlin: Kreuzberger "Privatclub" vor dem Aus

Die Samwer-Brüder sollen das frühere Postgebäude an der Skalitzer Straße 85 gekauft haben. Sie verlangen doppelte Miete und geben Konzertverbote.

Und wieder hat es einen Kultbetrieb der Kreuzberger Club- und Kulturlandschaft erwischt: Der „Privatclub“ an der Skalitzer Straße 85 hat einen neuen Vermieter und der Käufer des früheren Postgebäudes verlangt doppelt so viel Miete von dem Konzert- und Partyveranstalter wie bisher.

22 Euro je Quadratmeter im Monat fordert der Eigentümer, angeblich die Internet-Unternehmer Samwer. Eine Verlängerung des Mietvertrages über das Jahr 2022 sollen sie auch ausgeschlossen haben, so Club-Betreiber Norbert Jackschenties: „Wir werden verdrängt.“

Kaderschmiede für aufstrebende Bands

„Privatclub“ und „Milchmädchen Musikkultur“ zogen vor gut fünf Jahren in das frühere Postgebäude. Zwischen Görlitzer Bahnhof und Schlesischem Tor im tiefen Kreuzberg gelegen und ohne direkte Nachbarn außer die über die Hochgleise rumpelnde U 1, ist der alte Backsteinbau bestens für Auftritte aufstrebender Bands aus Kreuzberger Hinterhöfen geeignet.

„Some Poetries“, „Julius Lahai“ und der „Funkverband“ treten Ende des Jahres auf. Ihre ersten Gigs haben aber auch „Wir sind Helden“, „Beatsteaks“ und „KAKKMADDAFAKKA“ im Privatclub gespielt – heute spielen sie vor Zigtausenden. Partys gibt es auch an der Skalitzer: „Psychedelic Cumbia Party“, und „Joyride“ (Reggae und Dancehall) noch vor dem Jahreswechsel.

„Nichts als Stress haben wir, seitdem die Samwers das Haus gekauft haben“, sagt Norbert Jackschenties. Der war selbst mal Musiker und stand in den 1990er Jahren mit der Band „Fleischmann“ bei Sony unter Vertrag. Jetzt formt er die jungen Generationen: 1600 Konzerte in fünf Jahren an der Skalitzer.

„Wir halten die Preise niedrig, damit die Leute aus dem Kiez kommen können“, sagt er. Dabei hat er Geld im Gegenwert eines Einfamilienhauses in das marode Postgebäude investiert. Weil der damalige Vermieter den Club wollte. Jetzt ist alles anders: Die Heizungsanlage fiel schon vier Mal aus. Niemand sei per Notruf erreichbar gewesen.

Zum Glück für Jackschenties lief kein Konzert an dem Tag, denn das hätte abgesagt werden müssen: Die Lüftungsanlage hängt an der Heizung dran und ohne Frischluft geht nichts, schon gar keine große Party.

„Support von politischer Seite wäre wünschenswert“

Dass die Samwers neue Eigentümer sind, weiß Jackschenties, weil Marc Samwer die Verwaltervollmacht unterschrieben hat. Zwar hat der „Privatclub“-Betreiber einen guten Rechtsanwalt und der gerade verlängerte Vertrag sei so leicht nicht zu kippen. „Die Samwer-Anwälte schießen trotzdem weiter, jetzt von einer anderen Seite“, sagt er.

Denn der neue Eigentümer hat die Etage über den Clubräumen an Start-Ups vermietet, offensichtlich ohne diese über den Lärm zu informieren, den Partys und Konzerte eben so mit sich bringen. Jetzt sollen nur noch maximal zwei Veranstaltungen in der Woche erlaubt sein. „Das geht nicht, wirtschaftlich schon gar nicht“, sagt Jackschenties. Der Druck macht ihn schon mürbe und er sagt: „Support von politischer Seite wäre wünschenswert.“

Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt (Grüne) will sich kümmern und fordert „einen Runden Tisch mit den Start-up-Unternehmen“. Denn: „Es ist erschreckend, wie die Samwer-Brüder oder andere Tech-Unternehmen die Stadt kaufen und angestammte Nutzer gekündigt werden.“ Diese Einkaufstouren bedrohten den sozialen Zusammenhalt. Die Samwer-Brüder waren bisher nicht zu erreichen.

„Copy and paste“-Millionäre werden sie genannt, weil sie erfolgreiche Internetportale aus den USA kopierten und als Start-ups gewinnbringend verkauften. Oliver, Marc und Alexander Samwer sollen außerdem seit Jahren Gewerbeimmobilien in Berlin einkaufen: Die Uferhallen in Wedding oder das Ullsteinhaus in Mariendorf sollen dazu zählen. Die Eigentümerschaft verbergen sie aber in komplexen Firmenkonstruktionen.

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